Al-Hol-Camp in SyrienAFP

Prozess gegen Evelyn T.

Zum IS gereist: Wienerin will vor Gericht abschließen

Heute, 11:53 · Lesedauer 3 min

Die Halleinerin Maria G. und die Wienerin Evelyn T. wurden vom Außenministerium aus einem kurdisch verwalteten Lager in Syrien geholt. Als Teenagerinnen waren die beiden zum sogenannten "Islamischen Staat" (IS) ausgereist. Deswegen müssen sie sich in Österreich vor Gericht verantworten - am Mittwoch startet Evelyn T., die nun mit diesem Kapitel abschließen will.

Über zehn Jahre ist es her, dass die Wienerin Evelyn T. nach Syrien reiste, um sich der IS-Terrormiliz anzuschließen. Als Teenagerin verliebte sie sich in einen Burschen mit afghanischer Migrationsgeschichte - ihm reiste sie hinterher, heiratete ihn heimlich.

Beim ersten Fluchtversuch wurde sie von ihrer Familie noch in Istanbul aufgespürt. Die zweite Ausreise gelang: Evelyn T. lebte mit ihrem Mann in der IS-Hochburg Raqqa, bis die islamistische Miliz zurückgedrängt wurde. 

Der Mann sitzt seither im Irak im Gefängnis. Evelyn T. landete im kurdisch verwalteten Straflager Al-Roj, wo die mittlerweile 26-Jährige ihren Sohn zur Welt brachte und die letzten acht Jahre verbrachte. 

Angehörige der Halleinerin Maria G., die eine ähnliche Geschichte aufweist, setzten sich derweil gerichtlich für die Zurückholung der jungen Frauen mitsamt ihrer Kinder ein. Das Bundesverwaltungsgericht entschied schließlich, dass das Außenministerium eine Rückholung durchführen muss. 

IS-Rückkehrerin: Mutter im Interview

Anfang März war es schließlich so weit. Doch während Maria G. nach der Rückholung mitsamt ihren zwei Kindern heim nach Hallein durfte, wurde Evelyn T. in Wien in Untersuchungshaft genommen. Ihr siebenjähriger Sohn wird von der Wiener Kinder -und Jugendhilfe (MA 11) betreut

Prozess am Mittwoch

Am Mittwoch muss sich Evelyn T. nun vor Gericht verantworten. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wird ihr vorgeworfen. Dass sie verurteilt wird, steht eigentlich außer Frage. Evelyn T. wird sich schuldig bekennen. 

Viel schwieriger könnte sich bei dem Prozess, der - weil es keine Zeug:innen gibt - nicht lange dauern wird, die Strafbemessung sein. Ein bis zehn Jahre Haft drohen ihr laut Gesetz. Mildernd könnte allerdings gewertet werden, dass der Tatzeitraum zwischen 2015 und 2017 schon lange zurückliegt.

Auch ihr junges Alter bei der Ausreise und ihre Unbescholtenheit werden zu berücksichtigen sein. Spannend wird auch, inwiefern das Gericht die Zeit im Straflager - rund acht Jahre war die 26-Jährige dort - als Vorhaft anerkennt. 

Neustart möglich?

Laut ihrer Rechtsanwältin, Anna Mair, möchte Evelyn T. dieses Kapitel nun "abschließen". Dazu gehöre auch die Aufarbeitung durch die Justiz, die ihre Mandantin mit ihren Aussagen unterstützt habe. Danach müsse aber ein Neustart ermöglicht werden, so die Anwältin zu PULS 24.

Evelyn T., die nur einen Schulabschluss hat, möchte sich um eine Ausbildung umschauen und sich vor allem wieder um ihren Sohn kümmern. 

Diesem gehe es laut einer Sprecherin der MA 11 gut. Er lerne mit den anderen Kindern Deutsch. Die Behörde arbeite gut mit der Mutter, die man auch im Gefängnis besucht habe, und der Großmutter zusammen. Die Gefährdungsabklärung, die entscheiden soll, wo der Bub künftig wohnen soll, sei noch nicht abgeschlossen. 

Noch nicht abgeschlossen sind auch die Ermittlungen gegen Maria G. Wie die Salzburger Staatsanwaltschaft auf PULS 24 Anfrage mitteilte, gibt es in ihrem Fall noch keine Anklage und damit noch keinen Gerichtstermin. 

IS-Rückkehrerin: Sohn ohne Mutter in Wien untergebracht

Zusammenfassung
  • Evelyn T., die vor über zehn Jahren als Teenagerin zum IS nach Syrien reiste, steht ab Mittwoch in Österreich vor Gericht. Ihr wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, und sie wird sich schuldig bekennen.
  • Die mittlerweile 26-Jährige verbrachte acht Jahre im kurdischen Straflager Al-Roj, wo sie ihren Sohn zur Welt brachte. Dieser wird nun von der Wiener Kinder- und Jugendhilfe betreut.
  • Der Prozess könnte eine Herausforderung bei der Strafbemessung darstellen, da der Tatzeitraum zwischen 2015 und 2017 liegt und Evelyn T. damals jung und unbescholten war. Ihr drohen ein bis zehn Jahre Haft.