Merz vs. TrumpPULS 24 / APA / AFP

USA vs. Europa

Wird aus dem Transatlantiker Merz ein Widersacher Trumps?

Heute, 16:18 · Lesedauer 7 min

Rückzug aus der NATO, eigenständige Verteidigung Europas, Deal mit Russland, Zölle: Zwischen Europa und den USA knirscht es gewaltig. Deutschlands wahrscheinlich nächster Kanzler gab sich ab Sekunde 1 kämpferisch gegenüber Trump. Was ist von Friedrich Merz außenpolitisch zu erwarten?

Als "Mini-Trump" wurde Deutschlands Wahlsieger Friedrich Merz (CDU) von SPD-Chef Lars Klingbeil noch im Wahlkampf geschimpft. Nun müssen die beiden eine gemeinsame Regierung zu Stande bringen. 

Einfach wird das nicht, aber mangels Alternativen muss es wohl gelingen. Merz will dabei aufs Tempo drücken: "Die Welt wartet nicht auf uns", sagte er noch am Wahlabend am Sonntag. Damit wird er wohl Recht haben. Schon in den ersten Stunden nach dem Wahlsieg machte Merz klar, wo er außenpolitisch die größten Herausforderungen sieht. 

Deutschlands wahrscheinlich nächster Kanzler, eigentlich ein bekennender Transatlantiker, spielte sich als möglicher europäischer Widersacher von US-Präsident Donald Trump auf - und möchte eine Führungsrolle in Europa einnehmen. Die SPD könnte ihn in einigen Vorhaben aber bremsen.

1. Verteidigung

Die britische BBC schrieb, dass Merz eine "neue Ära in Europa" einleiten wolle.

Eigentlich will Merz das nicht, aber er machte nur kurz nach seinem Wahlsieg klar, dass es so kommen könnte und er dann darauf vorbereitet sein wolle. Nämlich dann, wenn sich in den USA diejenigen durchsetzen, die statt "America First" fast schon "America Alone" propagieren. Dann werde es schwierig, das transatlantische Verhältnis in der jetzigen Form aufrechtzuerhalten. Europa müsse "Unabhängigkeit erreichen", sagte Merz.

Video: Machtwechsel in Deutschland

Trump machte mehr als nur Andeutungen, dass die NATO und Europa nicht mehr auf seine Unterstützung zählen sollten. Merz äußerte Zweifel, ob die NATO im Juni, wenn Deutschland seinen 70. Jahrestag der Mitgliedschaft feiert, noch so vorhanden sei. Das Schicksal Europas sei der US-Regierung "weitgehend gleichgültig".

Noch sind die meisten US-Soldat:innen im Ausland in Deutschland stationiert. Noch schützen die USA NATO-Mitglieder ohne Nuklearwaffen, darunter Deutschland, mit ihren Atomwaffen. Merz rief Frankreich und Großbritannien auf, nun ihr nukleares Schutzschild zu erweitern. Dass Europa mehr für seine Verteidigung ausgibt, ist aber durchaus in Trumps Sinn.

Wie Merz die Aufrüstung Deutschlands finanzieren will, blieb derweil noch unklar. Doch eine Kehrtwende zeichnet sich ab: Einige CDU-Politiker gestanden nun schon ein, dass dafür die Schuldenbremse doch reformiert werden sollte. 

"Der nächste Kanzler, der im Juni zum NATO-Gipfel nach Den Haag fährt, der muss ja belastbar darlegen können, zwei plus X Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung. Sonst brauchen wir transatlantisch, sonst brauchen wir in Washington gar nicht mehr anzutreten", sagte der CDU-Abgeordnete Jens Spahn. Die SPD und ihr Verteidigungsminister Boris Pistorius drängen darauf schon länger. 

2. Ukraine

Eigentlich hatte Trump gemeint, dass er Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine innerhalb eines Tages beenden wolle. Daraus wurde nichts. Ein Deal mit Russland bahnt sich nun dennoch an. Ob dieser Deutschland gefällt, ist fraglich. 

Macron und Trump gaben sich lässig, blieben in der Sache aber hart.AFP

Macron und Trump gaben sich lässig, blieben in der Sache aber hart.

Merz sagte noch am Abend des Wahlsiegs, dass es keinen Deal mit Russland über den Kopf der Europäer und der Ukraine hinweg geben dürfe.

Mit Bedauern merkte er an, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und am Donnerstag Großbritanniens Premier Keir Starmer ohne deutsche Beteiligung nach Washington reisen. Olaf Scholz konnte wegen des Wahlkampfs nicht mit.

Mit Macron habe er vorher gesprochen - man sei im Umgang mit den USA auf einer Linie, so Merz. Der deutsche Politiker will bei solchen Gesprächen künftig auch Polen eine größere Rolle einräumen. Er sprach sich wiederholt für ein geeintes Europa aus und begrüßte, dass sich auch Großbritannien wieder mehr an die EU annähern würde.

Macron forderte in Washington, dass ein Einsatz europäischer Friedenstruppen in der Ukraine - wie ihn Frankreich und Großbritannien angeboten haben - von einer "Absicherung" durch die USA begleitet sein müsse.

Trump blieb diesbezüglich vage, meinte aber, dass der russische Machthaber Wladimir Putin die europäischen Friedenstruppen "akzeptieren" würde. Der Kreml bestritt das später allerdings. Putin meinte aber zumindest, dass die Europäer bei Verhandlungen eine Rolle spielen sollten. 

Die Frage, ob sich an solchen Friedenstruppen auch deutsche Soldat:innen beteiligen könnten, könnte in Deutschland noch für angeregte Diskussionen sorgen. Sowohl Merz als auch Scholz drückten sich um die Beantwortung dieser Frage im Wahlkampf. Uneinig waren sich die beiden möglichen Koalitionspartner auch bei der Frage, ob man die Marschflugkörper Taurus an die Ukraine liefern sollte. Merz befürwortet das. 

Konsens besteht darüber, dass man die Ukraine grundsätzlich weiter unterstützen wolle. Auch dabei wird aber noch um die Finanzierung gerungen. Scholz behauptete gerne, dass Deutschland in Europa der größte Unterstützer der Ukraine sei. In absoluten Zahlen stimmt das, gemessen am BIP bei Weitem nicht.

Um Zahlen stritten auch Macron und Trump in Washington: Der US-Präsident behauptete fälschlicherweise, dass die Europäer ihre finanzielle Unterstützung  für die Ukraine vollständig zurückerhalten werden - er wolle sich daher von Kiew Bodenschätze zusichern lassen.

Wer für was in der Ukraine künftig aufkommt - Stichwort Wiederaufbau - darüber könnte künftig auch Deutschland ein Wörtchen mitreden und ebenfalls mit den USA in Streit geraten. 

3. Zölle

Ums Geld geht's auch beim nächsten Thema, das für Disput zwischen Deutschland und den USA sorgen könnte. Donald Trump kündigte Zölle auf  Stahl und Aluminium an. Deutschland ist Europas größter Stahlproduzent. Die Finanzierung von Merz' Wahlprogramm fußt zu einem großen Teil auf Wirtschaftswachstum. Die Zölle kann er da gar nicht brauchen. 

"Trump wird jetzt auch spüren, dass die Zölle, die er erhebt, nicht von denen bezahlt werden müssen, die nach Amerika importieren. Sondern die werden bezahlt werden müssen von den Konsumenten in Amerika", sagte Merz im Wahlkampf. Auch die EU-Kommission kündigte Gegenmaßnahmen an.

Macron warb in Washington für "fairen Wettbewerb" und "mehr Investitionen" auf beiden Seiten. Frankreich lud für Donnerstag einige stahlproduzierende Länder - darunter Österreich - nach Paris ein. Deutschland wurde bislang nicht eingeladen. 

4. Israel

Obwohl Merz Trumps "Riviera"-Pläne in Gaza als irritierend bezeichnete, dürfte es zwischen Deutschland und den USA im Nahostkonflikt weniger Konfliktpotenzial geben. Dafür gab es zwischen CDU und SPD Meinungsverschiedenheiten, was Merz' Einladung an den israelischen Premier Benjamin Netanyahu nach Berlin angeht. 

Gegen Netanyahu besteht ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Merz meinte, Netanyahu hätte in Deutschland aber keine Konsequenzen zu befürchten. 

"Die Unabhängigkeit des IStGH ist dabei von zentraler Bedeutung, und wir respektieren seine Verfahrensabläufe sowie die Entscheidungen seiner Organe. Dies gilt ausnahmslos", sagte dazu SPD-Außenpolitiker Nils Schmid gegenüber Reuters. Allerdings fügte er hinzu, dass "das Gebot kluger Diplomatie" erfordere, dass die deutsche Regierung "geeignete Mittel und Wege finden wird, auch in Zukunft enge Beziehungen zur israelischen Regierung zu pflegen, ohne die Autorität des IStGH zu untergraben".

"Auf Duo Merz-Pistorius genauer schauen"

"Presse"-Korrespondent David Freudenthaler im PULS 24 Interview.

Zusammenfassung
  • Rückzug aus der NATO, eigenständige Verteidigung Europas, Deal mit Russland, Zölle: Zwischen Europa und den USA knirscht es gewaltig.
  • Deutschlands wahrscheinlich nächster Kanzler gab sich ab Sekunde 1 kämpferisch gegenüber Trump.
  • Was ist von Friedrich Merz außenpolitisch zu erwarten?