Pride-Anschlagspläne: "Mein Mandant hat geschlafen"
Als sein Mandant am vergangenen Samstag "um circa 12 Uhr" festgenommen wurde, als Verfassungsschutz und Cobra in sein Zimmer in St. Pölten stürmten, hätten sein Mandant und dessen 20-jähriger Bruder geschlafen, sagt Markus Sommerauer, der Rechtsanwalt des 17-Jährigen.
Für ihn sei es deshalb nicht nachvollziehbar, wie die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) behaupten könne, einen Anschlag auf die zur gleichen Zeit stattfindende Pride-Parade in Wien vereitelt zu haben.
Genau das werfen Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz (DSN) dem 17-Jährigen nämlich vor: Einen Anschlag auf die Pride-Parade in Wien geplant zu haben. Laut PULS 24 Informationen sagt der Verfassungsschutz, er sei von einem außereuropäischen Partnerdienst Ende Februar gewarnt worden, ein IS-Unterstützer in Österreich würde zusammen mit anderen europäischen IS-Sympathisanten einen Anschlag planen. Bei diesem Österreicher soll es sich laut DSN um den 17-Jährigen handeln.
Laut dieser ersten Warnung plante die betreffende Person in Österreich mit Islamisten aus Belgien und der Ukraine im Februar 2023 einen Anschlag in einem der Heimatländer der drei Verdächtigen. Dazu habe der Österreicher nach Tschechien fahren und dort ein Sturmgewehr erwerben wollen. Dazu sei es aber nicht gekommen, weil der Beteiligte aus Belgien im Februar verhaftet wurde.
Wer ist "Abdullah"?
Eine Woche später, am 7. März 2023, ging eine weitere Warnung von einem Partnerdienst über eine neuerliche Anschlagsplanung des 17-Jährigen zusammen mit dem IS-Sympathisanten aus der Ukraine ein. Diesmal ging es um einen Anschlag im Frühjahr 2023 - demnach habe der 17-Jährige konkret auf die Regenbogenparade in Wien abgezielt.
Außerdem erhielt die DSN abermals die Information, dass er den Kauf einer AK-47 und einer Machete in Tschechien plane. In den Chats, in welchen diese Pläne angeblich geschmiedet wurde, habe sich der 17-Jährige als "Abdullah" ausgegeben.
Markus Sommerauer sagt im Gespräch mit PULS 24, dass sich sein Mandant gegenüber einem User, der sich laut DSN in der Ukraine aufhalten soll, tatsächlich so genannt habe. Dieser habe seinen Mandanten kontaktiert und sich als 15-jähriger Jugendlicher aus der Ukraine ausgegeben. Allerdings sei das laut dem Rechtsanwalt nur ein Privatchat, mit nur den beiden Teilnehmern gewesen.
"Mein Mandant war in keinen Chat-Gruppen, die mit dem IS oder Splittergruppen zu tun haben", sagt Sommerauer. Sein Mandant habe auch nicht versucht, Waffen zu kaufen - bei ihm seien nur Soft-Air-Waffen gefunden worden. Und der 17-Jährige lehne die Ideologe des IS ab.
Smalltalk, Katzenvideos, Ukraine-Krieg?
Im Akt würden sich auch keine Beweise oder Chats befinden, es gebe auch keine Screenshots aus etwaigen einschlägigen Gruppen, die einen Anschlagsplan oder versuchte Waffenkäufe beweisen würde, sagt Sommerauer. Im Chat mit dem angeblichen Ukrainer sei es neben Smalltalk und auch Katzenvideos hauptsächlich um den Krieg in der Ukraine gegangen. Der angebliche Ukraine habe seine Lebenssituation dort geschildert.
Sein Mandant habe sich als "Abdullah" ausgegeben, weil er der unbekannten Personen seinen echten Namen nicht habe verraten wollen. Als der andere Chat-Teilnehmer IS-Sympathien bekundet habe, habe der 17-Jährige die Konversation abgebrochen und ihn "vor ein bis zwei Monaten" blockiert. Sein Mandant habe ihn als "nicht ganz normal" bezeichnet.
Sommerauer kritisiert - wie auch der Anwalt des 14-jährigen Verdächtigen - die DSN: In einem Strafverfahren müsse normal der Ankläger beweisen, dass der Täter schuldig sei. In der konkreten Situation werde sein Mandant nunmehr in eine Situation versetzt, in der er sich quasi "frei beweisen" müsse.
Der Jurist kritisiert deshalb die Ermittlungen der DSN, zumal noch keine Beweise – wie Chatprotokolle, Screenshots oder ähnliches vorgelegt worden seien. Man beziehe sich "lediglich auf Warnungen eines ausländischen Nachrichtendienstes, ohne die Quelle und insbesondere die Beweise, auf die sich dieser Nachrichtendienst stützt, zu nennen". Sommerauer beklagt, dass es "keine näheren Details, keine Quellen" dafür gebe. So könne "juristisch nicht überprüft werden, ob tatsächlich strafrechtlich relevante Äußerungen getätigt wurden".
Vorwürfe gegen Verfassungsschutz
Dass die DSN mit dem mutmaßlich verhinderten Anschlag an die Öffentlichkeit ging und gleichzeitig mehr Möglichkeiten zur Chat-Überwachung forderte, kritisiert Sommerauer: "Auf dem Rücken meines Mandanten fordert man mehr Ermittlungsmöglichkeiten".
Am Freitag wurde sein Mandant jedenfalls nach einem Enthaftungsantrag unter Auflagen aus der U-Haft entlassen. Der 17-Jährige habe Bewährungshilfe und werde ein Deradikalisierungsprogramm besuchen, obwohl er laut Sommerauer "in keinster Weise" Sympathien für den IS habe. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Enthaftung Berufung angekündigt. Darüber wird nun das Oberlandesgericht Wien entscheiden.
Der 17-Jährige wolle mit den Behörden kooperieren und hoffe auf schnelle Aufklärung, damit er und seine Familie wieder ein geregeltes Leben führen können, so sein Anwalt. Die Behörden hätten sein Handy und würden auch darauf keine belastenden Chats finden, sei sich sein Mandant sicher.
Die DSN reagierte auf die Vorwürfe in einer schriftlichen Stellungnahme: Man dürfe "sensible Informationen von ausländischen Nachrichtendiensten ohne deren Zustimmung nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeben". Gleichzeitig sei man aber verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln und der Staatsanwaltschaft über einen Anfangsverdacht gegen eine Person zu berichten.
In der Stellungnahme erneuerte der Verfassungsschutz auch nochmal die Forderung nach weiteren Befugnissen: "Der gegenständliche Fall zeige "genau die in den letzten Tagen durch die DSN erneut aufgezeigte Problematik, dass uns als Behörde zentrale, eigene Befugnisse fehlen, um derartige Erkenntnisse selbst ermitteln zu können".
Zusammenfassung
- Am Freitag wurde bekannt, dass nun alle drei Verdächtigen, die einen Anschlag auf die Regenbogenparade in Wien geplant haben sollen, vorerst wieder auf freiem Fuß sind.
- Der Anwalt des 17-jährigen Verdächtigen, Markus Sommerauer, kritisiert im PULS 24 Interview die Führung des Ermittlungsverfahrens durch den Verfassungsschutz.