Harte (Ausstellungs-)Kost im Foto Arsenal Wien
"On Abortion" ist das erste eines auf drei Kapitel angelegten Langzeitprojekts "A History of Misogyny" (Eine Geschichte der Frauenfeindlichkeit) der Spanierin und die Präsentation in der Bundeshauptstadt gewissermaßen eine Rückkehr zum Anfang, wie Foto-Arsenal-Chef und Kurator Felix Hoffmann bei einer Presseführung am Donnerstag sagte. Denn Abril, Jahrgang 1988, habe 2016 schließlich im Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch im 15. Bezirk mit ihrer Arbeit begonnen.
Dort hat sie historische Verhütungsmittel wie ein Fischblasenkondom und Medizininstrumente fotografiert. "Es ist nicht nur eine Foto-, sondern auch eine Recherchearbeit", betonte Hoffmann. Dass archaisch anmutende Methoden zur Abtreibung leider noch heute praktiziert werden, zeigt das letzte Bild dieser Serie im ersten Raum. Darauf sind Äste und lange Dornen zu sehen. "Sie fanden sich im Uterus einer Frau aus Uganda im Jahr 2002. Als ich das gesehen habe, war ich geschockt", berichtete Abril. Es sei erschütternd, dass immer noch 47.000 Frauen pro Jahr sterben, weil sie keinen Zugang zu legaler Abtreibung haben. Aufzuzeigen, dass das Recht auf Schwangerschaftsabbruch überall ständig fragil und in Gefahr sei - man brauche nur auf die jüngsten Entwicklungen in den USA zu schauen - und welche Konsequenzen das mit sich bringt, sei das Ziel ihrer Arbeit, so die Künstlerin.
In Bildergeschichten porträtiert Abril Frauen, die unter Lebensgefahr heimlich abgetrieben haben, gibt ihnen eine Stimme und dokumentiert so, mit welchen rechtlichen und gesellschaftlichen Restriktionen ungewollt schwangere Frauen weltweit konfrontiert sind - von Stigmatisierung bis zu jahrelangen Gefängnisstrafen -, und zu welchen brutalen Mitteln sie in der Verzweiflung greifen (müssen). Ein fotografierter Drahtkleiderbügel, giftigen Pflanzen, Waschmittelpackungen oder eine mit brühend heißem Wasser gefüllte Badewanne lassen einen das Grauen einigermaßen spüren.
Aufwühlend ist "On Abortion" nicht zuletzt deshalb, weil vieles, was aktuell geschieht, nach lang zurückliegender Vergangenheit anmutet. So zeigt die Ausstellung auch Hetzplakate einer Anti-Abtreibungsbewegung in den USA, auf denen Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche durchführen, mit vollem Namen genannt und abgebildet werden. Darüber steht "Wanted". "Es fühlt sich nach 80er-Jahre an, aber das passiert immer noch", beklagte Abril.
Etwas mehr geschont wird man in der kleineren der beiden Ausstellungen. In "Play and Punish" setzt sich Karolina Wojtas, Jahrgang 1996, mit Regeln und Rigiditäten des Schulsystems auseinander. In einer teils spielplatzartigen Inszenierung und einer Mischung aus Bilderserien und Installationen bewegt sich die Künstlerin mit ihren Motiven - ein mit Klebeband fixierter Stift in einer Kinderhand, ein selbst gebastelter Käfig als Kopfschmuck oder spitze Reißnägel auf einem Klassensessel - immer wieder an der Grenze zwischen Spaß und Brutalität. Fotos und Videos von Wettbewerben bis zu Choreografien in Turnsälen verweisen auf fast anmutende Schulalltagssituationen.
Heiter wird man auch aus dieser Schau nicht gehen. Denn an einer Wand hängen 127 leere Schulzeugnisse. Sie symbolisieren die Zahl der 2021 von Menschen unter 18 Jahren verübten Suizide in Wojtas Heimatland Polen. Selbstmordversuche gab es im selben Jahr 1.496.
(S E R V I C E - "Laia Abril - On Abortion" und "Karolina Wojtas - Play and Punish" im Foto Arsenal Wien im Museumsquartier, ab Freitag und bis 10. März 2024. www.fotoarsenalwien.at)
Zusammenfassung
- Mit einer Doppelausstellung zeigt das Foto Arsenal Wien erstmals in Österreich die Künstlerinnen Laia Abril und Karolina Wojtas - und bringt damit das Publikum nicht unbedingt in Vorweihnachtsstimmung.
- Denn an einer Wand hängen 127 leere Schulzeugnisse.
- (S E R V I C E - "Laia Abril - On Abortion" und "Karolina Wojtas - Play and Punish" im Foto Arsenal Wien im Museumsquartier, ab Freitag und bis 10. März 2024. www.fotoarsenalwien.at)