Keine Nahrungsmittelkrise aber "teure Preise werden bleiben"
Der Krieg in der Ukraine hat sich auch auf die weltweite Nahrungsmittelversorgung niedergeschlagen. Im Gespräch mit PULS 24 beruhigt der Agrarmarktexperte Christan Gessel von Agrarmarkt Austria (AMA): Österreich und der Europäischen Union drohe unmittelbar keine Nahrungsmittelkrise.
Dennoch sei durch den Krieg in der Ukraine eine "neue Situation geschaffen". Die bisherigen Warenströme seien "kurzfristig" weggebrochen, da die Ukraine ein wichtiges Agrar-Exportland für viele Regionen der Erde ist - so zum Beispiel für Ägypten, die Türkei oder Indonesien.
Die Frage des Weizens
Gessel stimmt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu, welche warnte, dass Russland durch die Kontrolle über ukrainische Weizenexporte die Weltgemeinschaft unter Druck setzten könnte. Er erinnert daran, dass die Lieferungen momentan zu "hundert Prozent" ausfallen würden. Da auch Russland ein wichtiger Weizenexporteur sei, könne man nicht abschätzen, ob man diese auch für politische Zwecke missbrauchen würde.
Da die EU allerdings selbst der größte Weizenexporteur ist, so Gessel, gäbe es für Europa keine großen Probleme. "Mehr als genug ist verfügbar", so der Agrarexperte der daran erinnert, dass Österreich aktuell vor allem vom EU-Binnenmarkt profitiert.
Schwierige ökologische Abwägung
Autor und Agraringenieur Timo Küntzle erinnert hier an die Möglichkeit in der EU, dass man Brachflächen im Notfall für den Weizenanbau freigeben kann. Als Brachfläche gilt jedes wirtschaftlich, regenerativ oder aus anderen Gründen ungenutztes Grundstück.
Küntzle ist hierbei "ein bisschen gespalten" da es "viele Vor- und Nachteile" gäbe. Der Autor erklärt, dass Brachflächen einen "hohen ökologischen Wert" hätten – da dort Tiere und Pflanzen ungestört wären.
"Andererseits zeigt sich die Diskrepanz", so der Agraringenieur, dass ein reiner Fokus "nur auf Ökologie ein Missverhältnis schaffen würde". Es würde zu wenige Produktionsflächen geben, um die Nachfrage und das Konsumverhalten zu erfüllen. Somit müsste wieder mehr exportiert werden was zu einem höheren CO2-Ausstoß führen würde.
Der Autor und Agraringenieur Timo Küntzle über die Nahrungsmittelversorgung in Österreich, die Situation im Weizen-Import und -Export seit der russischen Invasion in der Ukraine sowie alternative Produktionsweisen in Europa.
"Drohende Engpässe" auf den Märkten
Auch durch "drohende Engpässe" können Lebensmittelpreise steigen, so der Agrarmarktexperte. Bereits vor Ausbruch des Krieges seien die Preise gestiegen, nun würden zusätzliche mehr Menschen auf Vorrat einkaufen. Dies führt zu einer zusätzlichen Verknappung von Produkten und die Märkte reagieren mit Preiserhöhungen – ein Beispiel hierfür wäre das Sonnenblumenöl zu nennen.
Auch Autor Küntzle stimmt dieser Aussage zu. Zwar sind die Preise bereits zuvor auch schon gestiegen, allerdings hätte aufgrund der besonderen Bedeutung der Ukraine und Russland als Exporteure die Invasion den Markt zusätzlich in Aufregung versetzt. Kriegerische Ereignisse in Verbindung führen zu einer Art Spekulation auf den Märkten – jeder würde sich zusätzlich für "die unsichere Zukunft" eindecken.
Die aktuellen Preissteigerungen werden sich "so schnell nicht zurückziehen", erklärt Gessel. Da alle Glieder in der Produktionskette – von Erzeugung über Transport und Verpackung – teurer geworden sind, sieht der Experte, dass die Preise "auch die nächsten Jahre so bleiben" werden.
Zusammenfassung
- Der Agrarmarktexperte Christian Gessel von Agrarmarkt Austria (AMA) und der Autor und Agraringenieur Timo Küntzle analysieren die aktuelle Lebensmittelversorgung in Österreich.
- Die hohen Preise würden uns auf alle Fälle noch länger begleiten, finden die beiden Experten.