Österreichische Kinderschutzzentren fordern mehr Präventionsarbeit
Für die Österreichischen Kinderschutzzentren sind verschärfte Strafen für Delikte an Kindern nicht automatisch schon verbesserter Kinderschutz. "Die Bedürfnisse von betroffenen Kindern und Jugendlichen und Maßnahmen, die zur Verhinderung der Gewalt bzw. zur Unterstützung notwendig sind, geraten dabei schnell aus dem Blick", mahnten die Fachleute am Freitag. Nötig sei vielmehr ein Ausbau der Prävention, von Opferschutzeinrichtungen und der Ressourcen bei der Polizei.
Verstärkte opfer- und täterorientierte Prävention
Sobald schwere Fälle von Gewalt an Kindern bekannt werden, folge der Ruf nach höheren Strafen für Täter und Täterinnen - wie derzeit im Zusammenhang mit dem Fall des Schauspielers Florian Teichtmeister, dem die Staatsanwaltschaft Wien das Beschaffen und Horten von zehntausenden Dateien mit sexuellen Missbrauchsdarstellungen von Unmündigen und Minderjährigen vorwirft. "Effektiver Kinderschutz braucht andere Antworten und Maßnahmen: In Anzeige- oder Verurteilungsstatistiken bildet sich nur die Spitze des Eisberges ab, dahinter liegt ein großes Dunkelfeld", so der Standpunkt der Kinderschutzeinrichtungen.
"Es muss unser Ziel sein, mit verstärkter opfer- und täterorientierter Prävention, dem Ausbau von spezialisierten Opferschutzeinrichtungen, mehr Ressourcen im Ermittlungsbereich und insbesondere einer gesellschaftlichen Sensibilisierung dieses Dunkelfeld heller zu machen", sagte die Vorsitzende des Bundesverbands, Petra Birchbauer. Denn viele Kinder, die Grenzüberschreitungen oder Gewalt erfahren, behalten das Erlebte für sich - aus Angst, Scham oder weil sie fürchten, dass ihnen nicht geglaubt wird. Laut einer deutschen Untersuchung aus 2015 (Mikado-Studie - Missbrauch von Kindern: Ätiologie, Dunkelfeld und Opfer, Anm.) vertraut sich nur ein Drittel der Kinder, die Opfer von sexuellem Missbrauch werden, jemandem an. Nur ein Prozent der Fälle würden Ermittlungsbehörden oder Jugendamt bekannt.
Weiters hätten sechs Prozent der befragten Mädchen und zwei Prozent der Burschen berichtet, im Jahr zuvor mindestens eine belastende sexuelle Onlineerfahrung gemacht zu haben. Nur 14 Prozent brachen den Kontakt ab, wenn ein unangenehmes sexuelles Thema auftauchte oder eine sexuelle Handlung gefordert wurde. Eine vier Jahre später durchgeführte EU-Studie (Kids-online, 2019) berichtet bereits von knapp 30 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen, die mit der versuchten Anbahnung von sexuellen Kontakten konfrontiert waren.
Kinder nützen das Internet immer früher, daher müsse Prävention mit Kindern, Eltern sowie Pädagoginnen und Pädagogen bereits im Kindergartenalter ansetzen, forderten die Expertinnen: Von Untersuchungen aus Deutschland sei bekannt, dass von den unter 14-jährigen Opfern von Abbildungen sexueller Gewalt 21 Prozent erst vier bis acht Jahre alt seien, zwei Prozent gar jünger als drei Jahre.
Mehr Aufklärung über Hilfsangebote
Wenn sexuelle Übergriffe fotografiert oder gefilmt und ins Netz gestellt werden, stelle die Unkontrollierbarkeit der Abbildungen eine zusätzliche Belastung für Kinder und Jugendliche dar: "Die Angst, dass Bekannte die Bilder bzw. Videos sehen, dass diese Bilder auch nach Jahren immer wieder auftauchen könnten, dass andere glauben, sie hätten das freiwillig gemacht oder die Vorstellung, dass andere Menschen diese Bilder für ihre sexuelle Erregung nutzen, ist für sie extrem belastend", so die Kinderschutzexpertinnen.
Der Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren fordert daher, "Kinder im Blick zu behalten, wenn es um Kinderschutz geht". Bei diesem Deliktsbereich, "der oftmals bagatellisierend als Kinderpornografie bezeichnet" wird, handle es sich "um realen Missbrauch von Kindern, oft über Jahrzehnte". Es brauche mehr Aufklärung über Hilfsangebote, den Ausbau von geschlechtsspezifischer, altersadäquater Prävention, die Verankerung von Kinderschutz in Ausbildungen von Pädagoginnen und Pädagogen sowie für Gesundheitsberufe und verpflichtende Kinderschutzkonzepte für alle Organisationen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.
(S E R V I C E - www.oe-kinderschutzzentren.at - www.kinder-schuetzen.at - www.schutzkonzepte.at )
Wo Opfer von Kindesmissbrauch Hilfe finden können:
- Rat auf Draht:
Telefonberatung: 147 - Die Möwe:
Telefonberatung: 01 532 15 15
Onlineberatung: die-moewe.beranet.info - Beratungs- und Notfalltelefon Pro Juventute:
Telefonberatung: 058 618 80 80 - Der Weiße Ring:
Telefonberatung: 0800 112 112
Zusammenfassung
- Für die Österreichischen Kinderschutzzentren sind verschärfte Strafen für Delikte an Kindern nicht automatisch schon verbesserter Kinderschutz.
- "Die Bedürfnisse von betroffenen Kindern und Jugendlichen und Maßnahmen, die zur Verhinderung der Gewalt bzw. zur Unterstützung notwendig sind, geraten dabei schnell aus dem Blick", mahnten die Fachleute am Freitag.
- Nur ein Prozent der Fälle würden Ermittlungsbehörden oder Jugendamt bekannt.