Am Puls der Politik: SPÖ braucht mehr als neue Köpfe
Die Kärntner Landtagskür diesen Sonntag verhieß null Spannung. Die Umfragen ließen zwar - in Zeiten wie diesen wenig überraschend - Verluste für die Regierungsparteien Rot und Schwarz erwarten. Und dementsprechende Zugewinne für die Oppositionsparteien, allen voran für die FPÖ und die rot-blaue Protest-Cuvée "Liste Kärnten". Alles in allem in einer Spanne, die jenseits von Klagenfurt keine Wellen machen würde.
Die von der Dauer-Personaldebatte stark strapazierte SPÖ-Chefin wollte den Wahlsonntag daher dazu nutzen, sich live im Glanze der wiedergewählten roten Nummer 1 zu sonnen - und dem Widersacher in Eisenstadt symbolisch den Mittelfinger zu zeigen: Mit Peter Kaiser und Michael Ludwig habe sie die beiden unumstrittenen roten Granden an ihrer Seite. Die ihre Medienauftritte vorsichtig kalkulierende Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner hatte ihre Anreise nicht nur ihren Kärntner Parteifreunden avisiert, sondern auch TV-Sendern und Journalisten bereits Live-Interviews am Wahlabend zugesagt.
"Pam" kam, sah und flüchtete
Pamela Rendi-Wagner kam, sah und ließ einmal mehr die Realitätsverweigerung obsiegen. Die Partei-Chefin trat ob der herben Wahlschlappe für die SPÖ nach einem Kurz-Statement fluchtartig wieder die Heimreise an und düpierte so nicht nur ihre verdatterten Parteifreunde.
Die bittere Botschaft, die dieser Wahlsonntag nicht nur für die SPÖ hinterließ, bleibt allerorten ganz oben auf der Agenda. Denn nicht nur in Kärnten haben einige andere Parteien durchaus Grund zu feiern: Nicht nur die erwartbaren Wahlgewinner FPÖ und Liste Kärnten, sondern auch die ÖVP legte an Stimmen zu.
Mitte-Rechts dominiert, Ampel verblasst
Dem Gewinner-Trio steht ein Verlierer-Trio gegenüber. Die SPÖ büßte weit über den Erwartungen an Zustimmung ein. Grüne und Neos bekamen nicht einmal ausreichend Stimmen, um auch nur ein Mandat zu ergattern.
In Kärnten wird in harter Wählerwährung sichtbar, was sich in bundesweiten Umfragen schon länger abzeichnet: Die Parteien rechts der Mitte haben mehr denn je Grund Morgenluft zu wittern. Die in Österreich jahrzehntelang dominierende Mehrheit rechts der Mitte steht wieder felsenfest auf beiden Beinen. Für die im Vorjahr demoskopisch wachgeküssten Träume einer Rückeroberung des Kanzleramts durch die SPÖ, gar mithilfe einer Ampelmehrheit, sieht es derzeit zappenduster aus.
SPÖ ringt um Kurs und Köpfe
Das ist auch der Auslöser des enervierenden Sesselsägens in der SPÖ. SPÖ-Intern wird aber nicht nur um bessere Köpfe, sondern auch um den richtigen Kurs gerungen. Der Doskozil nahestehende neue niederösterreichische SPÖ-Landesparteisekretär, Wolfgang Zwander, brachte es jüngst bei "Im Zentrum" so auf den Punkt: Die SPÖ habe in ihrer Politik zu sehr auf die obere Mittelschicht gesetzt und die untere Mittelschicht aus dem Auge verloren.
Auch Hans Peter Doskozil, Speerspitze der Rendi-Wagner-Kritiker, wird in kleinen roten Zirkeln nicht müde, seine Kritik weitaus tiefer als nur an der Person der Parteichefin anzusetzen. Der Burgenländer stellt intern etwa die Gewerkschaftspolitik in Frage, bei Kollektivertragsverhandlungen in Rekord-Inflationsszeiten primär ein lineares Plus zu verhandeln statt den Schlechter-Verdienern mit Fixbeträgen stärker unter die Arme zu greifen.
Doskozil: "Sind Teil des Systems, keine Alternative"
Doskozils Appell zur roten Selbstkritik geht weiter darüber hinaus: "Wir leben in unseren Strukturen im alten Trott dahin. Wir wirken auf die Menschen als Teil des Systems und nicht mehr als attraktive Alternative." Mit einem Mindest-Nettolohn von 2.000 Euro, konkurrenzfähigen Gehältern für fehlende Fachärzte bricht der Burgenländer zwar Tabus, die seine Anhängern befeuern. Das befördert zugleich aber den Argwohn benachbarter Genossen in Wien, die sowohl beim Mindestlohn als auch bei den Arztgehältern unter Konkurrenz-Druck kommen.
"Dosko-Gegner orten "roten Kurz"
Sie fühlen sich immer mehr in ihrem Verdacht bestätigt, Doskozil sei die pannonische Mutation von Sebastian Kurz: Ein Solospieler, der "Koste es, was es wolle" auf Popularitätsgewinn setze und für den Solidarität oder Parteidisziplin rote Tugenden von gestern seien. Politik ist und bleibt aber ein Stimmungs-Geschäft. Wenn die Not groß ist, zählen am Ende wohl allein die besseren Erfolgsaussichten.
Pamela Rendi-Wagner ist in ihren vier Jahren als SPÖ-Chefin persönlich wenig vorzuwerfen. Sie ist sympathisch, integer und bislang auch durch keine Leichen im Keller wie entlarvende Chats belastet. Sie schafft es aber bis heute nicht eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Weder in der eigenen Partei, noch bei den Wählern. Nach den Frühjahrswahlgängen in Kärnten und demnächst in Salzburg ist so vor der finalen Weichenstellung in der SPÖ für die Bundeswahl 2024.
Die Wahl Kärnten hat gezeigt, dass die SPÖ vor allem weiter Richtung rechts ausrinnt. Will sie das Abonnement auf der Oppositionsbank nicht vorsätzlich verlängern, braucht sie dringend einen "Befreiungsschlag" aus der bleiernen Beschäftigungspolitik mit sich selbst.
Josef Votzi ist Kolumnist des Magazin "Trend" und Kommunikationsberater (www.linkedin.com/in/josef-votzi)
Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage" jeden Freitag neu auf trend.at
Zusammenfassung
- Die Kärnten-Wahl hat bestätigt: Die SPÖ rinnt primär Richtung rechts aus.
- Will sie nicht auf der Oppositionsbank festkleben, braucht sie auch politisch einen "Befreiungsschlag" - mit neuen Zielen und Inhalten, schreibt Kolumnist Josef Votzi