Österreich: Kräftiger Reallohnverlust von 4,2 Prozent
Selbst bei einer Bezahlung über Kollektivvertrag (KV) wird es 2022 unter Einrechnung der Inflation im Schnitt ein Einkommensminus von 4,2 Prozent geben. Im Vorjahr gab es noch plus 0,7 Prozent - wobei, wer nur nach KV bezahlt wurde, hatte 2021 bereits ein Reallohnminus von einem Prozent.
Zweithöchster Rückgang in der EU
Österreich wird laut WSI damit heuer schlechter abschneiden als der EU-Schnitt, wo die Reallöhne (plus Überzahlung) um 2,9 Prozent sinken werden. Zum Vergleich zu den minus 4,2 Prozent in Österreich: In Ungarn wird das Minus bei 0,3 Prozent liegen, in Tschechien hingegen bei minus 8,3 Prozent. In Deutschland wird ein Minus von 2,9 Prozent erwartet, in Italien von 2,1 Prozent. Innerhalb der EU-27 wird Österreich den zweithöchsten Rückgang bei den Realeinkommen verzeichnen, geht aus den Daten des WSI hervor.
Nominal steigen Löhne um 1,5 Prozent
Nominal, also ohne Berücksichtigung der starken Teuerung, wird in Österreich ein Plus von 1,5 Prozent für heuer erwartet. Der EU-Schnitt wird bei 3,7 Prozent gesehen, Nachbar Deutschland soll es auf plus 3,4 Prozent bringen. Interessant ist auch ein Blick auf die Produktivität, also das reale BIP pro Erwerbstätigen: Sie soll heuer mit Verweis auf Zahlen der EU in Österreich um ein Prozent zulegen, in der EU um 1,5 Prozent und in Deutschland um 0,8 Prozent.
Während Österreich bei Lohnzuwachs und Produktivität hinterherhinkt, schaut es bei der Arbeitslosigkeit heuer besser aus als im EU-Schnitt. In Österreich wird die Arbeitslosenquote heuer bei 5 Prozent gesehen, in der EU bei 6,7 Prozent, in Deutschland hingegen nur bei 3,3 Prozent.
Auffallend ist, dass in Österreich noch 98 Prozent der Beschäftigten in einem kollektivvertraglich geregelten Arbeitsverhältnis stehen, nur in Frankreich und Italien ist der Anteil noch höher. In Deutschland sind 52 Prozent der Arbeitnehmer in Tarifverträgen.
Prämien statt Lohnerhöhungen
Im Juni hatte die Regierung mit Verweis auf eine möglicherweise drohende Lohn-Preis-Spirale angeregt, bei der bevorstehenden Herbstlohnrunde über einmalige Prämien statt über prozentuelle Lohnerhöhungen nachzudenken - was für die Gewerkschaften im Normalfall ein No-Go ist, da dies nicht nachhaltig ist. "KV-Verhandlungen werden ja mit dem Ziel geführt, nachhaltige Lohn- und Gehaltserhöhungen und den fairen Anteil der Beschäftigten an den Produktivitätszuwächsen zu sichern. Diese Nachhaltigkeit ist durch Einmalzahlungen nicht gegeben", so der Gewerkschaftsbund (ÖGB) damals zur APA.
Lohnabschlüsse zwischen 3,5 und 5 Prozent
Und wie lief die Frühjahrslohnrunde heuer in Österreich? Im Großen und Ganzen lagen die Lohn- und Gehaltsabschlüsse zwischen 3,5 und 5 Prozent. Die großen Brocken waren die Kollektivverträge (KV) der Fachverbände der Elektro- und Elektronikindustrie mit einem Plus von 4,8 bis 5,0 Prozent, der chemischen Industrie mit 4,75 bis 4,95 Prozent sowie der Papierindustrie mit 4,75 bis 4,9 Prozent.
Die Abschlüsse dieser traditionell gewerkschaftlich stark orientierten Industriesektoren mit hohen Facharbeiteranteil liegen im Regelfall über den Abschlüssen der kleineren, eher gewerblicheren Branchen. Im Herbst starten dann die Metaller, ihr Abschluss gilt als Richtschnur, auch wenn der leicht zeitversetzt abschließende Handel - mit rund einer halben Million Beschäftigten die größte KV-Gruppe - erfahrungsgemäß darunter sich einigt.
Traditionell werden für das Feilschen der Sozialpartner für den Kollektivvertrag zwei Basiszahlen herangezogen: Die Inflation der vergangenen zwölf Monate sowie die Produktivitätssteigerung. In Zeiten sinkender Teuerung kommt der Rückblick auf das abgelaufene Jahr den Arbeitnehmern entgegen, bei stark anziehenden Preisen wie derzeit ist die Rückschau im Interesse der Arbeitgeber.
Zusammenfassung
- Die Arbeitnehmer in Österreich werden heuer einen kräftigen Reallohnverlust erleiden, schätzt das deutsche gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI).
- Selbst bei einer Bezahlung über Kollektivvertrag (KV) wird es 2022 unter Einrechnung der Inflation im Schnitt ein Einkommensminus von 4,2 Prozent geben.