Der große EU-Nachtzug-Test
Vor dem "Europa Express" mit Flo Danner bin ich nur ein einziges Mal Nachtzug gefahren, und zwar von Wien nach Hamburg. Das war eine sehr laute und unbequeme Reise, nicht zuletzt, weil neben dem Abteil eine große Party gestiegen ist. An Schlaf war nicht zu denken.
Meine Erwartungen an Nachtzüge waren also dementsprechend niedrig. Nach drei sehr langen Fahrten mit der Bahn wurde ich aber nicht nur eines Besseren belehrt, sondern habe nun auch ein eindeutiges Ranking.
- Mehr lesen: Der "Europa Express"-Reiseblog
Rovaniemi - Helsinki (Finnland)
4,5/5 Sterne
- Kabinenart: Einzelkabine mit WC/Dusche. Ausgelegt ist die Kabine für zwei Personen, da wird es dann schon etwas kuschliger.
- Komfort: Sehr bequemes Bett, inklusive zwei Steckdosen und einer Leselampe. Zwei Handtücher sowie eine kleine Flasche Wasser wurden ebenfalls bereitgestellt.
- WC/Dusche: Das WC im Zimmer war klein, aber sauber und ließ sich auch zur Dusche umbauen. Die war sehr erfrischend, um nicht zu sagen: sehr, sehr kalt. Das WC am Gang war ein "olfaktorischer Marker", um unseren Kameramann zu zitieren. Es roch streng, wenn man daran vorbei in Richtung Restaurant wollte.
Galerie: Der finnische Zug
- Verpflegung: Ohne Frühstück, aber mit einem durchaus teurem Bord-Restaurant. Die Plakate haben Pancakes in einer rustikal-angehauchten Pfanne mit Beeren und Schlagobers versprochen. Vorbeigetragen wurden an uns ein paar schlappe Scheiben auf einem Plastikteller, bedeckt mit einem weißen Haufen - dem Schlagobers. Wir haben sie nicht probiert, aber es scheint schwer vorstellbar, dass sie dem Preis gerecht wurden.
-
WLAN: Im gesamten Schlafabteil gab es kein WLAN, nur in den Sitzbereichen und im Restaurant.
Fazit: Gerne wieder in einem Einzelabteil, dann aber ohne arbeiten zu müssen. Dann beschäftigt einen das mit dem immer wieder ausfallenden Empfang weniger und man kann die Landschaft genießen.
Video: Einmal durch die EU
Warschau (Polen) - Budapest (Ungarn)
3/5 Sterne
- Kabinenart: Einzelkabine mit ausklappbaren Waschbecken, eine smarte Lösung, so spart man Platz. Das muss man auch, weil ausgelegt ist die Kabine für drei Gäste, das wirkt unmöglich. Großer Pluspunkt: Das Fenster konnte man öffnen, dafür die Tür nur von innen verschließen.
- Komfort: Das Bett könnte auch aus Holz sein, alles bis zum Betreten der Kabine war sehr eng. In der Nacht sind nonstop Leute gegen die Tür gestoßen, weil der Gang so schmal war. An Schlaf ist also nur zu denken, wenn man überaus müde ist. Die eine Steckdose war am Fuß des Bettes angebracht, man lief Gefahr, sein Handy hier in einem Spalt zwischen Bett und Wand zu verlieren.
- WC/Dusche: Am Gang gab es ein WC, Duschen aber nicht. Das WC war sauber, der Trip dorthin nur immer etwas stressig, da die Türen sich eben nicht verschließen ließen.
- Verpflegung: Gleich zu Beginn bekamen wir Wasser, Orangensaft und einen Schokoriegel. Zum Frühstück konnten wir zwischen (sehr, sehr starkem) Tee oder Kaffee wählen. Dazu gab es zwei Scheiben Brot, etwas Butter, einen Streichkäse und eine Kirschenmarmelade, die noch nie eine echte Kirsche gesehen hat. Wir waren aber sehr froh darüber, Bord-Restaurant gab es nämlich keines.
-
WLAN: Im gesamten Zug gab es kein WLAN, auch der Empfang ließ zu wünschen übrig.
Fazit: Bequem reisen ist anders, aber für einmal ist ein nettes Abenteuer. Die Zeit verging auch relativ schnell. Wer diesen Zug bucht, sollte davor aber vermutlich keine schweißtreibende Wanderung gemacht haben - die fehlenden Duschen sind durchaus ein Manko.
- Mehr lesen: Luxus-Fähre vs. Fernfahrer-Paradies
Video: Danzig, Polen
3. Budapest (Ungarn) - Bukarest (Rumänien)
3/5 Sterne
- Kabinenart: Wir konnten zwei Kabinen ausprobieren - Einzelkabine mit ausklappbaren Waschbecken und einen Platz im Liegewagen. Erstere war geräumig und hatte eine Steckdose am Kopfende des Bettes, auch hier würde es aber zu zweit eng werden. Der Liegewagen war mit vier Gästen voll belegt, zudem gibt es nur eine einzige Steckdose für alle.
- Komfort: Das Bett war bequem, aber sehr kurz. Im Liegewagen schlief man deutlich schlechter, das Bett war außerordentlich hart, zudem war wenig Platz. Wer größer als 1,65 Meter ist, kann die Beine nicht ausstrecken.
- WC/Dusche: Am Gang gab es ein WC, das war sehr eng, aber zu Beginn der Reise noch passabel. Nach 18 Stunden Fahrt waren die meisten WCs weitaus weniger sauber, teils funktionierten sie gar nicht mehr. Dusche gab es nur in einem Wagon, sie war nicht benutzbar: Das Wasser wurde nämlich so heiß, dass man sich damit verbrannt hätte.
- Verpflegung: Bis auf eine Flasche Wasser in der Einzelkabine gab es keine, ganz selten ging im Liegewagen jemand mit einigen Snacks durch, die man kaufen konnte. Speisewagen gab es zwar theoretisch, der war aber von den Schlaf- und Liegewägen aus nicht zugänglich.
-
WLAN: Im gesamten Zug gab es kein WLAN, der Empfang war aber halbwegs belastbar.
Fazit: Die Reise aus Budapest dauert satte 18 Stunden, in einer Einzelkabine mit viel Lesestoff im Gepäck ist das in Ordnung, in einem Liegewagen hofft man, doch noch ein freies Abteil zu finden. Vor der Fahrt sollte man sich unbedingt noch mit Snacks und Getränken eindecken, sonst wird es mühsam. Bei dem einzigen mit der ÖBB gebuchten Zug sollte man zudem nicht heikel bei Sanitäranlagen sein.
Wer also mit dem Zug fahren möchte, statt zu fliegen, kann durchaus eine schöne Zeit haben. Für 18 Stunden braucht man allerdings einen langen Atem und ist am besten großer Fan von vorbeiziehender Landschaft.
- Mehr lesen: Finnland: Hunde gegen die ewige Dunkelheit
Zusammenfassung
- 6.000 Kilometer quer durch die EU und das über lange Strecken mit dem Zug.
- Von Einzelkabinen mit Dusche bis hin zu 18 Stunden im vollen Liegewagen - die Erfahrungen in den verschiedenen Zügen haben sich stark unterschieden.
- Das Ranking nach unserem extensiven Bahnfahren.