Anschlagspläne gegen Pilz: Polizei schickte Informanten weg
Wie Veronika Ujvarosi und Daniel Mozga, die beiden Rechtsanwälte des Mannes, am Mittwoch im Gespräch mit der APA berichteten, sei ihr Mandant aufgrund des Corona-Lockdowns in der Polizeiinspektion am Grazer Hauptbahnhof nicht vorgelassen worden. Als er sein Anliegen vorbrachte, habe man ihm zu verstehen gegeben, die dafür zuständigen Behörden säßen in Wien. "Man hat nicht einmal seine Daten aufgenommen. Dabei wäre eine unverzügliche förmliche Zeugeneinvernahme geboten gewesen. Es hätte im Interesse der betroffenen Personen gelegen, hätten sie von dem, was er weiß, gleich Kenntnis erlangt", stellte Mozga fest.
Wie seine Anwälte erläuterten, sei der 53-Jährige - ein Geschäftsmann türkischer Herkunft mit italienischer Staatsbürgerschaft und Wohnsitz in Italien - ein "Whistleblower" und in keinster Weise in Anschlagspäne involviert gewesen: "Er hatte nie die Absicht oder den Vorsatz jemanden umzubringen oder zu verletzen. Dahin gehende Verdächtigungen sind haltlos. Es haben auch keine Vorbereitungshandlungen stattgefunden, an denen er beteiligt gewesen wäre. Es gab keine Vereinigung, es gab kein türkisches Netzwerk und er war nicht Teil davon."
Die kolportierten Anschlagspläne, von denen der 53-Jährige schon im Frühjahr erzählen wollte, richteten sich gegen die Ex-Politiker Peter Pilz, die Wiener Grüne Landtagsabgeordnete Berivan Aslan und den SPÖ-EU-Abgeordneten Andreas Schieder. Aufgrund des ihm entgegengebrachten Desinteresses ging der 53-Jährige nach Darstellung seiner Rechtsvertreter am 11. September direkt ins Innenministerium, wo man ihn ebenfalls nicht einließ, sondern ihm die Telefonnummer des Wiener Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) in die Hand drückte. Das suchte er am darauf folgenden Werktag, den 14. September auf, wurde aber erst am 15. vernommen - als Zeuge. Erst im weiteren Verlauf keimte der Verdacht auf, der angebliche Ex-Agent könnte selbst etwas mit der Sache zu tun haben, worauf er als Beschuldigter geführt und in U-Haft genommen wurde.
Die Sprecherin der Wiener Staatsanwaltschaft, Nina Bussek, bestätigte der APA, dass gegen den Mann Ermittlungen wegen militärischen Nachrichtendiensts für einen fremden Staat (§ 319 StGB ) laufen. Auf die Frage, wann mit der Erledigung und einer allfälligen Anklage zu rechnen sei, meinte Bussek, es werde "nicht mehr Monate dauern". Zum Inhaltlichen erteilte die Behördensprecherin keine Auskunft, die Causa wird dem Vernehmen nach als Verschlussakt geführt.
Für die Rechtsvertreter des 53-Jährigen ist es nicht verständlich, dass dieser weiter inhaftiert bleibt. Das ihm angelastete Delikt ist mit höchstens zwei Jahren Haft bedroht, der Mann ist bisher unbescholten, da sei die anhaltende U-Haft nicht mehr verhältnismäßig. "Die Enthaftung - jedenfalls gegen gelindere Mittel - wäre längst fällig", meinte Ujvarosi. Der 53-Jährige habe eine Wohnmöglichkeit in Wien, "wir hätten ihm auch eine fixe Anstellung mit einem regelmäßigen Einkommen besorgen können", sagte die Anwältin. Gegen die Erstreckung der U-Haft wollen Ujvarosi und Mozga Haftbeschwerde einlegen.
Wie Gerichtssprecherin Christina Salzborn auf APA-Anfrage erklärte, wurde die U-Haft wegen Fluchtgefahr verlängert. Zugleich wurde aber eine Kaution von 8.000 Euro festgesetzt. Sollte der 53-Jährige die Summe aufbringen, könnten sich die Gefängnistore für ihn nach Hinterlegung des Betrags - allenfalls unter Verknüpfung weiterer Auflagen wie Abgabe seines Reisepasses - zeitnahe öffnen.
Zusammenfassung
- Mitte September ist ein angeblicher türkischer Ex-Agent in Wien festgenommen worden, nachdem er von Anschlagsplänen gegen mehrere Politiker - u.a. Peter Pilz - berichtet hatte.
- Seither sitzt der 53-Jährige in U-Haft, die am Mittwoch vom Wiener Landesgericht verlängert wurde.
- "Die Enthaftung - jedenfalls gegen gelindere Mittel - wäre längst fällig", meinte Ujvarosi.
- Gegen die Erstreckung der U-Haft wollen Ujvarosi und Mozga Haftbeschwerde einlegen.