Am Puls der Politik: Freie Fahrt für Klima-Schwurbler
Er geht im Kanzleramt wieder aus und ein wie in alten Tagen. Das aber möglichst zu Zeiten, wo er nicht Gefahr läuft, Journalisten über den Weg zu rennen. "Mister Message Control" Gerald Fleischmann, einst unumschränkt herrschender Medienbeauftragter von Kanzler Sebastian Kurz, ist seit Dezember des Vorjahrs nun auch hochoffiziell Karl Nehammer als ÖVP-Kommunikationschef zu Diensten.
Wirklich weg war er nie: Mit dem Abgang von Kurz im Dezember 2021 wechselte Fleischmann nach einem Jahrzehnt an der Seite des türkisen Aufsteigers in den ÖVP-Klub - als Klubreferent zur "besonderen Verwendung". Dort saß er etwa in den ÖVP-internen Vorbesprechungen für den ÖVP-Korruptions-Ausschuss.
Der im Umgang oft raubeinige, aber durchsetzungsstarke Medien-Profi wurde erst von Kanzlergattin Kathi Nehammer und zunehmend auch vom Nehammer selbst zu Rate gezogen. Nehammer hatte 2022 einen halbwegs guten Start. Mit ersten Ansagen setzte er sich für viele wohltuend von seinem Vorgänger ab: Er sei "ein Lernender". Wenige Wochen nach Amtsantritt war am Ballhausplatz aber wieder primär Krisenmanagement gefragt: Ukraine-Krieg, Teuerung, Energiekrise.
Millionen-Geldregen verdunstet
Die Regierung warf - "koste es, was es wolle" - Helikopter-Money in Millionenhöhe aus dem Steuertopf auf Konsumenten und Unternehmen ab. Der erhoffte politische Return auf Investment blieb nicht nur aus. Die da oben waren trotz des warmen Geldregens noch nie so unten durch bei den Bürgern. Je miserabler die Umfragen und die absehbaren Wahlergebnisse, desto größer wurde in der ÖVP die Sehnsucht nach der guten alten Zeit der Message Control. Auch wenn der Hauptdarsteller unwiederbringlich abhandengekommen ist.
Den Regisseur hatte man zwar offiziell in ein Parlamentskammerl verräumt. Wo die Not derart groß ist, schien Nehammer & Co der politische Wirbel ob der auch nach außen hin sichtbaren Wiederbelebung von Gerald Fleischmann aber vernachlässigbar.
Wofür steht eigentlich Nehammer?
Seinen Job definierte der "Mister Message Control" in einem "profil"-Interview unverblümt so: "Nehammer hat bisher noch nicht gesagt, wofür er steht. Den Menschen eine Perspektive zu geben, das hat Nehammer noch vor sich." Fleischmann kam, sah und machte aus dem "lernenden Kanzler" einen Regierungschef nach Art des türkisen Hauses: Message trommeln, Message trommeln, Message trommeln - ohne Rücksicht auf den grünen Koalitionspartner und Bedenkenträger in den eigenen Reihen.
Das Ergebnis der Neu-Inszenierung von Karl Nehammer war dieser Tage neuerlich auf allen Medienkanälen zu besichtigen. Sebastian Kurz suchte mit der Schließung der Balkanroute erfolgreich zu punkten. Ein Rezept, das Ex-Innenminister Nehammer und sein Nachfolger Gerhard Karner mit vereinten Kräften zu reanimieren suchen.
Die ÖVP-Strategen glauben nicht zu Unrecht, dass sich freilich mit einem bloßen Remake des Kurz-Kurses jene Hunderttausenden ÖVP-Wähler nicht ködern lassen, die wieder bei der FPÖ untergeschlüpft sind.
Gas geben beim Verbrennungs-Motor
Karl Nehammer gab daher zuletzt auch bei seiner Kanzlerrede Gas in Sachen anti-grüne Propaganda – als Lockstoff für eingefleischte Blaue, die ebenso wenig an den Klimawandel wie an Corona glauben wollen. Und die sich von der Aussicht, künftig auf ein E-Auto umsteigen zu müssen, ähnlich provoziert fühlen wie vom Lockdown für Ungeimpfte.
Alles Auto-Gipfel, oder was?
Diesen Mittwoch ruft der Kanzler zum "Auto-Gipfel". Schon davor machte er sich vehement für den Verbleib des Verbrennungsmotors auch nach Start des CO₂-freien Zeitalters auf den Straßen stark. Während die Autoindustrie längst Kurs Richtung E-Car-Epoche aufgenommen hat, tauft Nehammer den Verbrennermotor – wegen des CO₂-Verbrauchs bei der Herstellung von E-Fuel – nun gar zum "grünen Verbrenner" um.
Während das Gros der Fachleute allein auf den Einsatz von E-Fuels bei Schwerfahrzeugen, Schiffen und Flugzeugen setzt, proklamiert Nehammer: "E-Fuels werden in fünf Jahren anders gesehen werden als heute."
Fix für Nehammer ist offenbar bereits jetzt: Nach den Corona-Schwurblern sind die Klima-Schwurbler die wahlentscheidenden türkis-blauen Wechselwähler von morgen. Um sie ist der Kampf der ÖVP ab sofort eröffnet.
Josef Votzi ist Kolumnist des Magazin "Trend" und Kommunikationsberater (www.linkedin.com/in/josef-votzi)
Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage" jeden Freitag neu auf trend.at
Zusammenfassung
- Die ÖVP sieht sich als Opfer der Anti-Corona-Maßnahmen.
- Die verlorenen Wähler sollen nun von den Blauen zurückerobert werden: mit anti-grünen Parolen und dem Beharren auf dem Auto mit Verbrennermotor.