APA/APA / Verlage/Wolfgang Huber-Lang

Autorinnen der Zwischenkriegszeit werden wiederentdeckt

Gina Kaus, Hermynia zur Mühlen, Maria Lazar, Mela Hartwig, Anna Gmeyner, Marta Karlweis - lauter Namen, die erst in den vergangenen Jahren wieder einen Klang bekommen haben. Sie waren in den 20er- und 30er-Jahren erfolgreiche und anerkannte österreichische Schriftstellerinnen, die vor den Nazis ins Exil fliehen mussten, mit Publikationsverbot belegt wurden und nach dem Krieg in Vergessenheit gerieten. Ihre Wiederentdeckung setzt sich mit zwei jüngst erschienenen Büchern fort.

Texte von gleich 17 Autorinnen haben die Kulturwissenschafterinnen und Kuratorinnen Katharina Manojlovic und Kerstin Putz für ein Lesebuch in der von Bernhard Fetz herausgegebenen Reihe "Österreichs Eigensinn" zusammengetragen. "Sie präsentieren weibliche Lebens- und Arbeitswelten, reflektieren zeitgenössische Körperbilder und Geschlechterdiskurse, stellen Frauen als handelnde und in ihr 'Weiberschicksal' eingreifende Protagonistinnen in den Mittelpunkt und bieten ihren Leser/innen damit auch Vor-Bilder, Identifikationsfiguren und Orientierungspunkte an", schreiben sie in ihrem lesenswerten Nachwort, in dem sie weibliche Lebenswelten jener Nachkriegsjahre beschreiben, die aus heutiger Sicht eine Zwischenkriegszeit genannt werden muss.

"Versammelt finden sich Romanauszüge, Erzählungen und Kurzprosa ebenso wie Zeitschriftenartikel, Feuilletonbeiträge und aus größeren Zusammenhängen stammende Reportagen", heißt es über den Band, dessen Titel "Mein Leben sieht genauso aus wie ich" ein Zitat aus Mela Hartwigs Erzählung "Aufzeichnungen einer Häßlichen" ist. Die Protagonistin, eine Krankenpflegerin, ringt mit ihrem Leben zwischen Eigen- und Fremdanspruch, zwischen Selbstbestimmung und "Weiberschicksal" - ein ganz typisches Motiv dieser Zeit. Pointiert und humoristisch verarbeitete dagegen Vicki Baum diese Zerrissenheit, sozialkritisch etwa Veza Canetti und Alice Schalek, die als Kriegsberichterstatterin von Karl Kraus so aufs Korn genommen wurde und von der eine 1931 in der "Neuen Freien Presse" erschienene Reportage über emanzipierte und eigenständige amerikanische "Berufsfrauen" abgedruckt ist.

Es geht um Sekretärinnen und Telefonistinnen, um ausgebeutete Haushaltshilfen oder - bei Marta Karlweis (1889-1965) - um eine selbstbewusste Schneiderin, die den Kundinnen nicht nur wegen ihrer Geschäftigkeit, sondern wegen ihrer Weiblichkeit unsympathisch ist. Der Auszug stammt aus dem 1931 erschienenen Roman "Schwindel", der 2017 im Verlag Das vergessene Buch wieder aufgelegt wurde.

Dort ist nun, als vierter Band der von Verleger Albert C. Eibl und Germanist Johann Sonnleitner betriebenen Karlweis-Renaissance, zusammen mit zwei späteren Novellen ihre Erzählung "Der Zauberlehrling" erschienen. In diesem 1912 in den "Süddeutschen Monatsheften" in Fortsetzungen erschienenen literarischen Debüt ist man noch mitten in der Welt eines Hofmannsthal oder eines Schnitzler. Es ist das Wien des Fin de Siecle, der Theater- und Kaffeehausbesuche, der süßen Mädl, der soignierten älteren Herren und der ungestümen Künstler. Es ist eine Gesellschaft im Aufbruch, die noch wenig von der nahen Katastrophe ahnt, jedoch weiß, dass bald nichts mehr so sein wird, wie es war.

Diese Hellsicht, die in vielen Figuren durchscheint, macht den "Zauberlehrling" außergewöhnlich. Vordergründig geht es um eine Drei- bis Vierecksgeschichte zwischen dem jungen dichtenden Juristen Georg Hübner, den beiden Steinbach-Schwestern Katharina und Elisabeth und dem dämonischen notorischen Frauenverführer Doktor von Karinski. Stilistisch ist das mit heißem Blut geschrieben, voll glühender Leidenschaft und aufbrausenden Emotionen, manchmal schwülstig bis an den Rand der Erträglichkeit. Formal mündet der Konflikt in ein von Hübner öffentlich bei einem Tanzabend zum Besten gegebenes Schauer-Märchen, das tiefe Anleihen in der Romantik nimmt und bei den Zuhörern wie der Angebeteten Bestürzung auslöst.

Was der späteren Psychiaterin, die in ihrer Ehe mit dem Schriftsteller Jakob Wassermann die Nachwehen eines von dessen erster Frau angezettelten bitteren Scheidungskriegs erleiden musste, glänzend gelingt, ist die Einordnung ihrer Hauptfigur Georg zwischen zwei bürgerlichen Onkeln als Repräsentanten eines morsch gewordenen Gesellschaftssystems und einer nachdrängenden, unbeschwerten Jugend. Georg fühlt sich verloren zwischen diesen beiden Polen. Die Vätergeneration ist erstarrt und erkaltet, die jungen Leute sind frei von den Lasten der Traditionen und des Gewissens. Sie sind Vorboten einer neuen, nicht mehr allzu fernen Zeit. Dass sie nicht nur Gutes bringen wird, diese Vorahnung durchzieht das Buch und blickt auf diese Weise nicht nur Richtung Ende der Monarchie, sondern auch weit darüber hinaus.

(S E R V I C E - Marta Karlweis: "Der Zauberlehrling", Verlag Das vergessene Buch, 270 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-903244-02-3. Katharina Manojlovic / Kerstin Putz (Hrsg.): "Mein Leben sieht genauso aus wie ich. Österreichische Autorinnen der Zwischenkriegszeit", Jung und Jung, 340 Seiten, 25 Euro, ISBN 978-3-99027-016-5)

ribbon Zusammenfassung
  • Ihre Wiederentdeckung setzt sich mit zwei jüngst erschienenen Büchern fort.
  • Texte von gleich 17 Autorinnen haben die Kulturwissenschafterinnen und Kuratorinnen Katharina Manojlovic und Kerstin Putz für ein Lesebuch in der von Bernhard Fetz herausgegebenen Reihe "Österreichs Eigensinn" zusammengetragen.
  • Der Auszug stammt aus dem 1931 erschienenen Roman "Schwindel", der 2017 im Verlag Das vergessene Buch wieder aufgelegt wurde.