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Neun ungebetene Gäste: Russische OSZE-Delegation kommt im Linienflug nach Wien

Am Donnerstag und Freitag findet in Wien die Parlamentarische Wintertagung der OSZE statt. Allerdings unter scharfer Kritik. Österreich erteilte nämlich auch neun russischen Abgeordneten Visa. Die ukrainische Delegation wird dem Treffen daher fern bleiben.

Die Wiener Innenstadt könnte in den kommenden Tagen einen Ausnahmezustand erleben. In und um die Hofburg geht es heiß her. Ab Donnerstag tagt dort die Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die ein oder andere Eskorte mit dunklen Limousinen dürfte zu sichten sein, es wird erhöhte Sicherheitsvorkehrungen geben. Details wollte die Polizei nicht bekanntgeben - rund 40 Polizist:innen werden aber ständig vor Ort sein.

Besonders brisant: Auch die russische Delegation wird an dem Treffen teilnehmen. Neun Visa hat die österreichische Botschaft in Moskau ausgestellt, wie das Außenministerium gegenüber PULS 24 bekanntgab. Sechs davon für Personen, die sich auf Sanktionslisten der Europäischen Union befinden.

Anreise im Linienflugzeug

Als Teil der Delegation werden unter anderem der Leiter Pjotr Tolstoi, der Urenkel des Schriftstellers Leo Tolstoi, der als enger Vertrauter von Wladimir Putin gilt, und Rechtspopulist Leonid Sluzki, Leiter des Außenausschusses in der Duma, erwartet. Welche Delegierten genau kommen, wisse man noch nicht, teilte OSZE-Sprecherin Nat Parry gegenüber PULS 24 mit. Die russische Botschaft und die OSZE-Delegation antworteten auf entsprechende Anfragen nicht. Sie werden laut Außenministerium aber am Donnerstag per Linienflugzeug nach Wien kommen. Wohl nicht im Direktflug, die gibt es derzeit aus Moskau nicht. 

Das Treffen gilt als eines der brisantesten in der Geschichte der OSZE. Es fällt just auf den 24. Februar, den Jahrestag des russischen Überfalls. Das Thema lautet: "Ein Jahr später: Russlands anhaltender umfassender Krieg gegen die Ukraine". Doch die Ukraine selbst wird gar nicht teilnehmen. Der ukrainische Delegationsleiter Mykyta Poturajew befürchtet, dass die russische Delegation die Veranstaltung zur "Rechtfertigung der Aggression gegen die Ukraine" sowie zur "Schönfärberei von an Ukrainern verübten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit" verwenden werde.

Boykott von Ukraine und Litauen

Es werden daher nicht alle 323 Delegierten der 57 Mitgliedstaaten teilnehmen. Erwartet werden laut OSZE 250 Parlamentarier:innen aus 50 Ländern - mit Botschafter:innen und ihrem Personal werden es rund 500 Teilnehmer:innen sein.

Die ukrainischen Abgeordneten kommen nicht in die Hofburg, nach Wien aber schon. Ein formales Treffen der österreichischen Delegation mit den Ukrainern ist nicht geplant, teilte das österreichische Parlament mit. Es könne aber sein, dass sich einzelne Delegierte Termine ausgemacht hätten.

Litauen wird dem Treffen gänzlich fern bleiben. 81 Abgeordnete aus 20 Ländern hatten Anfang Februar Österreich aufgefordert, die Teilnahme der russischen Delegation an der OSZE-Tagung in Wien zu verhindern. Österreich sah sich aber dazu verpflichtet: Das Außenministerium sieht "eine klare völkerrechtliche Verpflichtung", da das OSZE-Amtssitzabkommen Österreich verpflichte,  dafür zu sorgen, dass Mitglieder von Delegationen von OSZE-Teilnehmerstaaten bei ihren Reisen zum und vom Amtssitz der OSZE nicht behindert werden. Auch die OSZE bestätigte das.

Im Außenministerium erwartet man sich dennoch "ein Treffen (...), bei dem die Versammlung geeint bei der Verurteilung der russischen Angriffs auf die Ukraine auftritt", wie man gegenüber PULS 24 mitteilte. 

Die Visa der russischen Delegation gelten genau für den 23. und 24. Februar und auch nur für den Zweck der Teilnahme an dem OSZE-Treffen. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte in den Raum gestellt, dass die Russen beim Akademikerball auftanzen könnten. Der Akademikerball und die Gegendemo legen die Innenstadt dann am Freitag lahm. Die Polizei verhängt eine Platzsperre um den Heldenplatz. Rund 1.200 Polizist:innen werden im Einsatz sein.

Russen versichern, nicht zum Ball zu gehen

Sollten die Russen zum Ball gehen, wäre das ein Völkerrechtsbruch und ein Verstoß gegen die Visabestimmungen. Das könne zur Aufforderung, den Staat zu verlassen, führen, erklärte Peter Hilpold, Professor für Völkerrecht an der Uni Innsbruck gegenüber PULS 24. Allerdings: Da es sich um Diplomaten handelt, darf dabei keine Zwangsgewalt - etwa durch die Polizei - angewendet werden. So ein Verfahren sei "relativ bürokratisch" und sei je nach Status eines Delegationsmitglieds unterschiedlich, so Hilpold. Es würde "aber auf jeden Fall zu diplomatischen Verstimmungen" kommen und auch die OSZE selbst müsste sich damit befassen.

Pjotr Tolstoi versicherte gegenüber der APA aber, dass ein Besuch der russischen Delegation aber nicht vorgesehen sei. Sie würden lediglich auf der Tagung arbeiten. "Andere Events, Bälle, Empfänge und so weiter planen wir nicht", sagte russische Delegationsleiter. Die Parlamentarierdelegation werde auch nicht an einer Zeremonie anlässlich des "Tags der Vaterlandsverteidiger" am Wiener Schwarzenbergplatz teilnehmen, versicherte ein Sprecher der russischen Botschaft. Die diplomatischen Vertretungen Russlands würden am 23. Februar jedoch für die Delegation einen Kranz vor dem Heldendenkmal der Roten Armee niederlegen, erläuterte er.

Journalist:innen sind bei der Veranstaltung in der Hofburg übrigens nicht zugelassen. "Diese Entscheidung wurde aus logistischen und sicherheitstechnischen Gründen getroffen", hieß es. Es werde aber eine Liveübertragung des Treffens auf YouTube und Facebook geben. 

Am Donnerstag werden Reden von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), sowie von der Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung, Margareta Cederfelt, dem amtierenden OSZE-Vorsitzenden, dem nordmazedonischen Außenminister Bujar Osmani sowie von OSZE-Generalsekretärin Helga Schmid erwartet. Bei der Debatte am Jahrestag des Kriegs am Freitag sollen die Sonderbeauftragte der Parlamentarischen Versammlung für Osteuropa, Daniela De Ridder, der OSZE-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Reinhold Lopatka (ÖVP), der Sonderbeauftragte für politische Gefangene, Steve Cohen, und der Sonderberichterstatter für Kriegsverbrechen in der Ukraine, John Whittingdale sprechen. Die Wiener Innenstadt erlebt diplomatisch heikle Tage.

ribbon Zusammenfassung
  • Am Donnerstag und Freitag findet in Wien die Parlamentarische Wintertagung der OSZE statt. Allerdings unter scharfer Kritik.
  • Österreich erteilte nämlich auch neun russischen Abgeordneten Visa. Die ukrainische Delegation wird dem Treffen daher fern bleiben.