Freispruch für 16-jährigen Wiener von Vergewaltigung
Im Zuge des Beweisverfahrens seien "große Zweifel aufgekommen, dass eine Vergewaltigung stattgefunden hat", begründete die Vorsitzende eines Schöffensenats die Gerichtsentscheidung. Sie verwies auf "nicht nachvollziehbare" bzw. "widersprüchliche" Angaben der Jugendlichen, die "nicht zusammengepasst" hätten. "Im Zweifel wird man seinen Angaben folgen müssen", erklärte die Richterin.
Die inzwischen 18-Jährige hatte zunächst bei der Polizei ausgesagt und war später im Rahmen des Ermittlungsverfahrens noch ein Mal kontradiktorisch vernommen worden. Die dabei angefertigte Videoaufzeichnung wurde im Gerichtssaal unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgespielt und erörtert. Hinsichtlich angeblich erlittener Verletzungen, dem Verwahrort ihres Handys, eines Kondoms und dem Ende des Geschlechtsverkehrs machte sie dabei offenbar sehr unterschiedliche Angaben. Die Richterin bezeichnete diese in der Begründung des Freispruchs wörtlich als "auffallend".
Die Staatsanwältin war mit dem Freispruch einverstanden. Sie gab noch im Verhandlungssaal einen Rechtsmittelverzicht ab.
Angeklagter hatte sich mit einvernehmlichem Sex verantwortet
Der 16-Jährige hatte in seiner Einvernahme von einvernehmlichem Sex berichtet. Er hätte nach dem Sexualkundeunterricht das ältere Mädchen, das er bis dahin lediglich über die sozialen Medien kannte, angeschrieben und um Geschlechtsverkehr gebeten. Sie hätte eingewilligt. In einer Freistunde sei sie zu ihm gekommen. Er habe sie von einer Straßenbahn-Station abgeholt, sei mit ihr in den Tischtennisraum im Keller gegangen, "und da ist es dann so passiert. Ich hab' sie mehrmals gefragt, ob sie wirklich Lust hat. Sie hat jedes Mal Ja gesagt."
Auf die Frage der Richterin, warum er für sein so genanntes erstes Mal an keine ihm nahe stehende Person herangetreten sei, erwiderte der 16-Jährige: "Ich wollte den ersten Sex nicht mit jemandem aus dem Freundeskreis, um keine Komplikationen zu haben." Das ältere Mädchen hätte ihm nach dem Sex noch öfter geschrieben. Er hätte darauf nicht reagiert: "Ich hab' nur meinen Eltern geantwortet und meinem engsten Freundeskreis. Und ich hatte eine Freundin."
Anzeige setzte schulischer Laufbahn des Angeklagten vorerst ein Ende
Die Anzeige hatte die schulische Laufbahn des Burschen zumindest vorerst beendet. Er wurde von seiner Schule - einer höheren Bildungseinrichtung - suspendiert. Als eine Art Überbrückung bzw. Notlösung schloss er das Polytechnikum ab. Seither befindet er sich auf Arbeits- bzw. Lehrstellensuche.
Die strafrechtlichen Ermittlungen waren in Gang gekommen, nachdem an der betreffenden Schule Gerüchte die Runde machten, der Bursch hätte eine gleichaltrige Klassenkameradin sexuell belästigt, indem er ihr zunächst anzügliche Chat-Nachrichten geschrieben und sie dann am Gesäß bzw. am Oberschenkel unsittlich berührt hätte. Darauf hin hatte sich das angebliche Vergewaltigungsopfer an die Jüngere gewandt, beide marschierten dann zur Polizei und belasteten den Jugendlichen.
Auch von zweitem Anklagepunkt rechtskräftig freigesprochen
Auch von der behaupteten und von der Anklage mitumfassten Belästigung der Gleichaltrigen wurde der 16-Jährige rechtskräftig freigesprochen. "Das hat nicht stattgefunden", hatte dazu seine Verantwortung gelautet. Die 16-Jährige, die als Zeugin unmittelbar in der Verhandlung aussagte, konnte sich danach an eine unsittliche Berührung am Gesäß nicht mehr erinnern. Ihr Klassenkollege habe ihr zwar einmal im Unterricht auf den Oberschenkel gegriffen, berichtete sie: "Es war schon gewollt von ihm, aber nur kurz." Als sie ihn zurechtwies, hätte er sofort von ihr abgelassen.
Für das Gericht war damit der Tatbestand der sexuellen Belästigung nicht erfüllt. "Im Zweifel war Ihr Verhalten nicht darauf ausgerichtet, ihre Würde zu verletzen", meinte die Richterin. Sie bescheinigte dem 16-Jährigen allerdings "ein problematisches Frauenbild" und appellierte an ihn bzw. die im Publikum anwesenden Eltern des Burschen, "daran zu arbeiten".
Zusammenfassung
- Ein 16-jähriger Wiener wurde am Montag vom Vorwurf der Vergewaltigung einer 18-jährigen Mitschülerin freigesprochen, da die Aussagen der Klägerin widersprüchlich waren.
- Der Angeklagte, der zum Tatzeitpunkt 14 Jahre alt war, gab an, dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich war, und die Staatsanwältin verzichtete auf ein Rechtsmittel.
- Die Anzeige führte zur Suspendierung des Angeklagten von der Schule, jedoch wurde er auch von der Anklage der sexuellen Belästigung freigesprochen.