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Mafia-Krieg

Prozess: Freispruch und "no hard feelings" nach Mordkomplott

01. Apr. 2025 · Lesedauer 8 min

Clan-Krieg vor Gericht: Einem 29-jähriger Montenegriner wurde nach einem gescheitertem Mordversuch mit einer Autobombe und kolumbianischen Auftragskillern vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen, jedoch wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Nachdem der Oberste Gerichtshof (OGH) Mitte März den Schuldspruch gegen den Mafia-Paten Dario D. alias "Dexter" bestätigt hatte, fand am Dienstag der nächste Prozess mit Bezug zur montenegrinischen Clankriminalität statt. Vor einem Schwurgericht am Wiener Landesgericht musste sich ein 29-jähriger Montenegriner wegen versuchten Mordes mit einer Autobombe und kolumbianischen Auftragskillern verantworten. 

Der Angeklagte gilt laut Anklage als Mitglied des serbisch-montenegrinischen Škaljari-Clans, der sich seit Jahren eine blutige Fehde mit dem verfeindeten Kavač-Clan liefert. Die Verhandlung fand daher unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt, sechs bewaffnete Kräfte der Justizwache-Einsatzgruppe waren im Gerichtssaal postiert.

29-Jähriger zu drei Jahren Haft verurteilt

Das Schwurgericht entschied schließlich, den 29-Jährigen von der Anklage wegen versuchten Mordes freizusprechen. Sechs von acht Geschworenen gelangten zur Ansicht, dass der laut Anklage geplanter Auftragsmord nicht das Versuchsstadium erreicht hatte.

Folglich wurde der Angeklagte lediglich wegen krimineller Vereinigung verurteilt. Die Geschworenen waren einstimmig der Meinung, dass er dem Škaljari-Clan zuzurechnen ist und an dem verfahrensgegenständlichen mörderischen Vorhaben insofern beteiligt war, als er Informationen bereitstellte und Observationen tätigte. Er erhielt eine unbedingte Haftstrafe von drei Jahren, was dem Höchstmaß des Strafrahmens entspricht.

Da ihm die Untersuchungshaft angerechnet wird, hat der Montenegriner bereits bereits ein Jahr und drei Monate der Strafe verbüßt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da sich die Staatsanwaltschaft Bedenkzeit einräumte. Der 29-Jährige akzeptierte die  dreijährige unbedingte Freiheitsstrafe hingegen. 

Opfer-Anwalt: "No hard feelings"

Der Angeklagte schwieg vor Gericht, dafür sagte die Zielperson des Mordkomplotts als Opfer aus. Der 57-Jährige konnte sich die Umstände nicht erklären und sprach von einem "Missverständnis". Sein Anwalt Slaviša Žeželj betonte gegenüber PULS 24, dass sein Mandant weder den Beschuldigten kenne noch etwas mit den beiden montenegrinischen Gruppierungen zu tun habe. Auch den Inhalt der Chatnachrichten des Škaljari-Clans könne er sich nicht erklären. Die darin enthaltenen Aussagen über den 57-Jährigen entsprächen nicht der Wahrheit, betonte Žeželj.

"No hard feelings", betonte der Anwalt. Sein Mandat wünsche dem Angeklagten "ein langes Leben, gute Gesundheit und viel Glück bei der Verhandlung". Der 57-Jährige wolle mit der Sache endgültig abschließen und sich nicht weiter damit befassen.


Auf die Frage, warum ein unschuldiges Opfer einen Anwalt benötige, erklärte Žeželj, dass er seinen Mandanten als "Stütze" begleite. Die Ausmaße des Mordkomplotts hätten den Mann "schwer erschüttert". Zudem sei ein Gerichtsprozess unter erhöhten Sicherheitsmaßnahmen äußerst belastend.

Video: Anwalt von Zielperson: "No hard feelings"

Staatsanwalt: "Angereist um Verbrechen zu begehen"

Der angeklagte Montenegriner soll laut Staatsanwaltschaft in die Pläne eingebunden gewesen sein, ein in Wien aufhältiges Mitglied des Kavač-Clans zu beseitigen. "Er ist einzig und allein aus diesem Grund aus Montenegro angereist", sagte der Staatsanwalt zu Beginn der Verhandlung. Dessen Zugehörigkeit zum Kavač-Clan sei erwiesen, gegen den 29-Jährigen sei in Montenegro ein Verfahren im Zusammenhang mit schwerer Bandenkriminalität anhängig.


Der Mann sei nach den inkriminierten Vorgängen in Wien bei einer weiteren versuchten Ausreise aus Montenegro an der Grenze festgenommen worden. Er habe das Land nur deshalb neuerlich verlassen wollen, um weitere Verbrechen zu begehen, führte der Staatsanwalt aus.

Bombenanschlag und Auftragskiller

Dem Montenegriner wurde Beteiligung am versuchten Mord vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte den Mann, sich unter anderem am beabsichtigten Tatort an Observationen beteiligt zu haben und das Aussehen, die Kleidung sowie die Begleiter der Zielperson an zwei aus Kolumbien eingeflogene Auftragskiller weitergegeben zu haben, die den gegnerischen Kriminellen erschießen sollten.

Video: Clan-Mordkomplott mit Bombe und Auftragsmörder

Zuvor hatte sich ein Bombenanschlag auf das Auto des 57-Jährigen nicht umsetzen lassen. Die Zündung des Sprengsatzes funktionierte am 22. Februar 2020 nicht. Das Vorhaben, die Zielperson 17 Tage später erschießen zu lassen, scheiterte laut Anklage an der unzureichenden Weitergabe des genauen Standorts der Zielperson und mangelnder bzw. verspäteter Kommunikation. Die beiden aus Kolumbien eingeflogenen Auftragsmörder sprachen kein Serbisch, die Gegenseite kein Spanisch.

Wie der Staatsanwalt sagte, waren in die Tötungspläne zumindest zehn Vertreter des Škaljari-Clans eingebunden. Aufgrund einer "schicksalhaften Fügung" sei der 57-Jährige mit dem Leben davongekommen. Die über Chats geführten Übersetzungen vom Serbischen ins Spanische hätten nämlich zu lange gedauert. Als die Kolumbianer endlich instruiert waren, hätte der 57-Jährige das Lokal schon wieder verlassen gehabt, stellte der Staatsanwalt fest.

Angeklagter verweigert Aussage

"Ich bin nicht schuldig zu dem, was mir angelastet wird", versicherte der Angeklagte dem Schwurgericht. Zu weiteren Angaben war er nicht bereit. Er machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Er sei nicht bereit, Fragen des Gerichts und des Staatsanwalts zu beantworten, hielt sein Verteidiger fest.


Der Angeklagte wurde von den Auswertungen vermeintlich abhörsicherer Kryptohandys belastet, mit denen der mafiöse Škaljari-Clan kommuniziert hatte und die ausländischen Behörden entschlüsselt werden konnten. Diese Kommunikation wurde dem heimischen Bundeskriminalamt zur Verfügung gestellt. Der Verteidiger sprach sich gegen die Verwertung dieser Daten aus, auf denen die Anklage ausschließlich fuße. Diese seien "nicht verwertbar", meinte der Anwalt, "der Zweck heiligt nicht die Mittel".

Abgesehen davon habe das inkriminierte Geschehen "gar nicht das Versuchsstadium erreicht". Es sei nichts passiert, was für eine allfällige Verurteilung reiche: "Das Beweisverfahren wird zeigen, dass es nicht genug Anhaltspunkte gibt und mein Mandant freizusprechen sein wird."

Auftragsgeber "grausam gefoltert"

Der aus drei Berufsrichtern bestehende Senat erklärte nach längerer Beratung die gerichtliche Verwertung der Chats für zulässig. Ein Antrag des Verteidigers, diese für die Wahrheitsfindung nicht heranzuziehen, wurde abgewiesen.


Der 29-Jährige befand sich nach seiner Festnahme an der Grenze zu Bosnien seit April 2024 in Wien in U-Haft. Die beiden Auftraggeber des Komplotts wurden dem Staatsanwalt zufolge im Oktober bzw. November 2020 in der Türkei sowie in Montenegro entführt und erschossen. Zuvor seien sie "von der anderen Täter-Gruppe grausam gefoltert" worden, berichtete der Staatsanwalt. Er verwies auf Fotos der entstellten Leichen, die man auf ausgewerteten Kryptohandys entdeckt hatte und die sich im Gerichtsakt befinden.

Video: Auftragsmord: Prozess gegen Bandenmitglied

Einer der zwei kolumbianischen Auftragsmörder verstarb laut Interpol im August 2023 an einer Pestizid-Vergiftung. Der operative Leiter des Komplotts wurde im Februar 2024 in der montenegrinischen Stadt Bar festgenommen. Gegen ihn liegt eine österreichische Festnahmeanordnung vor. Ob er die Wiener Justiz ausgeliefert wird, müssen die montenegrinischen Behörden entscheiden.

Zielperson kann sich Mordkomplott nicht erklären

Der 57-Jährige, der laut Anklage getötet hätte werden sollen, erwiderte auf die Frage des vorsitzenden Richters, wie er es sich erkläre, dass man ihm nach dem Leben getrachtet habe: "Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Das müssen Sie ihn (gemeint: den Angeklagten, Anm.) fragen."


Auf die weitere Frage, ob es etwas mit einem Clan zu tun habe, der "verbrecherischen Sichtgifthandel" betreibe, meinte der Zeuge: "Ich bin Vater von sechs Kindern. Ich habe in meinem Leben nie etwas mit einer kriminellen Organisation zu tun gehabt." Er habe gegenüber dem Škaljari-Clan "natürlich eine negative Einstellung".

Weiters betonte der 57-Jährige: "Ich weiß nicht, warum jemand etwas machen sollte. Ich und meine Familie haben nichts gemacht." Er sei daher "am Anfang von einem Missverständnis ausgegangen", als man ihm zur Kenntnis brachte, dass er getötet hätte werden sollen. Personenschutz für sich und seine Familie habe er aber abgelehnt.

BKA-Ermittler: "Gegenschlag gegen Figlmüller-Mord"

Als zweites mögliches Ziel soll ein 47-Jähriger gegolten haben, der sich das am Zeugenstuhl auch nicht erklären konnte: "Ich bin seit 20 Jahren hier (gemeint: in Wien, Anm.). Ich habe mit dieser Sache gar nichts zu tun." Als das Gericht nachhakte und wissen wollte, was er über den Škaljari- bzw. Kavač-Clan wisse, erwiderte der Mann: "Ich wäre Polizist, wenn ich das wüsste. Ich kenn mich aus mit Cevapcici."

Ein Vertreter des Bundeskriminalamts legte den Geschworenen die Hintergründe der Bluttat dar. Die zwei verfeindeten Clans würden aus den jeweils namensgebenden Orten im Umland der montenegrinischen Stadt Kotor stammen und seien seit über zehn Jahren in inniger Feindschaft verbunden. 80 Morde würden europaweit auf das Konto der Clans gehen.

Die verfahrensgegenständlichen Abläufe bezeichnete der Ermittler als "Gegenschlag gegen den Figlmüller-Mord". Am 21. Dezember 2018 war der 31-jährige Vladimir R. vor dem Wiener Traditionsgasthaus Figlmüller in der Wollzeile per Kopfschuss getötet worden, sein jüngerer Begleiter wurde schwer verletzt. Die beiden Opfer gehören dem Kavač-Clan an.

Zusammenfassung
  • Clan-Krieg vor Gericht: Einem 29-jähriger Montenegriner wurde am Dienstag vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen.
  • Verurteilt wurde er jedoch wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Der Schuldspruch ist aber noch nicht rechtskräftig.
  • Während der Beschuldigte schwieg, konnte sich die Zielperson die Tat nicht erklären. er sprach von einem "Missverständnis", sein Anwalt von "no hard feelings".