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Nachruf

Franziskus, der etwas andere Papst

Heute, 08:31 · Lesedauer 5 min

Mit dem System Vatikan fremdelt Papst Franziskus bis zuletzt. Ein schlichtes Holz-Kruzifix hing zeitweise im Petersdom zwischen Bronzefiguren und Marmorstatuen früherer Päpste, die sich selbst überlebensgroße Denkmäler gesetzt hatten. Papst Franziskus war anders als seine Vorgänger.

Jorge Mario Bergoglio, besser bekannt als Papst Franziskus, war anders. Anders als seine Vorgänger. Er war der erste lateinamerikanische Papst in der Kirchengeschichte. Er war der erste Pontifex, der den Namen Franziskus gewählt hat. Er war der erste Jesuit auf dem heiligen Stuhl in Rom. Und er war der erste Papst, der einen zurückgetretenen Vorgänger hatte.

Nun starb Papst Franziskus im Alter von 88 Jahren. Er war der zweitälteste Papst in der Geschichte. 

Kind italienischer Einwanderer

Geboren wurde Franziskus am 17. Dezember 1936 als eines von fünf Kindern italienischer Einwanderer in Buenos Aires. Aus diesem Grund hatte er neben der argentinischen auch die italienische Staatsangehörigkeit. Nach dem Diplom als Chemie-Ingenieur entschied sich Bergoglio mit 21 Jahren für den Priesterberuf und trat in den Jesuitenorden ein.

Er studierte Philosophie und Theologie und lehrte währenddessen Literatur und Psychologie. Nach seiner Priesterweihe im Dezember 1969 brachte er es schnell zum Jesuiten-Provinzial Argentiniens.

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Argentinische Militärdiktaktur

In diese Amtszeit fiel die Zeit der argentinischen Militärdiktatur (1976-83). Im Foltergefängnis inhaftierte Ordensbrüder warfen Bergoglio Schwäche im Umgang mit dem Regime vor. Er habe sich nicht ausreichend schützend vor sie gestellt. 2010, damals Erzbischof von Buenos Aires, erwiderte er, er habe sich während der Diktatur für bedrohte Seminaristen und Priester eingesetzt.

Von 1980 bis 1986 war Bergoglio Rektor der Theologischen Hochschule von San Miguel. Seit 1992 Weihbischof in Buenos Aires, ernannte ihn Johannes Paul II. im Sommer 1997 zum Erzbischof-Koadjutor und im Februar 1998 zum Erzbischof der Hauptstadt-Diözese. 2001 trat Bergoglio dem Kardinalskollegium bei. Von November 2005 bis Anfang November 2011 war er Vorsitzender der Argentinischen Bischofskonferenz.

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Bescheidenheit

Bergoglio selbst lebte in seinen Jahren als Priester und Bischof Bescheidenheit vor und bewohnte statt seiner Bischofsresidenz ein schlichtes Appartement. Er ging selbst im Supermarkt einkaufen und liebte lange Spaziergänge durch seine Heimatstadt. Statt mit dem Dienstagwagen fuhr er mit dem Bus. Darüber hinaus hatte er den Ruf, Liebhaber der Oper, der griechischen Klassiker, von Shakespeare und Dostojewski zu sein.

Bereits 2005 wäre Bergoglio fast zum Nachfolger Petri gewählt worden. Er konnte damals beim Konklave bis zu 40 der 115 Stimmen auf sich vereinen. Erst sein Rückzug zugunsten des erstgereihten Kardinals Joseph Ratzinger machte dessen Wahl mit großer Mehrheit möglich.

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Papstwahl sorgte für Überraschung

Bergoglios Wahl zum Pontifex im März 2013 sorgte weltweit für Überraschung. Niemand hatte mit einem Papst "vom anderen Ende der Welt" gerechnet, wie sich der Argentinier bei seinem ersten Auftritt auf dem Petersplatz selbst bezeichnete.

Mit Herzlichkeit, einem strahlenden Lächeln und humorvoller Bescheidenheit hatte Papst Franziskus in seinen Jahren als Pontifikat laut Beobachtern nicht nur die Herzen von Millionen Gläubigen erobert, sondern auch strenge Vatikan-Kritiker besänftigt. Er weckte Erinnerungen an den ähnlich bescheidenen und beliebten Papst Johannes XXIII. Damit revolutionierte er den Stil des Vatikans nachhaltig.

Enttäuscht und angetan

Das zeigte sich auch während der Pandemie-Lockdowns. Er holte er ein altes, schlichtes Holz-Kruzifix aus einer römischen Innenstadtkirche in den Petersdom. Über Monate, wenn er dort am Kathedra-Altar Messe feierte, hing der lebensgroße Gekreuzigte klein und zerbrechlich zwischen Bronzefiguren und Marmorstatuen früherer Päpste, die sich selbst überlebensgroße Denkmäler gesetzt hatten.

So manche Kurienangehörige wie auch einfache Katholiken trauerten dem alten Glanz und Gloria der katholischen Weltzentrale hinterher. Insbesondere italienische Beobachter mit Gespür für Zeremonien, Gesten und Symbole waren mitunter enttäuscht vom Pfarrer auf dem Stuhl Petri - und manchmal gleichzeitig angetan von seiner Herzlichkeit.

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Gesundheitliche Probleme

Besonders in den letzten Jahren machten dem Papst gesundheitliche Probleme zu schaffen. Seit Juli 2021 besuchte er öfter das Krankenhaus.

Wegen seiner schweren Knieprobleme muss er zudem oft im Rollstuhl zu Terminen erscheinen. Einige Monaten zuvor hatte er in einem Interview berichtet, dass die sklerosierende Divertikulitis - Schmerzen verursachende Ausstülpungen im Dünn- oder Dickdarm - sich erneut bemerkbar mache. Die Beeinträchtigung seines Knies bezeichnete er als "körperliche Demütigung". Er habe sich "geschämt", im Rollstuhl zu den Audienzen erscheinen zu müssen.

Seit 2023 kämpft er gehäuft mit Problemen bei den Atemwegen. 2023 musste er wegen einer Lungenentzündung ins Spital. Im Winter 2024 musste er wegen einer Entzündung der Bronchien mehrere Reden und Termine absagen. 

Erschwerend kommt dazu, dass ihm schon in jungen Jahren wegen einer großen Zyste der obere Teil des rechten Lungenflügels entfernt wurde. Um zu verhindern, dass sich Infektionen in den Atemwegen ausbreiten, wird er im Winter mit Cortison behandelt. 

Im Februar 2025 musst er erneut wegen einer schweren, beidseitigen Lungenentzündung ins Spital. Die Infektion breitete sich aus und zog ein "leichtes Nierenversagen" nach sich.

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Er erholte sich soweit, dass er knapp einen Monat vor seinem Tod aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Am Ostersonntag sprach er vor 35.000 Menschen auf dem Petersplatz in Rom ein letztes Mal den Segen "Urbi et Orbi". Er zeigte sich dabei ohne Nasenkanülen im Rollstuhl auf der Loggia des Petersdoms und segnete die Pilger. 

Grab in der Marienbasilika

Werden die Päpste üblicherweise seit Jahrhunderten in der  vatikanische Petersbasilika beigesetzt werden, suchte sich Franziskus zu Lebzeiten einen anderen Ort aus: die Basilika Santa Maria Maggiore. Franziskus begründete seinen Bestattungswunsch mit seiner "großen Verehrung" für die römische Marienbasilika.

Zusammenfassung
  • Mit dem System Vatikan fremdelt Papst Franziskus bis zuletzt.
  • Ein schlichtes Holz-Kruzifix hing zeitweise im Petersdom zwischen Bronzefiguren und Marmorstatuen früherer Päpste, die sich selbst überlebensgroße Denkmäler gesetzt hatten.
  • Papst Franziskus war anders als seine Vorgänger.