Warum Benko trotz Haftbefehls nicht festgenommen wurde
Die italienischen Behörden sorgten am Dienstag für einen Paukenschlag in den Verfahren rund um René Benkos Machenschaften. Nach offenbar langjährigen Ermittlungen der Carabinieri und der Guardia die Finanza, koordiniert von der lokalen Anti-Mafia-Behörde, gab es hunderte Durchsuchungen in Italien, zumindest fünf Festnahmen und einen Europäischen Haftbefehl gegen Benko selbst.
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Die Liste der Vorwürfe gegen den Signa-Gründer und die anderen - insgesamt 77 - Verdächtigen, darunter Lokalpolitiker, Beamte, Manager und Mitglieder von Strafverfolgungsbehörden und mehrere Unternehmen, ist lang und schwerwiegend.
Was wird den Verdächtigen vorgeworfen?
Es geht um die mutmaßliche Bildung einer kriminellen Vereinigung, Manipulation von Ausschreibungen, unrechtmäßige Parteienfinanzierung, unzulässige Einflussnahme, Betrug sowie verschiedene Straftaten gegen die öffentliche Verwaltung, darunter Bruch des Amtsgeheimnisses und Unterlassung von Amtshandlungen. Dazu kommt noch der Vorwurf des Verstoßes gegen steuerrechtliche Vorschriften im Zusammenhang mit der Ausstellung von Rechnungen für nicht existente Geschäfte.
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Passiert sein soll das bei Projekten in den Jahren 2018 bis 2022. Ermittelt wird offenbar seit 2019. Bei Bauprojekten in Bozen, wo die Signa das Gries Village sowie den Waltherpark baute, soll es zu Genehmigungen durch unlautere Methoden gekommen sein, berichtet etwa der "Standard".
Außerdem soll es um einen Grundstückskauf in Eppen in Südtirol gehen. Dort sollen Benko und sein Vertrauter, der Signa-Italia-Chef Heinz Peter Hager, einer Hotelbesitzerin eingeredet haben, ihr Grundstück würde an Wert verlieren, sie solle schnell an die Investorengruppe verkaufen. Das soll nicht gestimmt haben.
Außerdem soll es um einen Grundstückskauf am Gardasee gehen. Hager und ein italienischer Geschäftspartner sollen Verwaltungsbeamte bestochen und erpresst haben, um Umwidmungen zu erreichen. Die Bürgermeisterin von Riva del Garda wurde ebenso wie Hager festgenommen und unter Hausarrest gestellt.
Was bedeutet der Europäische Haftbefehl?
Benko selbst spielt offenbar nur in den ersten beiden Ermittlungssträngen - Bozen und Eppen - eine Rolle. Gegen ihn erließen die italienischen Behörden deswegen einen Europäischen Haftbefehl. Der 47-jährige Österreicher wurde vom Tiroler Landeskriminalamt einvernommen, ist aber auf freiem Fuß. Warum eigentlich?
Grundsätzlich dient ein Europäischer Haftbefehl dazu, dass eine Justizbehörde eines EU-Landes die Festnahme einer tatverdächtigen Person in einem anderen EU-Land zwecks Übergabe dieser Person zur Strafverfolgung erwirken kann. Das Verfahren beruht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen. Es findet in allen EU-Ländern Anwendung.
Video: Haftbefehl gegen Benko
Ist ein österreichischer Staatsbürger von einer anderen EU-Strafverfolgungsbehörde zur Festnahme ausgeschrieben, wird ein Europäischer Haftbefehl in der Regel allerdings nicht vollstreckt, wenn die Delikte, die dem Beschuldigten von einer ausländischen Behörde vorgeworfen werden, auch in dessen Heimatland verfolgt werden können.
Wird auch in Österreich ermittelt?
In Österreich sind gegen Benko mehrere Verfahren anhängig. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt wegen des Verdachts, dass bei der Verlängerung eines Bankkredits im Sommer 2023 mutmaßlich die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Signa-Gruppe und ihre Zahlungswilligkeit" vorgetäuscht worden sei. Außerdem gibt es Ermittlungen rund um Chalet N in Lech in Vorarlberg. Die Ermittler vermuten, dass Corona-Hilfen für das Luxushotel für Benkos Privatleben verwendet worden sein könnten.
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Es ist nun davon auszugehen, dass Benkos Rechtsvertreter dafür gesorgt haben bzw. sorgen werden, dass eine so genannte Kennzeichnung im Schengener Informationssystem vorgenommen wird. Damit wäre gewährleistet, dass jede österreichische Polizeidienststelle mit einem Blick in den Computer die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Innsbruck präsent hat, Benko vorerst auf freiem Fuß zu belassen. Österreich verlassen wird Benko in nächster Zeit aber wohl nicht. Ermittlungen laufen auch in Deutschland und Liechtenstein.
Benko und andere Beschuldigte bestreiten alle Vorwürfe. Benko und Hager ließen am Dienstag wissen, dass sie mit den Behörden kooperieren wollen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Zusammenfassung
- Gegen den Tiroler Signa-Pleitier René Benko gibt es seit Dienstag einen Europäischen Haftbefehl auf Italien.
- Er wurde in Tirol zwar einvernommen, aber nicht festgenommen.
- Warum eigentlich? Und was wird ihm vorgeworfen?