18 Stunden im Zug: So anstrengend ist die Fahrt nach Bukarest
Nur mit den Öffis vom nördlichsten bis zum südlichsten Punkt der EU zu reisen, das war die Aufgabe. Vor der Europa-Wahl am 9. Juni hieß es für Flo Danner und mich rund 6.000 Kilometer zurückzulegen, bis wir auf einer kleinen Insel vor Kreta ankommen.
Teil der Reise war auch eine Fahrt mit dem Nachtzug von Ungarns Hauptstadt Budapest nach Bukarest, Rumäniens Hauptstadt.
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Reisezeit: 18 Stunden. Los geht's.
22.45 Uhr
Abfahrt in Budapest. Zur Ausgangslage: Flo und Kameramann Kai haben nur mehr zwei Betten im 4er-Liegewagen bekommen, ich eine Kabine für mich allein. Das heißt: alles Gepäck zu mir in die Einzelkabine. Da wird's dann doch auch etwas eng, aber zumindest kann ich von innen abschließen, wenn auch nicht von außen. Glücklicherweise bin ich nur um die Ecke vom WC.
23.17 Uhr
Ich habe mich mal so weit eingerichtet. Da über mir niemand schläft, habe ich sogar zwei Steckdosen zur Verfügung. Außerdem gibt es ein kleines Waschbecken inklusive Wasserflasche und Einweg-Zahnbürste, -Zahnpasta und -Handtuch. WLAN gibt es dafür keines.
Groß darf man in dem Bett hier auch nicht sein. Ich fülle das Bett genau aus, wer über 1,65 Meter ist, muss mit angewinkelten Knien schlafen. Trotz des rumpelnden Zuges schlafe ich sofort ein. Pro-Tipp: Völlig übermüdet in einen Nachtzug einsteigen.
2.25 Uhr
Lautes Klopfen weckt mich auf: Kai hat seinen Pass in einem unserer unzähligen Gepäckstücke gelassen. Verstehe ich gut, ich hatte gar nicht am Schirm, dass wir den brauchen. Er zeigt ihn einer netten Schaffnerin, also zücke ich meinen auch gleich, damit das erledigt ist.
2.55 Uhr
Diesmal wache ich schneller auf, als es klopft. Und zeige meinen Pass gleich nochmal her, weil’s beim ersten Mal so schön war. Jetzt bin ich vor allem hellwach, weil der Grenzkontrolleur meinen Pass mitnimmt, während er die anderen Gäste auf meinem Gang aufweckt. Das löst bei mir immer leichtes Unbehagen aus, meine Reisedokumente habe ich doch lieber bei mir.
Warum ich überhaupt einen Pass brauche, zeigt mir ein Blick aufs Handy: Wir sind schon in Rumänien. Mir fällt wieder ein, dass hier ja nur das Air-Schengen gilt und stelle mich darauf ein, dass ich meinen Pass länger nicht zurückbekomme.
2.59 Uhr
Acht Gepäckstücke verstaue ich übrigens bei mir. Jetzt habe ich Zeit zum Zählen, der Kollege mit meinem Pass hat es nämlich nicht eilig. Ist natürlich kein Problem, ich bin schließlich nur mehr schlappe 14 Stunden in diesem Zug. Sagt ja keiner, dass ich da nicht tagsüber schlafen kann.
4.05 Uhr
Nein, ich habe nicht eine Stunde geschlafen, sondern es gab eine Zeitumstellung. Gerade war es noch drei Uhr früh, jetzt ist es vier. Wollte ich das miterleben? Nein, aber war schon irgendwie witzig. Vielleicht sind es also jetzt doch nur mehr 13 Stunden im Zug.
Video: Zwischenstopp in Bukarest
4.11 Uhr
Habe meinen Pass zurück! Der gute Mann kam mit einem ganzen Packen in der Hand zu meiner Kabine, da ging es wohl nicht nur mir so mit dem Warten. Nachdem ich mich dreimal versichert habe, dass es auch wirklich mein Pass ist, gehe ich wieder schlafen.
7.12 Uhr
Guten Morgen, hier steigen gerade Leute ein, das heißt, ich bin wieder wach. Der Schaffner ist direkt in der Kabine neben mir, er hört offenbar gerne ein bisschen Musik zum Aufwachen. Das ist immerhin angenehmer als das penetrante Klopfen auf meiner anderen Kabinenwandseite, das immer wieder beginnt. Es klingt, als würde etwas ständig gegen die Wand schlagen.
9.00 Uhr
Nachdem offenbar kein Frühstück in Sicht ist – ich hatte es aber auch bezweifelt -, plündere ich meine Snacks und beginne zu arbeiten. Die Landschaft draußen ist schön, aber ein bisschen eintönig. Wir fahren an endlosen Feldern vorbei.
9.40 Uhr
Nehme alles zurück, ich habe Pferde auf einer Weide gesehen, die sagen mir mehr zu als die Felder.
Video: Zwischenstopp in Danzig, Polen
9.49 Uhr
Von meinen Mitreisenden gibt es auch ein Update: Sie konnten trotz Liegewagen schlafen, wenn auch nur mit angezogenen Beinen. Das hätte es aber auch in meiner Kabine gegeben, die Nacht dürfte also weniger schlimm gewesen sein, als zuerst befürchtet.
10.47 Uhr
Die Landschaft wird spannender: Jetzt habe ich eine Schafherde samt Hirten entdeckt. Auf den Wiesen sind manche Menschen mit Pferdewägen unterwegs. Wenn man mal nicht mehr schlafen möchte, ist die Fahrt schon sehr nett. Aber: Lesematerial sollte man trotzdem mitnehmen. Es zieht sich sonst.
12.41 Uhr
Ich habe mich naiv gefragt, wie ich wohl zum Speisewagen komme, ohne unser Gepäck aus den Augen zu lassen - von außen einsperren geht ja leider nicht. Aber eh egal, denn: Von den Schlaf- und Liegewägen kann man gar nicht bis zum Speisewagen vorgehen. Das macht auf einer so langen Reise natürlich absolut Sinn.
13.19 Uhr
Nach Rücksprache mit Flo und Kai muss ich die Aussage zur Nacht im Liegewagen nochmal revidieren. Sie konnten zwar schlafen, bequem sei es aber nicht gewesen. Die Phrase "wie auf einem Nagelbrett" ist womöglich gefallen.
14.29 Uhr
Hier gibt es eine Dusche, aber ich freue mich zu früh. Sie wird so heiß, dass man sich mit dem Wasser verbrennt. Ich werde also warten, bis wir in der Unterkunft sind.
14.43 Uhr
Kurzer Schreckensmoment: Ich sperre mich fast im WC ein – der Verschluss hakt nämlich.
15.57 Uhr
Das mit dem WC ist jetzt kein Problem mehr, das Klo ist nämlich kaputt. Das WC im nächsten Wagon ist so dreckig, dass ich danach gerne eine Dusche hätte, aber wir wissen ja, wie es damit aussieht.
16.30 Uhr
Wir haben ein sehr nettes niederländisches Paar getroffen – das ist natürlich der Vorteil vom Liegewagen, man kommt miteinander ins Gespräch.
Ich setze mich zu Kai und Flo, die ein leeres Sitzabteil beschlagnahmt haben, damit sie die Beine dort ausstrecken können. Der Schaffner sperrt mir netterweise die Tür zu meiner Kabine zu, damit niemand zum Gepäck kann.
17.15 Uhr
Sind wir bald da? Wir sollten es sein, dürften aber Verspätung haben. Ich fantasiere von einer Dusche und einem Leben nach diesem Zug, als wäre es eine Quelle in der Wüste.
17.17 Uhr
Na gut, vielleicht nicht ganz so heftig. Aber nahe dran.
18.14 Uhr
Wir sind da! Mit fast einer Stunde Verspätung, aber wir haben es geschafft! Wenn ich erst im nächsten Monat wieder in einen Zug steige, dann ist es vermutlich auch noch zu früh. Klar ist: Für diese Reise braucht man ordenlich Sitzfleisch.
Video: Was Flo Danner über die Zugfahrt sagt
Zusammenfassung
- Über Nacht mit dem Zug fahren, die Strecke verschlafen und am Morgen in einer neuen Stadt aufwachen - die Vorstellung hat etwas Verführerisches an sich.
- Gefühlte Reisezeit: Null Stunden.
- Ganz so ist das bei der Fahrt vom ungarischen Budapest ins rumänische Bukarest aber nicht.
- 18 Stunden verbringt man da im Zug, die Nacht ist von Passkontrolle und Rumpeln geprägt.
- Wir haben die Strecke ausprobiert.