Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP), Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP)APA/ROLAND SCHLAGER

Koalitionskrach beim Kinderschutz: Wer noch liefern muss

Letztlich war es wohl der Fall Teichtmeister, der die Regierung dazu veranlasste, ein Kinderschutz-Maßnahmenpaket mit härteren Strafen zu präsentieren. Umgesetzt ist davon noch wenig - ÖVP und Grüne schieben sich gegenseitig die Schuld dafür zu. Claudia Plakolm wirft dem Justizministerium Trödelei vor. Aber es fehlen auch andere Teile des Pakets.

Zahlreiche Fälle von mutmaßlichem Kindesmissbrauch schafften es schon im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen. Unter den Verdächtigen befinden sich Lehrer, Kindergartenpädagogen oder Betreuer bei Feriencamps. Schließlich war es aber wohl der Fall Florian Teichtmeister, der die Regierung im Jänner vor die Presse treten ließ.

Die Grünen Regierungsmitglieder betonten zwar, dass man an dem Paket schon seit Monaten gearbeitet habe. Der Fall Teichtmeister ließ dann aber die ÖVP-Regierungsmitglieder, allen voran Frauenministerin Susanne Raab, Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm und schließlich sogar Bundeskanzler Karl Nehammer nach härteren Strafen rufen. Von Kritiker:innen wird das Paket deshalb auch als "Lex Teichtmeister" bezeichnet. 

Plakolm nimmt den verschobenen Prozesstermin im Fall Teichtmeister - und Berichte, wonach der Angeklagte in Wiener Innenstadtlokalen verkehren soll, nun zum Anlass, dem grünen Justizministerium unfreundliche Worte auszurichten. Dort würde man trödeln, die härteren Strafen hätten längst umgesetzt werden sollen.

Claudia PlakolmAPA/GEORG HOCHMUTH

Claudia Plakolm

Im Justizministerium stoßen diese Worte auf Unverständnis. Schließlich wurde doch ein breites Maßnahmenpaket präsentiert, das nicht nur härtere Strafen beinhaltet, sondern auch andere Lücken beim Kinderschutz schließen soll. 

Härtere Strafen

Das Maßnahmenpaket wurde im Jänner im Ministerrat beschlossen. Wer Missbrauchsbilder von Kindern über 14 Jahren besitzt, dem sollen künftig bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe drohen – jetzt ist es ein Jahr. Bei Kindern unter 14 Jahren wird das Strafmaß von drei auf vier Jahre erhöht. Härtere Strafen sollen auch jenen drohen, die Missbrauchsdarstellungen herstellen – nämlich bis zu fünf Jahre Haft. Zehn Jahre sind es bei jenen, die dies explizit zum Zweck der Verbreitung machen.

Zudem soll das Tätigkeitsverbot bei entsprechenden Vorstrafen künftig auch für jene gelten können, die zum Tatzeitpunkt noch nicht mit Kindern arbeiteten. Das Wort "Kinderpornografie" soll im neuen Gesetz nicht mehr vorkommen - es sei verharmlosend. Künftig soll dort die Rede von "Darstellung von Kindesmissbrauch" sein.

Prävention

Neben den Strafen wurden aber auch Maßnahmen wie verpflichtenden Kinderschutzkonzepte an Bundesschulen und Pflichtschulen angekündigt. Für Kindergärten und Vereine sollte es ein Gütesiegel geben. Lehrer:innen sollen bei ihrer Anstellung künftig eine Erklärung unterschreiben müssen, dass keine Verbindung zu Sexualstraftaten bestehe. Zudem soll eine Aufklärungskampagne gestartet werden.

Opferschutz

Für Opfer von sexueller Gewalt sieht das Paket den Ausbau der Nachbetreuung vor - es soll mehr Geld für Beratungszentren und mehr Mittel für Cyber-Ermittlungen der Polizei, sowie mehr Geld für Therapieangebote für Täter im Strafvollzug geben.

Umgesetzt wurde davon bisher noch wenig, was nun mal wieder für koalitionsinterne Debatten sorgt.

"Das Justizministerium trödelt"

"Es war vereinbart, dass die Strafverschärfungen noch vor dem Sommer kommen. Das ist geplatzt, weil das Justizministerium trödelt in der Sache. Manche Sachen in der Politik sind Pflicht und manche Kür. Dass Kinderschänder hart bestraft gehören, ist für mich Pflicht, das haben wir beschlossen und das ist vom Justizministerium umzusetzen", richtet da etwa Staatssekretärin Claudia Plakolm Justizministerin Alma Zadić (Grüne) in einem PULS 24 übermittelten Statement aus. 

Alma ZadicAPA/ROLAND SCHLAGER

Alma Zadić

Im Justizministerium (BMJ) weist man diese harte Kritik zurück. Man sieht die angekündigten Maßnahmen eben als Paket und betont, dass zahlreiche Expert:innen sagten, dass Strafen alleine in dem Bereich wenig bringen würden. Außerdem, so heißt es aus dem Justizministerium auf PULS 24 Anfrage, seien andere Teile des Pakets, "die nicht in die Zuständigkeit des BMJ fallen, wie etwa die geplanten Kinderschutzkonzepte in den Schulen, bislang noch nicht in Begutachtung geschickt" worden. 

Aber was ist aus den versprochenen Maßnahmen wirklich geworden? 

Das Justizministerium hat im April einen Gesetzesentwurf präsentiert, der dann in Begutachtung ging. Er beinhaltet vor allem die härteren Strafen, aber auch die Verschärfung beim Tätigkeitsverbot. Zahlreiche Organisationen machten bis Mitte Mai Anmerkungen und äußerten teils scharfe Kritik. So kam man etwa darauf, dass das geplante Gesetz auch Darstellungen zwischen Sexualpartnern, deren Verkehr legal ist, mit Strafe bedrohe - etwa wenn sich Jugendliche gegenseitig Nacktfotos schicken. 

Vor dem Sommer wurde der Entwurf dann nicht mehr im Nationalrat zur Abstimmung freigegeben. Man wolle die Stellungnahmen aus der Begutachtung analysieren und Gespräche "mit den Stakeholder:innen führen", teilt das Ministerium mit. "Im Einvernehmen mit dem Koalitionspartner" soll dann geprüft werden, ob es Änderungen bedarf. "Aus Sicht des BMJ kann die Novelle jedenfalls wie geplant im ersten Justizausschuss im Herbst beschlossen werden", heißt es. 

Plakolm unzufrieden, aber hat noch nicht geliefert

Staatssekretärin Plakolm sieht das anders. In ihrem Staatssekretariat ist nicht die Rede davon, dass man etwaige Änderungen mit dem Koalitionspartner besprechen wolle. "Wir waren uns alle in den Verhandlungen einig, dass man rasch handeln und das Gesetz umsetzen muss", heißt es auf PULS 24 Anfrage. "Nun ist es so, dass die Einarbeitung der Stellungnahmen aus dem Begutachtungsprozess bereits fast so lange dauert, wie es gedauert hat, den gesamten Gesetzesentwurf vorzulegen", kritisiert man. 

Kurios aber: Das Staatssekretariat ist für die Zertifikate für Vereine zuständig, die diese bekommen sollen, wenn sie ausreichend für Kinderschutz sorgen. Die Zertifikate sollen von einer "neu einzurichtenden Qualitätssicherungsstelle vergeben werden", heißt es. Fragt man nach Details und will wissen, wann die Stelle kommt, heißt es aber nur: "Das ist aktuell in Abstimmung und Ausarbeitung".

Bildungsministerium gelassener

Auch im ÖVP-geführten Bildungsministerium ist man noch nicht ganz so weit. Dort gibt man sich aber auch gelassener und betont die Zusammenarbeit mit den Grünen. So werde man eine Gesetzesinitiative, die den Schulen Kinderschutzkonzepte vorschreibt "voraussichtlich im Herbst" verabschieden. Die Erklärung, die Lehrer:innen bei ihrer Anstellung unterzeichnen werden müssen, wolle man bei der nächsten Dienstrechtsnovelle mitbeschließen. Wann diese sein wird, wisse man noch nicht genau - wahrscheinlich auch im Herbst. 

Schon geliefert hat hingegen das Innenministerium - die Aufstockung bei den Cyber-Ermittlern wurde ja schon im Dezember 2022 mit der Kriminaldienst-Reform angekündigt. Die ressortübergreifende Aufklärungskampagne soll im Herbst starten. 

Die Aufregung im Staatssekretariat von Claudia Plakolm dürfte mit dem Fall Teichtmeister zu tun haben. Boulevardmedien kritisierten, dass es zu lange dauerte, bis ein Gerichtstermin feststand. Die härteren Strafen wären in dem Fall aber ohnehin nicht zur Geltung gekommen. In Österreich gilt ein Rückwirkungsverbot.

ribbon Zusammenfassung
  • Letztlich war es wohl der Fall Teichtmeister, der die Regierung dazu veranlasste, ein Kinderschutz-Maßnahmenpaket mit härteren Strafen zu präsentieren.
  • Umgesetzt ist davon noch wenig - ÖVP und Grüne schieben sich gegenseitig die Schuld dafür zu.
  • Claudia Plakolm wirft dem Justizministerium Trödelei vor. Aber es fehlen auch andere Teile des Pakets.