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Schau im Museum Judenplatz über Dimensionen der Angst

Inmitten von Farbflecken sind schemenhaft drei Gestalten mit dunklen Augenhöhlen erkennbar. Verschwimmende Farben suggerieren, dass sich die Figuren bald aufgelöst haben. Henrich Sussmanns Bild "Gaskammer" verdeutlicht ergreifend das Thema der Ausstellung "Angst" (ab 6.11.) im Museum Judenplatz in Wien. Viele der Objekte verhandeln jüdische Ängste, aber die Schau blickt generell auf historische und gegenwärtige Dimensionen des Gefühls.

"Angst ist ein universelles Thema, jeder von uns kann Experte sein", betonte Kuratorin Andrea Winklbauer bei einem Pressetermin am Dienstag. "Wir haben uns für eine Ausstellung über ein Gefühl entschieden", ergänzte Barbara Staudinger, Direktorin des Jüdischen Museums. "Ausstellungen zu Gefühlen zu machen, ist besonders schwierig. Und meistens findet man die Antworten in der Kunst." Es sind mannigfaltige Abhandlungen der Materie zu sehen: Gemälde, Gegenstände, Videos, Fotos und Piktogramme.

Betritt man den ersten Raum fällt der Blick auf das große Ölbild "Der Ausbruch des Vesuvs über den Golf von Neapel gesehen", um 1780 von Michael Wutky gefertigt. Das Zeitalter der Aufklärung ermöglichte einen ästhetischen Blick auf Schrecken, viele Ängste wurden durch wissenschaftliche Erklärungen genommen. "Eingerahmt" hat Winklbauer das Gemälde durch zwei Objekte, die "eine gänzlich andere Denkweise widerspiegeln", wie sie erklärte: Zum einen mit einem Video, in dem Leonard Cohen einen Song singt, in dem er Teile aus einem Gebet übernommen hat. Gott bestimmt, "wie viele dahinscheiden", heißt es darin. Zum anderen mit Amuletten gegen Ängste.

Beeindruckend auch eine Gegenüberstellung im zweiten Raum. An einer Wand steht eine Tür zu einer "Sammelwohnung" während der Nazi-Zeit für Jüdinnen und Juden in der Leopoldstadt. Sie weist Einbruchsspuren auf. Ob der Versuch gelungen ist, weiß man nicht, aber die Angst der Menschen dahinter lässt sich nachvollziehen. Vis-a-vis hängt ein aktuelles Foto eines Details einer Tür mit Einschusslöchern. Es macht die Angst vor den Terroristen der Hamas beim Anschlag vom 7. Oktober 2023 fühlbar (soweit überhaupt möglich), ohne Tote zu zeigen.

Eines der Kernstücke der Schau ist das Gemälde "Angst" von Felix Nussbaum, Maler jüdischer Abstammung, das ihn und seine Nichte 1941 zeigt. Die Gesichter auf dem düsteren, in dunklen Farben gehaltenen Bild vermitteln die Angst vor der Deportation. Im Juni 1944 wurden sie denunziert, aus ihrem Versteck geholt und schließlich in Vernichtungslager gebracht und ermordet.

"Erziehung durch Angst", "Angst vor der Zukunft", "Angst als soziale Dynamik" - einige weitere Facetten des Gefühls, das die Ausstellung abhandelt. Aktueller könnte die Schau nicht sein, haben Pandemie, Krieg, Terror und antisemitische Übergriffe doch Ängste wieder aufleben lassen, die viele bereits für überholt hielten.

(S E R V I C E - "Angst - Fear" im Museum Judenplatz / Jüdisches Museum Wien, Judenplatz 8, 1010 Wien, 6.11.24-27.4.24, SO-DO 10 bis 18 Uhr, FR 10-14 Uhr bzw. bis 17 Uhr in der Sommerzeit)

ribbon Zusammenfassung
  • Die Ausstellung 'Angst' im Museum Judenplatz in Wien beleuchtet ab dem 6. November 2024 historische und gegenwärtige Dimensionen der Angst mit Werken wie Henrich Sussmanns 'Gaskammer'.
  • Kuratorin Andrea Winklbauer und Direktorin Barbara Staudinger betonen die universelle Relevanz des Themas, das in Gemälden, Videos und Piktogrammen dargestellt wird.
  • Felix Nussbaums Gemälde 'Angst' ist ein zentrales Werk der Schau, die bis zum 27. April 2024 läuft und sich auch aktuellen Themen wie Pandemie und Terror widmet.