OGH gibt 18-Jährigem recht: Krankenkasse muss 210.000 Euro zahlen

Zur Behandlung seiner seltenen Muskelschwundkrankheit braucht Georg Polic regelmäßige Spritzen - eine kostet fast 80.000 Euro. Weil die Krankenkasse die notwendige Behandlung nicht zahlen wollte, mussten Spender:innen einspringen. Dieses Geld wurde von Georgs Anwältin eingeklagt - der OGH gab ihm recht.

Mit zwölf Jahren konnte Georg nicht mehr wirklich schlucken, kaum essen und nur mithilfe eines Atemgeräts richtig atmen. Eine seltene Muskelschwundkrankheit (spinale Muskelatrophie Typ 2) bedrohte sein Leben. Zur Behandlung brauchte er die regelmäßige Verabreichung des Medikaments "Spinraza".

Eine der Spritzen kostet jedoch 77.000 Euro - die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft (Kages) weigerte sich, das Geld zu zahlen. Die Wirksamkeit des Medikaments sei in Georgs Alter nicht ausreichend bewiesen, so die Begründung. 

Ohne Medikament drohte Tod

2019 begann ein jahrelanger Rechtsstreit. "Es war klar, dass, wenn er das Medikament nicht zeitnah bekommt, sich sein Zustand so verschlechtern wird, bis hin zum Ableben", sagte Georgs Anwältin Karin Prutsch im PULS 24 Interview.

Prutsch klagte die Kages auf Behandlung mit dem Medikament, Ende 2020 beantragte sie zudem eine einstweilige Verfügung. Erstmalig ging in Österreich diese einstweilige Verfügung durch, während die Hauptverhandlung rund um die Behandlung mit den Spritzen noch weiterlief. Schließlich genehmigte das Gericht Ende 2020 auch die Behandlung selbst. Seither wird Georg kostenlos am LKH Graz behandelt.

210.000 Euro Spendengelder zurückgefordert

Bis zu dieser Rechtsentscheidung finanzierten Spender:innen mit insgesamt 210.000 Euro die Spritzen. Kosten, die - wie Prutsch sagte - eigentlich die Kages übernehmen hätte müssen, denn die Behandlung war notwendig gewesen.

Prutsch zog erneut vor Gericht und verlangte, dass die Kages das Geld zurückzahlte. In erster und zweiter Instanz verlor sie, doch in dritter Instanz gab ihr jetzt der Oberste Gerichtshof (OGH) recht.

"Wir haben das ganze Kapital, die Spendengelder, alles gewonnen und das steht jetzt dem Georg als Startkapital privat, beruflich zur Verfügung", sagte die Anwältin.

50.000 Euro Rollstuhl

Die freudige Nachricht wurde Georg kurz vor seinem 18. Geburtstag mitgeteilt. Seit er die Spritzen regelmäßig bekommt, geht es ihm deutlich besser. Auch für seine Mutter, Claudia Polic, ist es "eine pure Freude". Mittlerweile isst Georg "genauso ein Wiener Schnitzel wie jeder andere", erzählte sie.

Ein Teil des Geldes soll in einen rund 50.000 Euro teuren Spezial-Rollstuhl und Therapiegeräte um etwa 24.000 Euro fließen. Der neue Rollstuhl würde "auf jeden Fall besser fahren", so Georg. Aber nicht nur das: Er soll auch ermöglichen, dass Georg sich per Fernsteuerung hinlegen kann. Das sei für ihn ohne Hilfe sonst unmöglich.

Der Rest des Geldes soll für Georgs berufliche Zukunft aufgespart werden. "Beruflich möchte ich die IT-Schule abschließen und dann vielleicht eine eigene Firma eröffnen im Bereich Computer", sagte Georg. 

Behandlung auch für weitere Fälle

Das Geld steht Georg rechtlich zu, da eine Spende ein einseitiges Rechtsgeschäft ist, das nicht zurückverlangt werden kann. Dennoch habe man einem Großspender, der eine ganze Spritze finanziert hatte, angeboten, ihm das Geld zurückzuzahlen. Der Großspender lehnte das Angebot ab. "Es ist nur darum gegangen, das Leben von Georg zu retten", stellte Prutsch klar.

Der Sieg vor Gericht war aber nicht nur für Georg ein Meilenstein. "Das ganze Patientenkollektiv, das diese Erkrankung hat, bekommt jetzt auch diese Behandlung", erklärte Prutsch. In der Steiermark handle es sich dabei um eine Zahl im kleineren zweistelligen Bereich. 

Lebenslange Behandlung notwendig

Die Kages reagierte indes auf den OGH-Entscheid, indem sie das Geld wortlos überwies, so Prutsch. Georg wird die teuren Spritzen ein Leben lang alle vier Monate brauchen.

Für ihn und seine Familie bedeutet das Ende des Rechtsstreits aber, dass sie sich nun keine Sorgen mehr machen müssen, wie sie an Georgs Medikamente gelangen. "Die Zeit war eine Achterbahnfahrt. Es war ganz schlimm, weil man hat nie gewusst, wie wird der nächste Tag sein? Wird er es akut schaffen?", erinnerte sich seine Mutter. 

Nun strahlt sie: "Das Atemgerät, das verstaubt mittlerweile."

ribbon Zusammenfassung
  • Zur Behandlung seiner seltenen Muskelschwundkrankheit braucht Georg Polic regelmäßige Spritzen - eine kostet fast 80.000 Euro.
  • Weil die Kages diese notwendige Behandlung nicht zahlen wollten, mussten Spender:innen einspringen.
  • Dieses Geld wurde von Georgs Anwältin eingeklagt.
  • Der Oberste Gerichtshof urteilte nun, dass Georg das Geld zusteht.
  • Ein Teil des Geldes soll in einen rund 50.000 Euro teuren Spezial-Rollstuhl und Therapiegeräte um etwa 24.000 Euro fließen.