Regierende Liberale gewannen Parlamentswahl in Kanada
Die Konservativen erhielten demnach 41,7 Prozent der Stimmen. Wegen der Zeitverschiebung innerhalb Kanadas schlossen die Wahllokale zu verschiedenen Uhrzeiten. Die Stimmen wurden zwar noch immer ausgezählt, die Liberalen lagen mit 164 Wahlbezirken, in denen sie gewonnen haben oder in Führung lagen, vorne. Auf die Konservativen von Poilievre entfielen dementsprechend 147 Bezirke. Für eine eigene Mehrheit sind 172 der insgesamt 343 Sitze im Parlament notwendig.
Carney sagte in seiner Siegesrede in der Hauptstadt Ottawa: "Lasst uns der Spaltung und dem Ärger der Vergangenheit ein Ende setzen. Wir sind alle Kanadier, und meine Regierung wird für und mit allen arbeiten." Gemeinsam werde man ein Kanada aufbauen, das seiner Werte würdig sei. "Kanada stark, Kanada frei, Kanada für immer." Poilievre sagte, seine unterlegene Konservative Partei werde in der Opposition "ihren Job machen und die Regierung zur Verantwortung ziehen".
Der kanadische Wahlkampf wurde vom Zollstreit überlagert, den US-Präsident Donald Trump angezettelt hatte, und von Trumps Drohungen, Kanada zum 51. Bundesstaat der USA zu machen. Am Montag hatte Trump in den Sozialen Medien noch einmal seine Annexionspläne für Kanada bekräftigt. "Viel Glück dem großartigen Volk Kanadas. Wählt den Mann, der die Kraft und Weisheit besitzt, eure Steuern zu halbieren, eure Militärmacht kostenlos auf das höchste Niveau der Welt zu steigern und eure Auto-, Stahl-, Aluminium-, Holz-, Energie- und alle anderen Industriezweige zu vervierfachen, ohne Zölle oder Steuern, wenn Kanada der begehrte 51. Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Amerika wird. Schluss mit der künstlich gezogenen Grenze von vor vielen Jahren", schrieb er.
Dies hat in Kanada eine Welle des Patriotismus ausgelöst. Profitiert haben davon Carneys Liberale und sein im Jänner zurückgetretener Amtsvorgänger Justin Trudeau, die sich vehement gegen das Vorgehen der USA stemmen. Zum Zeitpunkt der Amtsübergabe von Trudeau auf Carney hatten Umfragen den Liberalen noch eine Niederlage bei der nächsten Wahl vorausgesagt.
Carney hatte im Wahlkampf betont, er sei aufgrund seiner Erfahrung im Umgang mit Wirtschaftsfragen am besten qualifiziert, mit Trump umzugehen. Poilievre hatte vor allem die Sorgen der Wähler über die Lebenshaltungskosten, die Kriminalität und die Wohnungskrise angesprochen.
Liberale gewannen vier Mal in Folge
Es ist die vierte Parlamentswahl in Folge, die die kanadischen Liberalen für sich entscheiden können, was in der Geschichte des G7-Landes sehr ungewöhnlich ist. Rund 29 Millionen Menschen waren im nördlichen Nachbarstaat der USA und flächenmäßig zweitgrößten Land der Erde mit sechs Zeitzonen zur Wahl aufgerufen. Die Abgeordneten werden per Direktwahl bestimmt.
Der 60-Jährige Carney bringt nationale und internationale Krisenerfahrung mit. Während der Finanzkrise leitete der aus Alberta stammende Politiker ab 2008 die kanadische Zentralbank. Zwischen 2013 und 2020 war Carney während der turbulenten Brexit-Phase Zentralbankchef in Großbritannien, anschließend bis Jänner dieses Jahres UNO-Sondergesandter für Klimaschutz. Er plädiert für eine engere Zusammenarbeit mit Europa und Asien, um die Handelsabhängigkeit von den USA zu verringern. Umfragen zufolge trauen die meisten Kanadier Carney am ehesten zu, Trump die Stirn zu bieten.
Der politische Stil des konservativen Spitzenkandidaten Poilievre trägt dagegen klare Trump-Anleihen. So sprach der 45-Jährige, der für niedrige Steuern und Kürzungen bei Staatsausgaben steht, ebenfalls von Fake News, einer woken Ideologie linksradikaler Kräfte und versprach, Kanada immer an erste Stelle setzen zu wollen - "Canada First". Das kam lange gut an - doch dann kam Trump.
Wahl auch unter dem Eindruck von tödlicher Autofahrt in Vancouver
Weitere zentrale Wahlkampfthemen waren der starke Anstieg der Lebenshaltungskosten, steigende Mieten, der Zugang zu bezahlbarem Wohneigentum sowie Gesundheitsfürsorge und Migration.
Die Wahl fand zudem auch unter dem Eindruck eines tragischen Vorfalls in der Westküstenmetropole Vancouver am Wochenende statt: Bei einem Straßenfest der philippinischen Gemeinde fuhr ein Mann mit einem Auto in eine Menschenmenge und tötete mindestens elf Menschen. Ein verdächtiger 30-Jähriger wurde festgenommen. Die Polizei zeigte sich überzeugt, dass es sich nicht um einen Terrorakt handle.
Zusammenfassung
- Die regierenden Liberalen unter Ministerpräsident Mark Carney gewannen die kanadische Parlamentswahl mit 43,2 Prozent der Stimmen, während die Konservativen 41,7 Prozent erhielten.
- Carneys Siegesrede betonte die Einheit und Zusammenarbeit in Kanada, während der konservative Oppositionsführer Pierre Poilievre die Niederlage eingestand.
- US-Präsident Donald Trumps Drohungen, Kanada zum 51. Bundesstaat zu machen, lösten eine patriotische Welle aus, die den Liberalen in der Wahl zugutekam.