Syriens Präsident Assad bei Gipfel der Arabischen Liga
Assad sprach von einer "historischen Gelegenheit" für die Region. "Ich hoffe, dass dieser Gipfel den Beginn einer neuen Phase arabischen Handelns in Solidarität markieren wird", sagte er. Ziel sei "Frieden in unserer Region für Entwicklung und Wohlstand statt Krieg und Zerstörung". Die Länder hätten nun die Chance, ihre "Angelegenheiten neu zu ordnen - weg von ausländischer Einflussnahme".
Es war Assads erste Rede bei einem großen internationalen Treffen seit mehr als zehn Jahren. Beim Gipfel wirkte er entspannt. Er traf unter anderem Tunesiens Präsident Kais Saied zu Gesprächen. Assad unterhielt sich auch mit Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi sowie dem irakischen Premierminister Mohammed Schia al-Sudani, wie Bilder im saudischen Staatsfernsehen zeigten.
Der prominente syrische Oppositionelle George Sabra sagte, die Opposition fühle sich "verraten" von den arabischen Anführern. Assad und seine Verbündeten Iran und Russland würden "immer noch täglich töten", sagte Sabra der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist, als würden sie diesem Mörder ein Unschuldszeugnis ausstellen, während die ganze Welt immer noch fordert, ihn für die begangenen Verbrechen gegen das syrische Volk vor Gericht zu stellen."
Assads Regierung ging gegen Proteste in Syrien 2011 und im darauffolgenden Bürgerkrieg mit äußerster Härte gegen die Bevölkerung vor. Im bis heute andauernden Krieg wurden rund 14 Millionen Menschen vertrieben, mehr als 350.000 kamen ums Leben. Dem Machthaber werden Kriegsverbrechen wie der Einsatz von Giftgas und massenhaft Folter vorgeworfen. Assad war seit 2011 international lange Zeit stark isoliert. Inzwischen treiben mehrere arabische Länder aber eine Normalisierung voran, mit der Syrien nach mehr als zehn Jahren nun auch wieder in die Arabische Liga aufgenommen wurde.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman empfing den jahrelang isolierten syrischen Präsidenten betont herzlich. Die beiden begegneten sich zu Beginn des Gipfels mit einer Umarmung und gaben sich einen Bruderkuss.
Kurze Zeit später begann in einem festlich geschmückten Saal der eigentliche Gipfel. Algeriens Premierminister Aymen Benabderrahmane eröffnete das Treffen und übergab den Vorsitz an Saudi-Arabien.
Selenskyj warf einigen Anführern in der arabischen Welt mangelnde Unterstützung seines Landes gegen die russischen Invasoren vor. "Leider drücken einige auf der Welt und hier in Ihrem Kreis ein Auge zu", sagte Selenskyj. Das gelte für Ukrainer in russischen Gefängnissen und "illegale Annexionen". Einige Teilnehmer des arabischen Gipfels hätten "eine andere Ansicht zum Krieg auf unser Land und bezeichnen ihn als Konflikt", sagte Selenskyj.
Selenskyj sprach als Ehrengast beim jährlichen Gipfel der Liga. Die arabische Welt müsse helfen, das ukrainische Volk zu schützen, darunter auch die dort lebende muslimische Gemeinde, sagte Selenskyj. "Ich bin hier, damit jeder einen ehrlichen Blick werfen kann - egal, wie sehr die Russen versuchen, Einfluss zu nehmen." Die Ukrainer hätten diesen Krieg nie gewählt. "Wir drängen die Besatzer aus unseren Gebieten", sagte Selenskyj.
Der saudische König Salman hatte Selenskyj Diplomatenkreisen zufolge als Ehrengast zum jährlichen Gipfeltreffen der Liga eingeladen. Die Golfstaaten pflegen meist gute Beziehungen mit Russland und bemühen sich im Ukraine-Krieg um Neutralität.
Syrien, das nach mehr als zehn Jahren wieder in die Arabische Liga aufgenommen wurde und für das Präsident Baschar al-Assad teilnahm, ist eng mit Russland verbündet. Syrien war im März 2022 auch eines von nur fünf Ländern, die in der UN-Vollversammlung gegen eine Resolution stimmten, in der Russlands Invasion verurteilt und ein Truppenabzug gefordert wird.
Der russische Angriffskrieg hat die Golfstaaten in eine unangenehme Lage gebracht. Sie stünden unter Druck, zwischen ihrer historischen Partnerschaft mit den USA und ihren wachsenden wirtschaftlichen und politischen Bindungen an Russland entscheiden zu müssen, schrieb Experte Gerald Feierstein vom Middle East Institute (MEI) schon kurz nach Ausbruch des Krieges im vergangenen Jahr. "Während Europa brennt, verstecken sich die Golfstaaten unter dem Tisch."
Am Rande des Gipfels der Arabischen Liga hatte sich Assad zuvor mit Tunesiens Präsident Kais Saied getroffen. Saied sprach nach einem Bericht der tunesischen Staatsagentur TAP von einem "historischen Treffen". Assad begrüßte die Rückkehr zu normalen Beziehungen, wie die syrische Staatsagentur Sana berichtete. Saied sagte demzufolge zu Assad: "Ihr seid unsere Brüder. Und was immer euch verletzt, verletzt uns."
Der letzte arabische Gipfel, an dem Assad teilgenommen hatte, war der im Jahr 2010 in Libyen. Der Arabischen Liga gehören derzeit 22 Staaten an. Syrien war im November 2011 nach dem gewaltsamen Vorgehen der Assad-Regierung gegen Demokratie-Proteste ausgeschlossen worden. In dem nach der Niederschlagung der Proteste ausgebrochenen Konflikt wurden bis heute mehr als 500.000 Menschen getötet, Millionen Syrer vertrieben und Infrastruktur und Industrie des Landes stark beschädigt.
Saudi-Arabien hatte die Beziehungen zu Assads Regierung im Jahr 2012 abgebrochen. Danach setzte Riad sich lange offen für den Sturz des Machthabers ein und unterstützte im syrischen Bürgerkrieg Rebellengruppen. Nun ist es der Regionalmacht - auch angesichts der militärischen Erfolge des von Russland und dem Iran unterstützten Assad - offenbar wichtiger, sich als Vermittlerin in der Region zu präsentieren.
Begünstigt wird die Wiederannäherung auch durch die von China vermittelte Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den lange rivalisierenden Regionalmächten Saudi-Arabien und Iran.
Anfang Mai nahm die Arabische Liga Syrien wieder auf, Saudi-Arabien lud Assad nach Jeddah ein. Bereits zuvor hatten mehrere Staaten in der Region Syrien Entgegenkommen signalisiert. 2018 hatten die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Beziehungen zu Damaskus wieder aufgenommen, später lud der Golfstaat Assad zur UNO-Klimakonferenz ein, die im November in Dubai stattfinden soll.
Zu den Gegnern der Wiederannäherung an Syrien zählt indes Katar. Das Golfemirat will seine Beziehungen zu Damaskus zunächst nicht normalisieren, stellt sich aber der Wiederaufnahme in die Arabische Liga nicht entgegen.
Assads Anwesenheit beim Gipfel in Jeddah garantiert unterdessen keine Fortschritte bei der Beendigung des Krieges in Syrien. Im Nordwesten des Landes, der weiter unter Kontrolle von Rebellen steht, gab es wiederholt Massenproteste gegen Assads Rückkehr in die Arabische Liga. Auch ist unklar, ob die Organisation dem syrischen Machthaber Zugeständnisse bei Themen wie der Zukunft syrischer Flüchtlinge oder dem zunehmenden Handel mit dem Aufputschmittel Captagon abringen kann.
Neben der Wiederannäherung an Assads Regierung dürfte sich der Gipfel mit zwei Konflikten beschäftigen: Dem Machtkampf zwischen zwei rivalisierenden Generälen im Sudan und dem seit Jahren andauernden Bürgerkrieg im Jemen, bei dem Gastgeber Saudi-Arabien selbst Konfliktpartei ist.
Zusammenfassung
- Nach rund einem Jahrzehnt der Isolation nimmt Syriens Präsident Bashar al-Assad beim Gipfel der Arabischen Liga am Freitag erstmals wieder an einem großen internationalen Treffen teil.
- Für den Machthaber, dem Kriegsverbrechen wie der Einsatz von Chemiewaffen vorgeworfen werden, ist die Teilnahme ein großer symbolischer Erfolg.
- Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj landete am Freitag aus Polen kommend in Jeddah.