Martin Holzner/PULS 24

Quell der Fragen: ist Squirting am Ende doch Urin?

Die weibliche Anatomie, Quell unendlicher Mysterien. PULS 24 Sex-Kolumnistin Theresa Lachner leistet in ihren Beitrag zur Aufklärung um weibliche Körpersäfte.

Jahrzehntelang gingen einschlägig-boulevardeske Fachmedien minutiös den Fragen nach, ob es "den G-Punkt wirklich gibt" und wenn ja, wo der denn dann bitte sein soll und ob wenn, "jede Frau einen hat" – Kurzantwort: ja, aber es ist kein einzelner mikroskopisch kleiner Zauberpunkt, sondern eine Fläche, deswegen auch nein, eigentlich gar nicht so schwer zu finden, einfach dem Finger nach und "komm komm" machen, bis man das Geriffelte fühlt, es ist schlussendlich wirklich keine Raketenwissenschaft, wo ein Uterus, da eine G-Fläche.

So. Jetzt wo wir das hoffentlich endlich geklärt hätten, widmen wir uns dem nächsten wichtigen Diskussionskomplex: Ist Squirting vielleicht einfach doch Urin?

Denn ja, es ist wahr: manchmal, aber nur manchmal, sind nach dem Sex die Laken erstaunlich nass. Ist es Schweiß? Ist es Sperma? Oder eben doch etwas mysteriöses, ganz anderes?

Ein kurzer Liebessäfte-Exkurs

Wer zuviel Tagesfreizeit hat, möge sich "Squirt isn't Pee"-Foren auf Reddit widmen, ansonsten hier einen kurzen Liebessäfte-Exkurs, damit wir alle im selben Feuchtgebiete-Boot sitzen.

Männer und andere Menschen mit Penis ejakulieren Sperma. Frauen und andere Menschen mit Uterus ejakulieren ebenfalls. Das merkt man zum Beispiel daran, dass sie nach dem Höhepunkt meist deutlich feuchter sind als zuvor. Das Ejakulat ist je nach Zyklusphase eher milchig und meist ein bisschen flüssiger als die sonstige Scheidenflüssigkeit.

Und dann - Connaisseur*innen einschlägiger Erwachsenenunterhaltungs-Websites werden damit schon in Kontakt gekommen sein - gibt es Squirting. Das kommt vom englischen "squirt" und bedeutet so viel wie "herausspritzen" und passiert, wenn ihre G-Fläche, deren Existenz wir ja eingangs ein für allemal klären konnten, besonders stimuliert wird.

Was beim Squirting passiert

Das Harnröhrenschwellgewebe, ein anderes fancy Wort für die G-Fläche, schwillt durch die Stimulation an und füllt sich mit Squirtingflüssigkeit. Die Harnröhre hingegen schwillt zu, deswegen kann es in akuter Extase auch gar nicht zu unfreiwilligem Urinieren kommen.

Durch die Paraurethraldrüsen, die wir an dieser Stelle nach ihrer anatomischen Funktion benennen wollen, und nicht nach Herrn Skene, der sie zuerst entdeckt haben will, wird schließlich die farb- und geruchslose Squirtingflüssigkeit abgesondert. Und danach vielleicht mal das Bettlaken gewechselt.

Bin ich an dieser Stelle eigentlich die einzige, die darüber nachdenkt, warum Körperteile von Frauen so oft nach Männern benannt wurden und welches männliche Körperteil ich als Lachner-Punkt claimen sollte?

Japan wollte es wissen

Doch erstmal zurück zu unserem nassen Bettlaken. Was ist da jetzt also wirklich passiert? Dieser Frage nahmen sich jüngst wieder ein paar Wissenschaftler*innen aus Japan an.

Sie injizierten fünf Frauen, die sich zuvor schon als squirtingkompetent erwiesen hatten, aber keine Sexworkerinnen sind (warum das im Paper so explizit erwähnt wird, ist nicht überliefert) eine indigofarbene Salzlösung in die zuvor ordnungsgemäß geleerte Blase.

"Sexual stimulation was provided to facilitate squirting, which was videotaped and verified" heißt es im Paper, was ich hiermit bestätigen kann, für das zur Verfügung gestellte Beweisvideo allerdings eher eine Special-Interest-Empfehlung aussprechen würde.

Denn siehe da, die Damen squirteten ganz in blau, Heureka! Das bestätigt, dass die Squirtingflüssigkeit tatsächlich aus der Blase zu kommen scheint. Was angesichts ihrer geographischen Nähe zum Harnröhrenschwellgewebe jetzt auch nicht komplett an den Schamhaaren herbeigezogen klingt.

Was ist damit geklärt - und was nicht

Unklar ist allerdings weiterhin, woraus genau sie sich zusammensetzt. In vier von fünf Proben wurde prostataspezifisches Antigen gefunden, das auf das Vorhandensein von weiblichem Ejakulat hindeuten könnte, das sich möglicherweise mit Urin in der Harnröhre vermischt hat.

Ist der Internetstreit jetzt also ein - für allemal geklärt?

Science says no – und ich frage mich, warum das eigentlich überhaupt so wichtig sein soll. Um weibliche Körper und ihre Lust mal wieder ein bisschen klein zu halten oder in Frage zu stellen? Als "Beweis" dafür, dass die Frau jetzt aber auch wirklich gekommen ist, anstatt einfach schnöde das Bett vollzupieseln? Bei feuchtfröhlichem Sex vielleicht einfach ein bisschen weniger bewerten und denken – und stattdessen mal lieber gepflegt an den Lachner-Punkt fassen.

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/iju.15004

https://www.newscientist.com/article/2336173-female-emission-at-orgasm-confirmed-to-release-fluid-from-the-bladder/

https://de.wikipedia.org/wiki/Weibliche_Ejakulation

https://www.gq-magazin.de/leben-als-mann/beziehung/sex-kolumne-mimi-erhardt-squirting-part-ii

ribbon Zusammenfassung
  • Japanische Wissenschaftler*innen haben das Phänomen des Squirtings untersucht, indem sie fünf Frauen eine indigofarbene Salzlösung injizierten.
  • Die Probandinnen, die keine Sexworkerinnen sind, zeigten nach Stimulation, dass die Squirtingflüssigkeit aus der Blase stammt.
  • Bei der Analyse der Squirtingflüssigkeit wurde in vier von fünf Fällen prostataspezifisches Antigen entdeckt, was auf weibliches Ejakulat hinweisen könnte.
  • Die Studie liefert neue Erkenntnisse, lässt aber die genaue Zusammensetzung der Flüssigkeit und die biologische Funktion offen.
  • Die Diskussion um die Natur des Squirtings wird als möglicherweise überbewertet betrachtet, wichtiger sei eine unvoreingenommene Auseinandersetzung mit weiblicher Sexualität.