Kocher: "Schwierig", über "ungerechtfertigte Preiserhöhungen" zu sprechen
Die Inflation ließ auch die Lebensmittelpreise massiv ansteigen. Erst Ende April zeigte eine Studie des Centre for Economic Policy Research (CEPR), dass Lebensmittel in Österreich im Schnitt um rund 13 Prozent teurer sind als etwa in Deutschland. Auch bei Supermarktketten, die es in beiden Ländern gibt.
Dennoch will Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) nichts von "ungerechtfertigten Preiserhöhungen" wissen, sagte er dem "Standard". In einer Marktwirtschaft sei es schwierig davon zu sprechen, meinte er. "Wenn jemand die teuer gewordenen Produkte kauft, gibt es die Nachfrage dafür", so der Minister.
Lebensmittelpreise unterdurchschnittlich
Er gesteht aber auch zu, dass "Lebensmittel eine spezifische Kategorie sind und dass sichergestellt werden muss, dass Menschen sie sich auch leisten können, insbesondere Grundnahrungsmittel". Er sei generell nicht dagegen, mit dem Lebensmittelhandel über ihre Preisgestaltung zu sprechen. Als Preistreiber sieht er die Branche aber nicht. Er sehe aktuell keine Hinweise, dass in diesem Bereich der Wettbewerb zu schwach wäre, sagte er im Gespräch mit dem "Standard". Überhaupt sei der Anstieg der Lebensmittelpreise in Österreich im Europavergleich im Vorjahr unterdurchschnittlich gewesen.
Laut der industrienahen Agenda Austria sind die Lebensmittelpreise in Österreich im Jahresabstand tatsächlich weniger stark gestiegen als in den meisten anderen EU-Ländern - der Preisanstieg um 14,6 Prozent bei Lebensmitteln war demnach deutlich geringer als etwa in Deutschland, aber auch weniger als in den Nachbarländern Ungarn, Slowakei, Tschechien oder Slowenien.
Gewinne für Inflation verantwortlich
Laut Momentum Institut seien aber sehr wohl die Profite der heimischen Unternehmen für die Inflation verantwortlich: Eine Analyse der Entwicklung des Anteils von Profiten an der Inflation über den Zeitraum von 2000 bis 2022 zeige, dass die Profite bei der Inflation in Österreich zuletzt um ein Viertel mehr ausgemacht hätten als vor 2022. Drei Viertel der nicht importierten Teuerung gingen auf die höheren Unternehmensgewinne zurück, nur ein Viertel auf die Löhne, schreibt Momentum und beruft sich dabei auf Eurostat-Daten.
Kocher hingegen lehne die Bezeichnung "Gierflation" als "Kampfbegriff in der politischen Debatte" ab. Dafür, dass die Inflation deutlich über jener in Deutschland liegt seien Preisanstiege bei Möbeln, bei Tourismus- und Freizeitdienstleistungen sowie bei Neuwagen verantwortlich. "Wenn man diese drei Produktkategorien herausrechnet, gibt es zu Deutschland praktisch kein Differenzial mehr", so Kocher. Auch das zeige, dass Lebensmittelpreise für den Inflationsunterschied eine geringe Rolle spielen.
Kocher will nicht eingreifen
"Wenn unser einziges Ziel wäre, die Inflation zu reduzieren, dann müsste man ja die Kaufkraft schwächen", so Kocher. Weil man das nicht gewollt habe, habe die Regierung mit finanziellen Unterstützungen gearbeitet. "Dass dadurch auch die Nachfrage angekurbelt wurde und damit auch ein gewisser Druck auf Preise entsteht, ergibt sich automatisch." Solange aber die Inflation nur "ein paar Monate" über jener in Deutschland liege, sehe er kein Problem. "Wenn das über fünf Jahre so gehen würde, wäre das anders."
Einflussmöglichkeiten sieht Kocher nur wenige: "Die öffentliche Hand kann Gebühren steuern. Insgesamt gibt es nicht so viele Bereiche, wo die Bundesregierung direkt eingreifen kann", sagte er im "Standard". Die höhere Inflation werde natürlich auch bei den Lohnforderungen eine Rolle spielen, "aber Lohnpolitik machen die Sozialpartner. Und es ist nicht so, dass sie unverantwortlich handeln würden".
Zusammenfassung
- Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sieht eine Nachfrage nach den teurer gewordenen Lebensmitteln.
- Über "ungerechtfertigte Preiserhöhungen" zu sprechen sei daher schwierig.
- Die Bezeichnung "Gierflation" lehne er als "Kampfbegriff" ab.