Ende für russisches Gas 2024: Wären wir vorbereitet?
Der ukrainische Vize-Energieminister habe ihm mitgeteilt, dass die Ukraine den Gastransit-Vertrag mit Russland nicht über 2024 hinaus verlängern werde, sagte Gerhard Roiss am Mittwochabend überraschend in der "ZiB2". Dass der Vertrag ausläuft, war bekannt, dass man in der Ukraine wenig Interesse daran hat, mit Russland darüber zu verhandeln, ist erwartbar. Aber ist Österreich vorbereitet?
Wie Carola Millgramm, Leiterin der Abteilung Gas bei der Energie-Regulierungsbehörde E-Control, im Gespräch mit PULS 24 mitteilte, würde sie die Aussagen von Gerhard Roiss noch mit Vorsicht genießen. Offiziell sei ihr keine Stellungnahme aus der Ukraine bekannt.
Und generell beruhigte sie: Österreich sei aus ihrer Sicht vorbereitet. Pipeline-Kapazitäten durch die Ukraine könnten auch kurzfristig gebucht werden, erklärte die Expertin. Und außerdem gebe es auch andere Routen, über die andere Länder liefern könnten - über Deutschland etwa oder über Italien. Für Erdgas aus Russland ist der Weg über die Ukraine aber der einzige nach Österreich.
Alle zeigen auf die OMV
Wie auch das Energieministerium von Leonore Gewessler (Grüne) und das Wirtschaftsministerium von Martin Kocher (ÖVP) verweist auch Millgramm auf die große Verantwortlichkeit der OMV. In deren unternehmerische Verantwortung würden die Gaslieferverträge fallen, aber natürlich stehe die Regierung unterstützend bereit, damit die Versorgung gesichert ist, so etwa Kocher.
Auf PULS 24 Nachfrage übermittelte das Ministerium von Gewessler eine Stellungnahme: Die Ministerin zeigt sich besorgt. Gaslieferungen aus Russland seien "unsicher" und Österreich "weiterhin stark von russischen Gaslieferungen abhängig". Das liege vor allem an langen Lieferverträgen der OMV, so das Ministerium.
2022 6,8 Milliarden Euro für russisches Gas
Bei der Hauptversammlung des teilstaatlichen Öl- und Gaskonzerns OMV am Mittwoch waren diese Verträge auch großes Thema, wie das "Profil" berichtete. Um die Frage, wie hoch das aus den umstrittenen Lieferverträgen mit der russischen Gazprom bezogene Gesamtvolumen von Erdgas im Jahr 2022 - dem Jahr des russischen Angriffs auf die Ukraine - war, drückte man sich laut dem Magazin lange herum.
Erst durch hartnäckige Aktionäre musste die OMV-Spitze mit einer Zahl herausrücken: Um 6,8 Milliarden Euro kaufte man Gas vom russischen Konzern Gazprom. Gas für rund 5,2 Milliarden Euro soll davon nach Österreich gegangen sein.
OMV "ohne die Russengas-Verträge"
Das Energieministerium verwies gegenüber PULS 24 angesichts der Aussagen von Gerhard Roiss auf bereits Ende April präsentierte Maßnahmen gegen die Unsicherheiten bei russischem Gas - die übrigens mit Roiss und auch mit dem ehemaligen E-Control-Leiter Walter Boltz ausgearbeitet wurden.
Vorgesehen sind unter anderem strengere Speicherverpflichtungen für die Versorger, die Sicherung der entsprechenden Transportkapazitäten für nicht-russisches Erdgas und eine temporäre staatliche Übernahme der Gasversorgungstocher der OMV "ohne die Russengas-Verträge". "Es wird Zeit, dass die Blockaden aufhören und Maßnahmen beschlossen werden. Denn Nichts-Tun ist eine Gefahr für unser Land", wird Gewessler in dem übermittelten Statement zitiert.
Die OMV wollte die Aussagen ihre Ex-Chefs auf PULS 24 Anfrage nicht kommentieren - im Übrigen beantwortete auch das Energieministerium nicht, ob man seine Informationen aus der Ukraine bestätigen könne. Die OMV spielt ihre Verantwortung aber runter: Die OMV habe nur einen Anteil von 30 Prozent am österreichischen Gasmarkt und könne die Gasversorgung Österreichs nicht alleine sichern.
OMV: Können auch ohne russisches Gas liefern
Die Lieferungen aus Russland würde man an der slowakisch-österreichischen Grenze Baumgarten übernehmen - die Vertragsbeziehungen zwischen dem ukrainischen Pipelinebetreiber und Gazprom Export könne man "nicht beurteilen". Der Konzern betonte auf PULS 24 Nachfrage aber, dass man sich "sehr wohl" auf Szenarien einer Unterbrechung der russischen Gaslieferungen vorbereitet habe und diese "Bemühungen" fortführen wolle.
Die OMV habe ein "diversifiziertes Portfolio", das aus Erdgas aus eigener Produktion sowie aus Erdgas von Dritten bestehe. Außerdem habe die OMV auch LNG-Regasifizierungs-Kapazitäten am GATE Terminal Rotterdam kontrahiert und beteilige sich an der EU Joint Purchasing Platform. Daher sei "OMV auch ohne russisches Gas in der Lage, ihre Kund:innen zu beliefern", heißt es.
Dass das und die Bemühungen der Energieministerin ausreichen werden, um bis 2024 von Russland unabhängig zu sein, bezweifelt SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll. NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger bezeichnete es in einer Aussendung als "unerträglich und eine Schande für unser Land", dass im März 2023 immer noch 74 Prozent der Gaslieferungen aus Russland gekommen seien. Andererseits findet Meinl-Reisinger das mögliche Ausbleiben von russischem Gas ab Ende 2024 "extrem beunruhigend für die heimische Wirtschaft".
Speicher zu 75 Prozent gefüllt
Auf die Frage, ob man vorhabe, mit der Ukraine darüber zu sprechen oder zu verhandeln, den Gastransit-Vertrag mit Russland eventuell doch zu verlängern, verwies das Außenministerium an das Energieministerium, wo man diese Frage bisher nicht beantwortete.
Derzeit seien die Speicher aber zu 75 Prozent gefüllt, so das Energieministerium. Die Lieferungen würden ohne Einschränkungen erfolgen - was sich aber schnell ändern könnte.
Zusammenfassung
- Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss ließ am Mittwochabend aufhorchen. Die Ukraine wolle den Gastransit-Vertrag mit Russland nicht über 2024 hinaus verlängern.
- Doch was heißt das? Ist Österreich vorbereitet?
- Bei der E-Control ist man deswegen nicht sehr beunruhigt und verweist darauf, dass Pipeline-Kapazitäten durch die Ukraine auch kurzfristig gebucht werden könnten.
- Im Energieministerium von Leonore Gewessler (Grüne) betont man neuerlich, wie unsicher die Gaslieferungen aus Russland seien.
- Vorgesehen sind unter anderem strengere Speicherverpflichtungen für die Versorger, die Sicherung der entsprechenden Transportkapazitäten für nicht-russisches Erdgas und eine temporäre staatliche Übernahme der Gasversorgungstochter der OMV.
- Die OMV habe sich auch Pipelinekapazitäten zum Transport alternativer Gaslieferungen nach Österreich gesichert und sei auch ohne russisches Gas in der Lage ihre Kunden zu beliefern.