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Die Karriere des René Benko

Noch im September titelte ein Finanzportal: "René Benko - Selfmade-Milliardär auf Erfolgskurs". Dieser Höhenflug scheint derzeit allerdings auf der Kippe zu stehen. Wie der - laut Forbes-Liste - viertreichste Österreicher zu seinem Immobilien-Imperium kam.

Jahrelang galt René Benko mit seiner Signa-Gruppe als "Wunderwuzzi" und Erfolgsunternehmer. Seit einigen Monaten bröckelt diese Fassade allerdings. Am Mittwoch gab die Signa bekannt, dass Benko seinen Beirats-Vorsitz an den Sanierungsexperten Arndt Geiwitz übergibt. Damit kommt er der Forderung von Signa-Investoren nach einem Rückzug nach. Eine Chronologie seiner bisherigen Karriere: 

20. Mai 1977

René Benko kommt in Innsbruck auf die Welt. Sein Vater ist Gemeindebeamter, seine Mutter Erzieherin. 

1990er

Die Schule bricht Benko ab. Zu viele Fehlzeiten, um zur Matura zugelassen zu werden. Schon mit 17, erzählen diverse Porträts, soll er sich in Innsbruck dem Ausbau von Dachböden gewidmet haben. Wie das von Didi Mateschitz gegründete und wieder eingestampfte Rechercheportal "Addendum" 2019 offenlegte, soll Benko Schulungen beim AWD gemacht haben. Der Allgemeine Wirtschaftsdienst, gegründet von Carsten Maschmeyer, war ein deutscher Finanzvertrieb. 

Die "Berater", oft auch als Keiler beschrieben, verkaufen offensiv allerhand Lebensversicherungen, Bausparverträge oder hochspekulative Fonds und streichen dafür kräftige Provisionen ein.

Jänner 2000: Gründung der Immofina

Benko gründet seine erste Firma. Die Immofina Holding GmbH in Innsbruck. Sie wird 2006 ihren Namen auf die heute in den Schlagzeilen stehende Signa Holding ändern.

2001: Erster großer Investor

Der "Stroh"-Tankstellenerbe Karl Kovarik kauft sich in Benkos Unternehmen ein. Die kräftige Kapitalspritze hilft, Projekte in größeren Dimensionen umzusetzen. Zu Beginn sind das unter anderem Ärztezentren. 

2005: Das erste Prestige-Projekt

Das erste landesweit bekannte Prestige-Projekt Benkos ist das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck, das er mithilfe des Stararchitekten David Chipperfield neu baut und 2010 eröffnet.

Das Nachrichtenmagazin "News" berichtete, dass sich vor allem Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) bei den Genehmigungen ins Zeug gelegt haben soll. Gusenbauer sitzt noch heute in entscheidenden Gremien der Signa.

Kaufhaus TyrolKaufhaus Tyrol

Das Kaufhaus Tyrol in der Innsbrucker Innenstadt war Benkos "Gesellenstück" in der Liga der Groß-Investoren am Immobilienmarkt. 2005 gekauft, mit dem Stararchitekten David Chipperfield neu gebaut und 2010 neu eröffnet.

2008: Expansion in der Wiener Innenstadt

Als neuer Geldgeber folgt 2008 der griechische Reeder George Economou. Im selben Jahr kauft die Signa in Wien das Gebäude "Am Hof 2", die frühere Zentrale der Bank Austria. Heute ist in dem Gebäude das Luxushotel Park Hyatt. In dieser Ecke der Wiener Innenstadt hat sich Benko über die Jahre ausgebreitet.

Heute listet die Signa Prime Selection AG das goldene Quartier und das prunkvolle Haus am "Graben 19", wo mittlerweile unter anderem der Louis Vuitton-Store untergebracht ist. 

2010: Gründung der Signa Prime

Die bereits erwähnte Signa Prime Selection AG wird gegründet. Damals sollen die sechs Immobilien einen Wert von 750 Millionen Euro gehabt haben. Mittlerweile wird der Wert auf 20,4 Milliarden Euro beziffert und hält diverse Prestige-Objekte Benkos.

2012: 157 Kaufhäuser und Schuldspruch

Mit dem israelischen Milliardär und Diamantenhändler Beny Steinmetz erwirbt Benko in einem Joint-Venture das Berliner Luxus-Kaufhaus KaDeWe und 156 weitere Warenhäuser um 1,1 Milliarden Euro. Im September 2023 wurde bekannt, dass Steinmetz per europäischem Haftbefehl in Zypern festgenommen wurde. Er soll in Rumänien versucht haben, sich illegale Bodenrechte zu sichern. 

Vor dem Wiener Landesgericht wird Benko zu einem Jahr bedingter Haft verurteilt - in einem "Musterfall für Korruption", wie es die Richterin nennt. Dabei geht es um versuchte verbotene Intervention (Schmiergeldzahlungen) in einem italienischen Steuerverfahren.

Benko zieht sich operativ aus der Signa Holding zurück und agiert seither aus dem Beirat. Die operativen Fäden dürfte er aber nach wie vor in der Hand halten. Die Haftstrafe ist mittlerweile getilgt, Benko ging auch rechtlich gegen Medien vor, die über seine Verurteilung berichteten. 

2014: Nächste Kaufhauskette

Die Signa Holding übernimmt die deutsche Warenhauskette Karstadt. Die Signa trennt sich im folgenden Jahr von allen Karstadt-Immobilien, außer einer: der am Berliner Kurfürstendamm.

2016: Investor verlässt die Signa

Der ehemalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking legt seine Ämter im Beirat der Signa Holding und im Aufsichtsrat der Signa Prime nieder. Die Gründe waren jahrelang unbekannt. Nun sagte Wiedeking dem "Handelsblatt" aber: "Ich bin 2016 bei Signa als Aktionär ausgeschieden, weil die Zahlen, die mir vorgelegt wurden, nicht mit dem übereinstimmten, was uns Benko in den Sitzungen vorgetragen hat". Wiedeking hielt vier Prozent der Signa Prime. 

2017: Benko rettet Kika/Leiner - vorerst

Der Möbelkette Kika/Leiner droht die Pleite. Benko springt ein und kauft binnen zwei Tagen die Immobilie auf der Mariahilfer Straße um 60 Millionen Euro. Das ist kurz nach Weihnachten, der Deal muss noch vor Neujahr über die Bühne gehen. Hinter den Kulissen soll sich der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz stark gemacht haben.

Damit der Deal rechtzeitig über die Bühne geht, wird das zuständige Bezirksgericht aufgesperrt und ein leitender Beamter aus dem Urlaub geholt. 

Ein halbes Jahr später übernimmt Benko schließlich die ganze Möbelkette und verspricht die Sanierung und die Sicherung der Arbeitsplätze.

Kurz BenkoAPA/HANS KLAUS TECHT

Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Signa-Gründer René Benko.

2018: Wolkenkratzer in Hamburg

Ein Benko-Projekt, das das dritthöchste Gebäude Deutschlands werden soll, wird vorgestellt: der Hamburger Elbtower. 245 Meter hoch soll er in die Luft ragen. Der damalige Erste Bürgermeister Hamburgs und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellt das Projekt höchstpersönlich vor. 

Zuletzt ging auf der Baustelle, die 2026 fertig sein sollte, aber nichts mehr weiter. Vorwürfe gegen die Signa wurden laut, weil die Baufirma nicht bezahlt worden sei.

Baustelle ElbtowerAPA/dpa/Marcus Brandt

Die Baustelle des Elbtowers in Hamburg.

2018: Galeria Karstadt Kaufhof

Die Signa Holding übernimmt die Mehrheit an der Kaufhauskette Galeria Kaufhof und fusioniert sie Monate später mit Karstadt.

2019: Legendärer Wolkenkratzer in New York

Die Signa kauft um kolportierte 150 Millionen US-Dollar das legendäre Chrysler Building in New York. Verkäufer: Der Staatsfonds von Abu Dhabi. Schon damals wurden Zweifel laut. Der "Spiegel" zitierte einen Kenner der New Yorker Immobilienszene, das Chrysler sei ein "einziger, großer Mieterschreck". 

Chrysler BuildingAFP

Das Chrysler Building in New York. Der 1930 fertiggestellte, 318 Meter hohe Wolkenkratzer, steht unter Denkmalschutz. 

2020: Die Pandemie trifft Benkos Geschäft

Die Corona-Pandemie trifft auch die Kaufhäuser des Benko-Imperiums. Die fusionierte Galeria Karstadt Kaufhof beantragt in Deutschland ein Schutzschirmverfahren. Gläubiger verzichten auf Milliarden, 41 Filialen werden geschlossen, 3.000 Menschen verlieren ihre Jobs. 2021 sollen 460 Millionen an Staatshilfen folgen, ehe 2022 ein weiteres Schutzschirmverfahren beantragt wird. Die deutschen Steuerzahler verlieren in Summe 600 Millionen Euro. 

Auch die Kika/Leiner ist auf Hilfe der Steuerzahler in Österreich angewiesen. Steuerstundungen von 150 Millionen Euro werden genehmigt. 

2021: Börsengang von Signa Sports United

Signa Sports United (SSU) geht in New York an die Börse. Die Gruppe hält rund 80 Anbieter von Sportartikeln und Outdoor-Produkten. Der Börsengang gelingt mit einer Marktkapitalisierung von 3,2 Milliarden Euro. 

2022: Milliardär stockt Anteile auf

Der deutsche Milliardär Klaus-Michael Kühne stockt seine Anteile an der Signa Prime auf 10 Prozent auf. 

2023: Die Probleme häufen sich

Die Negativ-Schlagerzeilen rund um Benkos Signa-Gruppe nehmen zu. Die Erfolgs-Fassade scheint zu bröckeln.

April: Berichte über Krisenstimmung

Laut einem Bericht des "Spiegels" möchten sich René Benko und seine Signa von mehreren Immobilien trennen. Ebenfalls wird von Intrigen innerhalb des Konzerns berichtet. Schuld an der Lage seien die gestiegenen Zinsen, vorsichtige Investoren und eine allgemeine Krisenstimmung. Benko selbst dementiert. 

Juni: Benko verkauft Kika/Leiner - Möbelkette schlittert in die Pleite

Die Signa verkauft die Immobilien und das operative Geschäft der Möbelkette Kika/Leiner. Einzig die ehemalige Filiale auf der Mariahilfer Straße bleibt in Benkos Besitz. Eine knappe Woche später muss die Möbelkette Insolvenz anmelden. 23 von 40 Filialen schließen, 1.900 von 3.900 Mitarbeiter:innen verlieren ihre Jobs. An Benko wird Kritik laut. Recherchen des "Falter" offenbaren mögliche Steuer-Deals zwischen ihm und dem Finanzministerium rund um den Kauf der Möbelkette.

Juni: EZB prüft Benko-Kredite

Die Europäische Zentralbank (EZB) prüft große Banken hinsichtlich ihrer Kreditvergaben an die Signa. Dies gilt als äußerst ungewöhnlicher Schritt, da sonst einzelne Kreditnehmer nie geprüft werden. Monate später berichtet die Finanznachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Insider, dass die EZB Banken dazu dränge, Darlehen entweder zum Teil abzuschreiben oder weitere Vorsorgen für potenzielle Verluste zu treffen. Das Unternehmen reagiert gelassen.

Juli: 400 Millionen Euro Finanzspritze

Signa sammelt von Investoren 400 Millionen Euro per Kapitalerhöhung ein. Unterdessen wird bekannt, dass die Signa 2022 einen Nettoverlust von rund einer Milliarde Euro gemacht haben soll. 

Oktober: Signa Sports United ist zahlungsunfähig

Weil die Signa Holding eine Finanzierungszusage von 150 Millionen Euro zurückzieht, muss die Signa Sports United (SSU) einen Insolvenzantrag stellen. Schon zuvor mussten Töchter wie Tennis Point ihre Pleite bekannt geben. 

November: Investoren wollen Benko-Rückzug

Anfang November überschlagen sich die Schlagzeilen rund um René Benko. In einem Brief fordern die Gesellschafter der Signa Holding Benko zum Rücktritt auf. Den Rückzug bestätigt der Signa-Gesellschafter Hans-Peter Haselsteiner voreilig gegenüber "Ö1": "Die Gesellschafter haben diesen Schritt zustimmend und auch positiv zur Kenntnis genommen."

Benko soll sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen, der Sanierungsexperte Arndt Geiwitz solle übernehmen und in den teils undurchsichtigen Firmenkonstrukten aufräumen. Doch Benko selbst wollte von einem Rückzug zunächst nichts wissen. Am Mittwoch gab er schließlich nach: Geiwitz übernimmt. "Dies ist in der derzeitigen Situation die beste Lösung für das Unternehmen", teilte Benko in einer Aussendung mit. 

Panik und Geldnot bei der Signa

Insider berichten von Panik bei der Signa: "Keiner weiß, wie es dem Unternehmen wirklich geht", sagt einer dem "Handelsblatt". "Keiner weiß, wie hoch die Schulden insgesamt sind und was die Assets wirklich wert sind."

Unklar ist, wie viel Geld wirklich gebraucht wird, um die Unternehmensgruppe wieder auf Kurs zu bringen. Die Rede ist von Verhandlungen über eine Kapitalspritze von 200 bis 400 Millionen Euro. Die kurzfristigen Schulden sollen sich Medienberichten zufolge auf zwei Milliarden Euro belaufen, 1,3 Milliarden sollen heuer noch fällig werden. 

Unterdessen stufte die US-Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit der Signa Development AG auf Ramsch-Niveau herab.

ribbon Zusammenfassung
  • Jahrelang galt René Benko mit seiner Signa-Gruppe als "Wunderwuzzi" und Erfolgsunternehmer.
  • Seit einigen Monaten bröckelt diese Fassade allerdings. Am Mittwoch gab die Signa bekannt, dass Benko seinen Beirats-Vorsitz an den Sanierungsexperten Arndt Geiwitz übergibt.
  • Die Signa braucht dringend Geld, es ist jedoch unklar, wie viel genau.
  • Wie der - laut Forbes-Liste - viertreichste Österreicher zu seinem Immobilien-Imperium kam.