APA/APA/Festspiele Reichenau/Lalo Jodlbauer

Ein "böser Geist" läutete die Festspiele Reichenau ein

Mit Johann Nestroys Zauberpossen-Klassiker "Der böse Geist Lumpazivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt", mit der prallen Pratze des routinierten Altmeisters inszeniert von Robert Meyer, haben die Festspiele Reichenau einen exzellenten Saisonstart hingelegt. Der vorliegende Bericht bezieht sich auf die Generalprobe von Mittwochabend, Premiere war am Donnerstagabend.

Robert Meyer nach Reichenau zurückzuholen war wohl der bisher größte Coup der Reichenauer Intendantin Maria Happel. Und nach dem erfolgreichen "Jux" im Vorjahr gelingt Meyer auch diesmal ein Meisterstück: als Knieriem eine Hauptrolle zu übernehmen und zugleich Regie zu führen, ohne sich selbst dabei in die Quere zu kommen. Im Gegenteil: So ein schelmisch-weiser, treuherzig dreinblickender und dann wieder aufbrausender Schustergesell weiß genau, wie er sein Publikum packt und erobert. Und er zieht alle Register.

Das beginnt mit Blitz und Donner in der Eröffnungsszene und setzt sich in einem üppigen Ideenreichtum fort, der aus allen Nähten zu platzen scheint. So wie auch die fabelhaften Mitbrüder Leim (Thomas Frank) und Zwirn (Florian Carove) förmlich aus dem Leim gehen im schweißtreibend rasanten Geschehen. Wohltuend auch, dass hier keine übergestülpten zeitgeistigen Themen verhandelt werden, sondern auf Nestroys Text und die Spielfreude der mitwirkenden Bühnenpersönlichkeiten vertraut wird: eine Rechnung, die voll aufgeht.

Im Kometenlied allerdings erlaubt sich Meyer denn doch erwartungsgemäß eine kleine aktuelle Anspielung (auf die Causa Benko). Und den Lumpazi interpretiert er faustisch als Mephisto. Sebastian Wendelin verleiht ihm entsprechend diabolische Züge, verfügt über beachtliche pantomimische Qualitäten und wechselt auch hin und wieder das Idiom von Kärntnerisch bis Oberösterreichisch ("goi!").

Wie überhaupt die Verortung der Handlung auch sprachlich differiert, bisweilen in bajuwarischem Stil, dann wieder wienerisch, ganz nach Nestroys Angabe "Die Handlung spielt theils in Ulm, theils in Prag und theils in Wien". Wenn es nach Prag geht, erklingt im Zwischenspiel Smetanas "Moldau", auch sonst wird viel und gern ironisch zitiert, von Carl Orffs "O Fortuna" über das Gondellied aus "Hoffmanns Erzählungen" bis zu Papageno. Nicht fehlen dürfen natürlich "Eduard und Kunigunde". Man spürt: Meyer war lange im Musiktheater zu Hause - und ist es wohl immer noch. Für den instrumentalen Part sorgt ein Trio um Helmut Thomas Stippich.

Erfreuen kann man sich auch an vielen weiteren wunderbaren Details: Wenn etwa die Dienerschaft in gebückter Haltung wie Karl-Valentin-Figuren vorüberhuscht, wenn Brigitte Kren als resolute Fortuna in die olympische Kollegenschaft dreinfährt oder Veronika Glatzner und Elisabeth Schwarz einander als rivalisierende Schwestern ins Gehege kommen. Bühnenbild und Kostüme (Christof Cremer) bieten optische Opulenz. Ausgewalzt wird aber nichts: Nach zwei köstlichen Stunden (inklusive Pause) ist Schluss.

(Von Ewald Baringer/APA)

(S E R V I C E - Festspiele Reichenau: Johann Nestroy, "Der böse Geist Lumpazivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt". Regie: Robert Meyer. U.a. mit Thomas Frank, Florian Carove, Robert Meyer, Sebastian Wendelin, Franz Xaver Zach, Brigitte Kren, Elisabeth Schwarz, Veronika Glatzner. Weitere Aufführungen bis 4. August. Tickets und Information: www.festspiele-reichenau.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Robert Meyer inszenierte Johann Nestroys 'Der böse Geist Lumpazivagabundus' bei den Festspielen Reichenau. Die Generalprobe fand am Mittwochabend statt, die Premiere am Donnerstagabend.
  • Maria Happel, die Intendantin der Festspiele, holte Robert Meyer zurück nach Reichenau. Meyer spielt die Hauptrolle des Knieriem und führt gleichzeitig Regie.
  • Die Inszenierung zeichnet sich durch einen üppigen Ideenreichtum und Spielfreude aus. Musikalische Einlagen und ironische Zitate sind in die Aufführung integriert. Die Aufführung dauert zwei Stunden inklusive Pause.