Emissionshandel: Der Etikettenschwindel beim CO2-Reduzieren
Im Pariser Klimaabkommen einigte sich die Welt darauf, die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad Celsius gegenüber der Zeit vor der industriellen Revolution zu begrenzen. Um das zu erreichen, braucht es laut Wissenschaft drastische Maßnahmen - vor allem was den Ausstoß von CO2 betrifft.
Moderner Ablasshandel?
Firmen wie Disney, Netflix und viele andere auch brüsten sich damit, "klimaneutral" zu sein. Diese Unternehmen senken ihre Netto-Emissionen, weil sie Geld für Kompensation ausgeben. Die Zahlung für die Emissionen alleine senkt den CO2-Ausstoß natürlich nicht. Das Geld muss in Projekte investiert werden, durch die das zuviel ausgestoßene Kohlendioxid auch gebunden wird - etwa durch Aufforstung von Wäldern oder Investitionen in Umstellung auf nicht-fossile Energieträger.
Aber nicht nur Unternehmen kompensieren, sondern auch Privatpersonen. Wer einen Flug bucht, findet zum Beispiel ein kleines grünes Icon, neben dem "CO2 kompensieren" steht. Dass Flugreisen schlecht für das Klima sind, ist bekannt. Mit der CO2-Kompensationszahlung will man das eigene Gewissen erleichtern und der Welt etwas Gutes tun.
Wie eine jüngste Medien-Recherche zeigen, werden die Gelder nicht immer in entsprechende Kompensationsprojekte investiert. Es wird also eigentlich gar kein CO2 eingespart. Die US-Firma "Verified Carbon Standard", deren Standard auch international verwendet wird, hat nicht in der Qualität CO2 Kompensiert, wie sie es verkaufte.
Auch wenn das Geld tatsächlich in Ausstoß-Kompensation fließt, muss das nicht immer wirksam sein. Es kommt auf die Qualität der Kompensation an, sagt Joachim Thaler. Er ist Mitarbeiter am Zentrum für globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien.
Wann bringt die Kompensation etwas?
"Das zentrale Qualitätskriterium bei allen Kompensationsprojekten ist die sogenannte Zusätzlichkeit", so Thaler. Emissionseinsparung oder Bindung passiert dann nur dadurch, dass Geld gezahlt wurde und damit Dinge finanziert werden, die sonst nicht stattfinden würden. Verglichen wird das mit einem sogenannten "Business-as-Ususal"-Szenario, das heißt, ohne das Projekt würde das Kohlendioxid nicht eingespart werden.
Das Reduzieren des eigenen CO2-Ausstoßes sollte immer erste Priorität haben. Kompensationszahlungen seien eine Notlösung.
Irgendwann wird man an die Grenzen stoßen. Nämlich wenn die Emissionen insgesamt so hoch sind, dass es praktisch unmöglich ist, eine so starke Reduktion zu erreichen, wie sie laut Pariser Klimaschutzabkommen notwendig ist, ohne die Emissionen bei uns im globalen Norden auch zu reduzieren.
Soll ich bei einer Flugreise die Kompensation dazu buchen?
Es sollte genau gelesen werden, was durch eine Kompensation finanziert wird: Seriöse Preise für freiwillige CO2-Kompensation wären um die 20 bis 30 Euro pro Tonne CO2, so Thaler. Wenn dieselbe Menge um zwei Euro angeboten wird, dann sollte man sich die Frage stellen welche Art von Projekt hier unterstützt wird. Helfen können sich Konsument:innen auch mit Gütesiegeln - zum Beispiel dem "Gold Standard". Konsument:innen können diese Standards vergleichen, um sich ein Bild von der Qualität der Kompensation zu machen.
Auch wenn man bei der Buchung von Flugreisen eine CO2-Kompensation dazu buchen kann, sollte konkret angeführt sein, welche Projekte man damit unterstützen würde. Aber nicht alle Anbieter sind so transparent.
Will man kompensieren, kann man auch privat, abseits des von der Fluggesellschaft vorgeschlagenen Kompensation-Anbieters, tun. Auch beim Buchen von Zugreisen wird einem das eingesparte CO2 angezeigt. Hier würde aber "nur" mit einem Referenz-Szenario verglichen, das sei meist eine Autofahrt.
"Generell ist das sehr kritisch zu sehen, wenn Unternehmen die Verantwortung dann an ihre Kunden und Kundinnen abwälzen."
Was ist ein "gutes" Projekt?
Im besten Fall helfen die Projekte, mit denen kompensiert wird, der gesamten Gesellschaft. Als das Konzept der CO2-Kompensation entwickelt wurde, konnte auch mit Projekten wie "Mega-Staudämmen" kompensiert werden, sagt Thaler. "Und die haben auf Menschen und Umwelt verheerende Auswirkungen."
Auch Projekte, bei denen Privatpersonen Geld von Organisationen für das Erhalten ihres Waldes bekommen, sieht der Boku-Mitarbeiter kritisch. Die große Gefahr sei, dass bei dieser Art von Schutzprojekten der Wald ohnehin stehenbleiben würde, auch wenn der Waldbesitzer kein Geld bekäme. Dann ist das Zertifikat eine Mogelpackung: Es wird keine zusätzliche Leistung erbracht und auch kein zusätzliches CO2 eingespart.
Warum reden wir überhaupt von CO2?
Kohlendioxid wird von Menschen freigesetzt, vermehrt seit der industriellen Revolution. Beim Verbrauch fossiler Brennstoffe wird CO2 frei gesetzt und das Abholzen von Wäldern vermindert, wie viel Kohlendioxid von Pflanzen aus der Luft genommen werden kann.
Der Anstieg des Gases in der Erd-Atmosphäre kann gemessen werden und ist ein Beleg dafür, dass der Mensch die Klimakrise und den Temperaturanstieg auf der Erde verursacht. CO2 ist sozusagen eine Stellschraube über die die Menschheit die Erderwärmung beschleunigen oder verlangsamen kann.
Auch wenn die EU keiner der größten Verursacher der Emissionen ist, macht die Erderwärmung nicht vor Ländergrenzen Halt. Insgesamt müssen die Emissionen weniger werden, um die Worst-Case-Szenarios der Klimakrise zu verhindern.
Unterschiedliche Emissions-Zertifikate
Kompensation ist nicht gleich Kompensation. In der europäischen Union gibt es drei Arten des "Handels" mit Emissionen:
- Der "European Emission Trade", also ein Handel mit Verschmutzungsrechten. Ein Zertifikat steht für das Recht eine Tonne CO2 produzieren zu dürfen. Dieses System wird auf EU-Ebene festgelegt und betrifft groß-industrielle Betriebe im Energie- oder Grundchemikaliensektor, die daran teilnehmen müssen. Unternehmen kaufen sich Verschmutzungsrechte, sogenannte Allowances.
- die freiwillige CO2-Kompensation, hier steht ein Zertifikat dafür, dass eine Tonne CO2 gebunden oder vermieden wurde. Privatpersonen oder Firmen zahlen Geld an Firmen, die im Gegenzug ein Projekt starten, bei dem zusätzlich CO2-eingespart wird. So zum Beispiel die Projekte der Boku, bei denen Alternativen für den Bedarf des Abholzen eines Waldes gefunden werden. Einen Wald zu pflanzen ersetzt nicht dieselbe Menge an CO2, wie das Abholzen eines bestehenden Waldes.
Zusammenfassung
- Nicht immer, wenn CO2-Kompensation verkauft wird, wird auch wirklich CO2-reduziert.
- Eine falsche Reduktion gibt es nicht, aber es gibt Produkte, die nicht halten, was sie versprechen.
- Die wichtigsten Fragen und Antworten.