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Anschlagspläne und das Dilemma der Behörden: "Wollen nicht alle Daten lesen"

Der Staatsschutz bekam im Vorfeld der Wiener Regenbogenparade Warnungen aus dem Ausland und darf sie nicht weitergeben. So fehlen den Ermittlern wichtige Beweise. Warum ist das so und wie kann das Dilemma gelöst werden?

Drei mutmaßliche Islamisten werden verdächtigt, einen Anschlag auf die Wiener Regenbogenparade geplant zu haben, aber alle sind derzeit auf freiem Fuß

Zwar sind die Verdächtigen jung - 14, 17 und 20 Jahre alt -, bekamen Auflagen wie Bewährungshilfe und Deradikalisierung, aber auch die Beweise, die die Behörden gegen sie in der Hand haben, dürften dünn sein. Das alles führte zu ihrer Entlassung aus der U-Haft. Für die Behörden ein Dilemma.

Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) wurde im März von einem ausländischen Nachrichtendienst gewarnt. Und die Staatsanwaltschaft dürfte derzeit nicht viel mehr in der Hand haben als die Zusammenfassung dieser Warnung.

Die Anwälte der jüngeren Verdächtigen streiten alle Vorwürfe ab und kritisierten die Führung des Ermittlungsverfahrens durch den Verfassungsschutz. Im Akt würden sich keine Belege für die Vorwürfe finden. 

Ohne Zustimmung keine Weitergabe

Dabei darf der Verfassungsschutz die Hinweise der ausländischen Geheimdienste gar nicht weitergeben: "Nach den Bestimmungen des Polizeikooperationsgesetzes dürfen wir sensible Informationen von ausländischen Nachrichtendiensten ohne deren Zustimmung nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeben. Gleichzeitig sind wir als Sicherheitsbehörde gemäß den Bestimmungen der Strafprozessordnung verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln und der Staatsanwaltschaft über einen Anfangsverdacht gegen eine Person zu berichten". 

Quellenschutz wird sehr ernstgenommen, weil es im schlimmsten Fall um Menschenleben geht.

Thomas Riegler

Geheimdienst-Experte Thomas Riegler erklärt gegenüber PULS 24, dass das "eigentlich Standard unter Geheim- und Nachrichtendiensten" sei. Schließlich wolle man eigene Quellen und Methoden nicht gefährden.

"Quellenschutz wird sehr ernst genommen, weil es im schlimmsten Fall um Menschenleben geht. Außerdem will man nicht, dass bekannt werden könnte, mit welchen Methoden man sonst Informationen gewinnt. Solche Betriebsgeheimnisse könnten im Laufe eines Gerichtsverfahrens nach außen dringen", so Riegler.

Sollten die Verdächtigen - sie bestreiten das - tatsächlich einen Anschlag auf die Pride geplant haben, so wurde dieser zumindest verhindert. Die Ermittler beschlagnahmten bei den Festnahmen Handys und Computer. Finden sie darauf keine stichhaltigen Beweise, könnten etwaige Verurteilungen aber wackeln. 

Die digitale Kommunikation schon im Vorhinein mitzulesen, ist dem heimischen Staatsschutz bei verschlüsselten Nachrichten nicht möglich. DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner fordert daher schon lange bessere Zugriffsmöglichkeiten auf Inhalte von Messengerdiensten und wiederholte diese Forderung auch sofort bei der Pressekonferenz zum mutmaßlich verhinderten Anschlag auf die Pride. 

Nicht nur bei Terror ein Problem

Unterstützung bekommt er dabei von der Staatsanwaltschaftsvereinigung (StAV). Präsidentin Cornelia Koller bestätigt im Gespräch mit PULS 24: "Wir können Warnungen aus dem Ausland nur zum Teil prüfen, dürfen aber erst bei einem Anfangsverdacht einschreiten. Wir brauchen Beweise, dafür sind die Warnungen aus dem Ausland oft zu wenig".

Ein Problem, das nicht nur bei mutmaßlichen Terror-Anschlägen, sondern auch bei Missbrauchsdarstellungen von Kindern, Auftragsmorden oder Drogenhandel vorkomme. 

Wir können Warnungen aus dem Ausland nur zum Teil prüfen

Cornelia Koller

Die StaV fordert daher eine "offene und ehrliche Diskussion über einen Kompromiss zwischen Datenschutz und notwendigen Ermittlungsmaßnahmen in Ausnahmefällen, um dieses Dilemma aufzulösen". Techniker, Politik und Behörden sollten sich zusammensetzen und Möglichkeiten diskutieren, so Koller. Konkrete Vorschläge hat sie aber noch nicht. Nur so viel: "Wir wollen nicht alle möglichen Daten lesen". Es brauche eine "konkrete Verdachtslage" und einen "engen Rechtsschutz". In anderen Ländern sei das auch möglich. Österreich sei "so weit hinten". 

"Politisch aufgeheizt"

Dass es in nächster Zeit Reformen geben könnte, bezweifelt Koller aber. Die Debatte sei "politisch aufgeheizt". So erteilten etwa die Grünen dem schwarzen Innenminister sofort eine Absage, auch Datenschützer waren alarmiert. Daniel Lohninger, Datenschutzexperte von epicenter.works, zeigte sich gegenüber PULS 24 "entsetzt" über die Forderungen der DSN. Es sei technisch eben nicht möglich, nur bestimmte Nachrichten mitzulesen. Man könne aber etwa Meta-Daten mitlesen und so wissen, wer mit wem Kontakt hat.

Datenschutzexperte Daniel Lohninger "entsetzt" über Pläne zu Bundestrojaner

Immer wieder wird auch auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs verwiesen, der 2019 das schwarz-blaue Vorhaben eines Bundestrojaners kippte. Koller ist dennoch überzeugt: "Das Höchstgericht sagte nicht, dass es grundsätzlich nicht geht".

So sieht das auch Geheimdienst-Experte Thomas Riegler: Die derzeitigen Befugnisse der DSN würden aus einer Zeit stammen, in der Verschlüsselung kein Thema war. "Das frühere BVT wurde seit 2021 in eine neue Behörde mit einem nachrichtendienstlichen Arm umgebaut. Ein entsprechendes Update in Sachen, was die DSN darf und was nicht, steht noch aus".

Auch er fordert: Man sollte sich andere Länder wie Deutschland zum Vorbild nehmen - dort können Behörden "unter strengen Auflagen" seit 2021 einen Staatstrojaner einsetzen. "Alle Optionen sollten auf den Tisch. Danach geht es darum abzuklären, wie das mit den Grundrechten vereinbar ist und wie effektive Kontrolle sichergestellt werden kann".

Oberlandesgericht entscheidet

Im Fall der beiden jüngeren Verdächtigen, die einen Anschlag auf die Pride geplant haben sollen, legte die Staatsanwaltschaft jedenfalls Rechtsmittel gegen die Enthaftung ein. Nun muss das Oberlandesgericht Wien entscheiden. Dort hieß es am Dienstag auf PULS 24 Anfrage, dass das noch einige Zeit in Anspruch nehmen könnte. 

ribbon Zusammenfassung
  • Der Staatsschutz bekam im Vorfeld der Wiener Regenbogenparade Warnungen aus dem Ausland und darf sie nicht weitergeben.
  • So fehlen den Ermittlern wichtige Beweise. Warum ist das so und wie kann das Dilemma gelöst werden?