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Gelungenes Doppel: "Egal"/"Ellen Babić" im Akademietheater

16. Feb. 2025 · Lesedauer 4 min

Welche Dynamik entsteht in einer Ehe, wenn einer auf Kosten des anderen Karriere macht? Und wie stabil bleibt eine Paarbeziehung, wenn plötzlich sexueller Missbrauch im Raum steht? Diesen Fragen und den Zwischentönen der möglichen Antworten widmet sich Marius von Mayenburg in seinen Stücken "Egal" und "Ellen Babić", die Burgtheater-Chefdramaturg Thomas Jonigk nun am Akademietheater in Szene gesetzt hat. Die kurzweilige Doppelpremiere wurde am Samstagabend heftig akklamiert.

Es kommt nicht von ungefähr, dass Jonigk die beiden 2022 und 2023 in Reykjavik uraufgeführten Texte zusammenspannt, analysiert der deutsche Autor doch penibel die Untiefen langjähriger Beziehungen. Im schlichten Bühnenbild von Lisa Däßler, das beide Male als schmuckloses Wohnzimmer mit einem Requisiten ausspuckenden Kühlschrank dient, treffen zunächst die Ingenieurin Simone und ihr Ehemann Erik aufeinander. Während der nicht ganz so ausgelastete Übersetzer die Kinder hütet und den Haushalt schmeißt, macht Simone Karriere. Doch dann ist es ausgerechnet ein Mitbringsel von einer Dienstreise, an dem sich ein Streit entfacht, der das gelebte Modell ins Wanken bringt. Denn "Egal" kommt hier weniger von "wurscht" als von Egalität - oder dem, was sich beide ursprünglich darunter vorgestellt hatten.

Burgtheater-Rückkehrerin Caroline Peters und Michael Wächter schenken einander als der "Avantgarde" verpflichtetes Paar im besten Wortsinn nichts. Denn so cool, wie der Hausmann sich gern geben würde, ist er eigentlich nicht. Vor allem nicht, wenn die ganze Woche mit den Kindern die Hölle los war, während seine Frau mit ihrem Chef in Italien zumindest nach Dienstschluss dem Dolce Vita frönt. Klopfen sie ihre Lebensrealitäten und (verpassten) Chancen zunächst noch vorsichtig ab, gerät das Modell bald in Schieflage. Das Läuten des Handys zu später Stunde bringt schließlich einen harten Bruch - die Rollen werden getauscht. Dann kommt der erfolgreiche Erik mit einem Geschenk von der Dienstreise nach Hause und hat so gar keine Ohren für die Leiden der Übersetzerin, deren Autor sich gerade das Leben - und ihr die Lebensgrundlage - genommen hat.

Immer schneller dreht sich das Beziehungskarussell, die gespielten Varianten wechseln mit der Geschlechterverteilung. Die Sätze bleiben ähnlich: "Wie schaust du?" - "Ich schau überhaupt nicht." Als dann auch noch ein lukratives Jobangebot ins Spiel kommt und es darum geht, alle Zelte abzubrechen und dem erfolgreichen Partner - beziehungsweise der Partnerin - ins Ausland zu folgen, fällt das egalitäre Konstrukt endgültig in sich zusammen. Die Lust, mit der Peters und Wächter die Untiefen der Geschlechterrollen ausloten, wird im Publikum mit viel Gelächter und wissendem Kichern quittiert. Und die Hauptfrage - was verbirgt sich hinter dem Geschenkpapier - wird nach vergnüglichen 90 Minuten beantwortet.

Lyssewski und Riegner als ungleiches Liebespaar

Weniger zum Lachen ist dann der zweite Teil des Abends: In "Ellen Babić" gibt von Mayenburg Einblicke in die Beziehung von Astrid und Klara. Die Lehrerin und ihre ehemalige Schülerin führen seit mehr als einem Jahrzehnt eine glückliche Beziehung, bis eines Abends der Schuldirektor vor der Türe steht. Plötzlich soll sich Klara (aufmüpfig im hellblauen Overall: Maresi Riegner) besser im Schlafzimmer verstecken, während Jörg Ratjen als Direktor seine Mitarbeiterin Astrid (Dörte Lyssewski) mit einem Vorwurf konfrontiert. Auf einer Klassenfahrt soll es zu einem Zwischenfall mit der Schülerin Ellen gekommen sein. Als Klara dazustößt, vermeint Wolfram, der die ehemalige Schülerin erkennt, ein Missbrauchsmuster zu erkennen. Was folgt, ist ein schmerzvolles Schlaglicht auf Homophobie, gekränkte Männlichkeit und die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Vorwürfe.

Nicht nur die Liebesbeziehung der beiden ungleichen Frauen wird auf die Probe gestellt, sondern auch die Integrität der Lehrerin. Lyssewski begeistert als zwischen Lust und Scham hin- und hergerissene Lehrerin, die das perfide Spiel ihres Vorgesetzten aufzudecken versucht. Ratjen gibt einen verklemmten Schuldirektor, der mehr im Schilde führt, als er zugeben möchte. Am Ende liegt es an der jungen Klara, sich für eine der angebotenen Wahrheiten zu entscheiden. Von Mayenburg ist hier ein eindringliches Kammerspiel rund um Vorurteile und Machtmissbrauch gelungen, das Jonigk doppelbödig in Szene setzt. Nach knapp zwei Stunden muss der Zuschauer selbst entscheiden, wer die Wahrheit sagt. Lang anhaltender Applaus für beide Inszenierungen beendete die Doppelpremiere. Künftig sind beide Stücke auch getrennt voneinander zu erleben.

(Von Sonja Harter/APA)

(S E R V I C E - "Egal" und "Ellen Babić" von Marius von Mayenburg im Akademietheater. Mit Caroline Peters und Michael Wächter ("Egal") sowie Dörte Lyssewski, Maresi Riegner und Jörg Ratjen ("Ellen Babić"). Regie: Thomas Jonigk, Bühne: Lisa Däßler, Kostüme: Esther Geremus. Weitere Termine "Egal": 24. Februar, 6. und 26. März, "Ellen Babić" am 22. Februar, 8. und 21. März. www.burgtheater.at)

Zusammenfassung
  • Die Doppelpremiere der Stücke 'Egal' und 'Ellen Babić' von Marius von Mayenburg wurde am Samstagabend im Akademietheater mit großem Applaus gefeiert.
  • In 'Egal' untersucht Mayenburg die Dynamik einer Ehe, in der die Karriere der Frau und die Rolle des Mannes als Hausmann zu Konflikten führen.
  • Das Stück 'Ellen Babić' thematisiert die Beziehung zwischen einer Lehrerin und ihrer ehemaligen Schülerin, die durch Missbrauchsvorwürfe belastet wird.
  • Caroline Peters und Michael Wächter glänzen in 'Egal', während Dörte Lyssewski und Maresi Riegner in 'Ellen Babić' überzeugen.
  • Die Stücke werden zukünftig auch getrennt aufgeführt, mit Terminen im Februar und März.