APA/APA/ImPulsTanz/Anne Van Aerschot

Ein getanzter Rosenkranz beim Wiener ImPulsTanz

Am Anfang stand ein Fehlalarm, ausgelöst vom überbordenden Bühnennebel, der den ohnedies langen Abend um eine weitere halbe Stunde verlängerte. Letztlich jedoch ein passend kontemplativer Beginn für das neue Monumentwerk der legendären Anne Teresa De Keersmaeker, das diese am Dienstag im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals im Wiener Volkstheater vorstellte. Mit "Mystery Sonatas" umkreist sie ein erratisches frühbarockes Werk in zahllosen Umlaufbahnen.

De Keersmaeker ist wohl jene Weltchoreografin, die der Musik den größten Respekt entgegenbringt. Legendär sind ihre Bach-Bearbeitungen. Für "Mystery Sonatas", im Februar in Brügge uraufgeführt, lässt sie sich nun von den heute unbekannten 15 Rosenkranzsonaten des zu seiner Zeit legendären Heinrich Ignaz Franz Biber inspirieren. Ein ursprünglich religiöses Werk der Marienverehrung, das hier auf seinen transzendenten Gehalt kondensiert wird. Und wieder würdigt De Keersmaeker die Musik als gleichberechtigten Partner und verzichtet auf Zuspielung via Band, sondern lässt die hochkomplexen Biber-Klänge samt bewusst "verstimmter" Geige von der französischen Violinistin Amandine Beyer und ihrem Ensemble Gli Incogniti live auf der Bühne spielen.

Die Tänzerinnen und Tänzer von De Keersmaekers Compagnie Rosas halten diese Augenhöhe und erstarren während des wiederholt notwendigen Stimmens der Originalklanginstrumente zu Tableaux vivants. Und doch sind die Arbeiten der belgischen Choreografin stets weit mehr als nur eine Dynamisierung der Musik. Auch in "Mystery Sonatas" schafft De Keersmaeker Räume lediglich aus Licht und Körpern. In den ruhigen Phasen türmen sich Lichtgebirge wie Eispfeile im Dunkel auf, während im nächsten Satz in der Bewegung die nackte Bühne als Kosmos der Tanzenden dient.

De Keersmaeker kombiniert hierbei Versatzstücke des Laufstegs mit dem für sie charakteristischen Ausmessen des gesamten Bühnenraumes im Laufschritt, sie setzt auf Signature Moves wie den gleich einem tänzelnden Pferd nach hinten ausschlagenden Bein und konzipiert Soli in der jeweiligen Charakteristik der Akteure, wobei sich auch "Mystery Sonatas" durch eine Diversität der Körper auszeichnet. In der Gruppe agiert stets der Einzelne in seiner Laufbahn, um sich dann doch immer wieder im Vorübergehen dem anderen anzuschließen, bevor man sich alsbald wieder löst. Gleichsam ein Sinnbild für das Leben und doch gänzlich ohne Narration.

Am Ende umkreisen die Tänzerinnen und Tänzer einander wie Planeten auf der Umlaufbahn, aus der sie dann eine nach dem anderen entschwinden und die Bühne verlassen. Das Einzige, das in diesem Keersmaeker-Kosmos wie stets keinen Platz findet, ist der Humor. Bis auf einen kurzen Moment. Mit einem Male bricht Lynn Andersons Countryschlager "Rose Garden" in die kontemplative Welt ein und evoziert eine andere Deutung von Rose. Und das mit Augenzwinkern. Geht doch!

(S E R V I C E - "Mystery Sonatas / for Rosa" im Rahmen des ImPulsTanz im Volkstheater, Arthur-Schnitzler-Platz 1, 1070 Wien. Choreografie der Rosas: Anne Teresa De Keersmaeker. Musikalische Leitung der Gli Incogniti: Amandine Beyer. Kostüme: Fauve Ryckebusch. Weitere Aufführungen am 13., 14. und 15. Juli. www.impulstanz.com/performances/pid1450/)

ribbon Zusammenfassung
  • Letztlich jedoch ein passend kontemplativer Beginn für das neue Monumentwerk der legendären Anne Teresa De Keersmaeker, das diese am Dienstag im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals im Wiener Volkstheater vorstellte.
  • Mit "Mystery Sonatas" umkreist sie ein erratisches frühbarockes Werk in zahllosen Umlaufbahnen.
  • Und doch sind die Arbeiten der belgischen Choreografin stets weit mehr als nur eine Dynamisierung der Musik.