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Mitterer über Felder, den klugen Vorarlberger Rebellen

"Aus meinem Leben" lautet der Titel der Autobiografie von Franz Michael Felder (1839-1869), die erstmals 1904 erschienen ist. Folgerichtig nennt der Tiroler Autor Felix Mitterer sein daran orientiertes Stück über den Dichter, Sozialreformer und Bauern aus dem Bregenzerwald "Aus seinem Leben". Bei der Uraufführung Samstagabend am Vorarlberger Landestheater erwies es sich primär als eingängiges Bild zum Leben und Wirken Felders.

Dieses von Kompaktheit gekennzeichnete Theaterstück, das Lebensstationen Felders, sein Trachten nach Mündigkeit der Menschen und den sich daraus ergebenden Konflikt mit dem Klerus und den Besitzenden ineinander verzahnt, hat eine zu erwähnende Entstehungsgeschichte. Auftraggeber ist der 1969 zur Herausgabe von Felders Werken gegründete Franz Michael Felder Verein, in dessen Veranstaltungen auch die Beschäftigung von Felix Mitterer mit den Schriften von Felder dokumentiert ist. Im Gespräch mit der APA wertete Intendantin Stephanie Gräve die Initiative sowie die Übergabe des Textes an das Vorarlberger Landestheater als "schönes Geschenk". Sie schätzt Mitterers Arbeit sehr, betonte sie. Wenn der Text des Autors nun in einer Fassung des Regisseurs Stefan Otteni und der Dramaturgin Juliane Schotte zur Uraufführung gekommen ist, so bedeute dies vor allem, dass die damalige politische Debatte mit weiteren Original- bzw. Felder-Texten ergänzt wurde.

Das Vorarlberger Landestheater widmete sich erst vor gut drei Jahren Franz Michael Felder. Maximilian Lang, jener Bregenzer Autor, der auch Textbeiträge zu Ausstellungen zu Felder in Bregenz, Dornbirn und Egg verfasste, erhielt einen Stückauftrag. In Langs Drama "Sprich nur ein Wort" tritt Felder nicht mehr auf, sein Wirken wird über den politischen Mitkämpfer, den Juristen Kaspar Moosbrugger, den erbitterten Gegner Pfarrer Rüscher und über weitere Figuren fassbar. Ging es Lang in seiner psychologischen Feinarbeit bereits auch um manch fragwürdige und empörende Vereinnahmung Felders durch die Nachwelt oder um die spätere Vertuschung seiner liberalen Gedanken, so fokussiert Mitterer anhand Felders Autobiografie auf den sich gegen Unterdrückungsmechanismen auflehnenden Menschen. Der renommierte Autor der "Piefke-Saga" und oftmalige literarische Fürsprecher von Außenseitern hat in Felder seinen Protagonisten gefunden. "Man will keine aufgeklärten Sonderlinge, man will nützliche Menschen, die man ins Joch spannen kann", lässt er ihn sagen. Wie sich Aufbegehren im dörflichen Umfeld trotz der Angriffe von klerikal-konservativer Seite sowie aus den eigenen Reihen zu einer klugen Rebellion entwickelt, wird in fast drei Stunden nacherzählt.

Spannungsreich wirkt das auch bei Kenntnis über die Gründung der "Vorarlbergischen Partei der Gleichberechtigung" oder des Käsehandlungsvereins gegen die Willkür der Großhändler. Mit aufklappbaren Bühnenteilen versteht Ausstatter Matthias Strahm Enge und Weite zu symbolisieren sowie ein Blättern in Schriften, in das Regisseur Stefan Otteni den Wechsel zwischen Erzähl- und Spielszenen gut verankern kann. Dass es Luzian Hirzel gelingt, als Felder keinerlei Heroisierung zuzulassen, wie Isabella Campestrini als seine Frau Nanni sowie Nanette Waidmann als Mutter und Wirtin ihre hellwachen Gedanken einbringen, wie Nurettin Kalfa den Erkenntnisgewinn des armen Seppel offenbart, die ruhige Art Roman Muchas als Moosbrugger und dass Thomas Schweiberer die Gegenposition von Pfarrer Rüscher nicht polternd, sondern in ihrer Perfidität zeigt, ergibt ein bühnentaugliches, interessierendes Gesamtbild. Kühe philosophieren oder die Sozialisten Proudhon und Lasalle zitieren zu lassen, wirkt derb, lässt sich zur vielschichtigen Klangkulisse des Musikers Oliver Rath aber auch als witziger Einfall erfassen. Der Auftritt der Mitglieder des Bizauer Theatervereins sowie weiterer Amateure als Schoppernauer Bauern ist berührend und erfrischend. Otteni lässt hier jedoch auch sehr viele Klischees zu. Und der positive Schluss mit dem Ruf "Wir sind frei" in heutiger Gewandung vernebelt, dass erzkonservative Kräfte in Vorarlberg noch sehr lange wirksam waren.

Mitterers "Aus seinem Leben" vermag die Auseinandersetzung mit Franz Michael Felders "Aus meinem Leben" sowie mit weiteren seiner Werke sicher zu fördern. In Abwesenheit des terminlich verhinderten Autors wurde es am Vorarlberger Landestheater am Samstag mit sehr viel Applaus aufgenommen. Die Produktion öffnet den Zugang zu Felder und berührt. Zu erörtern, inwieweit das für ein Theaterstück reicht, ist hier nicht zweckdienlich.

(Von Christa Dietrich/APA)

(S E R V I C E - "Aus seinem Leben" von Felix Mitterer in einer Fassung von Stefan Otteni und Juliane Schotte. Inszenierung: Stefan Otteni, Ausstattung: Matthias Strahm, Musik: Oliver Rath. Mit Luzian Hirzel, Isabella Campestrini, Nanette Waidmann, Roman Mucha, Nurettin Kalfa, Thomas Schweiberer, Johanna Metzler, Hanno Dreher, Walter Gmeiner, Jürgen Metzler, Herta Meusburger, Manuela Greber Paula Czizegg, Sigi Stadler und Waltraud Drexler. Weitere Aufführungen am 24. September, 11., 13. und 14. Oktober sowie am 7. und 9. November am Vorarlberger Landestheater in Bregenz. www.landestheater.org)

ribbon Zusammenfassung
  • Das Theaterstück 'Aus seinem Leben' von Felix Mitterer basiert auf der Autobiografie von Franz Michael Felder, einem Dichter, Sozialreformer und Bauern aus dem Bregenzerwald.
  • Die Uraufführung fand am Samstagabend am Vorarlberger Landestheater statt und wurde vom Franz Michael Felder Verein in Auftrag gegeben.
  • Das Stück zeigt Felders Konflikte mit dem Klerus und den Besitzenden sowie seine Gründung der 'Vorarlbergischen Partei der Gleichberechtigung'.
  • Luzian Hirzel spielt Felder und vermeidet eine Heroisierung des Charakters, während das Bühnenbild von Matthias Strahm Enge und Weite symbolisiert.
  • Weitere Aufführungen finden am 24. September, 11., 13. und 14. Oktober sowie am 7. und 9. November am Vorarlberger Landestheater statt.