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COP27: NGOs fordern mehr Bewegung der Industrieländer

Zum Abschluss der ersten Verhandlungswoche bei der UN-Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh haben Hilfsorganisationen von den Industrieländern mehr Bewegung bei den Knackpunkten Anhebung der Klimaschutzziele und Hilfen bei Klimaschäden gefordert.

Die Industriestaaten müssten "ihren Widerstand gegenüber neuen und zusätzlichen Finanzinstrumenten" für die Bewältigung klimabedingter Verluste und Schäden bei der COP27 aufgeben, erklärte Sven Harmeling von der Hilfsorganisation Care.

"Loss and Damage" spielt zentrale Rolle

Harmeling hob hervor, das unter dem Stichwort "Loss und Damage" diskutierte Thema habe in der ersten Verhandlungswoche "zurecht eine zentrale Rolle" gespielt. Es sei ein "wichtiger erster Schritt" gewesen, dass Finanzhilfen bei klimabedingten Schäden gleich zu Beginn erstmals als eigener Punkt auf der Verhandlungsagenda der UN-Konferenz verankert wurden. Dies sei auch möglich geworden, weil sich die EU bewegt habe, sagte der Care-Experte.

Die Industriestaaten unterstützen die Entwicklungsländer finanziell bei Maßnahmen zum Schutz des Klimas und für die Anpassung an die Folgen der Erderhitzung. Bei den UN-Verhandlungen ist es bisher aber nicht gelungen, auch für bereits entstehende klimabedingte Schäden und Verluste einen Finanzierungsmechanismus für die ärmeren Länder einzurichten.

Klimaschäden: Klimaexpertin kritisiert USA

Harmeling erklärte, Initiativen könnten nur eine Ergänzung sein, innerhalb des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) müsste eine eigene Finanzierungsstruktur für Klimaschäden geschaffen werden.

Die Klimaexpertin von Brot für die Welt, Sabine Minninger, kritisierte die Rolle der USA in den Verhandlungen über Klimaschäden. "Die USA blockieren nicht mehr, aber sie verzögern", sagte sie. "Und Verzögerung ist jetzt das Letzte, was wir gebrauchen können." Leider habe auch US-Präsident Joe Biden in seiner Rede bei der COP27 am Freitagabend nicht klar Stellung zu dem Thema bezogen, sagte Minninger.

Klimaschutz-Arbeitsprogramm: Bisher wenig Fortschritte

Hinsichtlich der Verhandlungen über ein ambitioniertes Klimaschutz-Arbeitsprogramm für die Zeit vor 2030 (Mitigation Work Programme) inSharm el-Sheikh kritisierte Harmeling, dass "bisher nur wenige Fortschritte" erzielt worden seien. Weil die Industriestaaten bisher nicht genügend in puncto Klimaschutz täten, "sperren sich insbesondere die großen Schwellenländer wie China und Saudi-Arabien gegen einen umfassenden Ansatz", legte Harmeling dar und forderte von der EU, "eine Allianz mit den am stärksten gefährdeten Ländern" einzugehen.

Mehrere Hundert Menschen protestieren

Im Rahmen eines weltweiten Aktionstages haben einige Hundert Menschen bei der Weltklimakonferenz in Ägypten gegen die Nutzung schmutziger Energiequellen protestiert. Mit Sprüchen und Schildern forderten sie am Samstag ein Ende fossiler Energieträger und der Erschließung neuer Gasquellen in Afrika. Zudem verlangten sie Ausgleichszahlungen für Klimaschäden in ärmeren Ländern. "Die Meeresspiegel steigen, und wir begehren auf", skandierten sie bei einem Marsch über das Konferenzgelände.

Der Protest war der bisher größte seit Beginn der COP27 und sehr klein im Vergleich zur Demonstration vor einem Jahr bei der COP26 in Glasgow. Im Zuge des globalen Aktionstages zogen damals Zehntausende Demonstrantinnen und Demonstranten durch die schottische Stadt. Mit Bannern, Flaggen und Schildern forderten sie mehr Klimagerechtigkeit für Menschen in ärmeren Weltregionen.

In Ägypten ist die Meinungs- und Versammlungsfreiheit extrem eingeschränkt, Proteste sind faktisch verboten. Die Aktion am Samstag fand auf dem Konferenzgelände unter UN-Aufsicht statt. Der Protest sei genehmigt und die Teilnahme "absolut sicher", hieß es von den Veranstaltern. Proteste außerhalb des UN-Bereichs sind nach Anmeldung zu bestimmten Uhrzeiten in einer speziell ausgewiesenen Zone erlaubt.

Konzerne forderten Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels

Konzerne wie Amazon, Nestlé, Microsoft oder Ikea haben gemeinsam mit rund 200 Firmen, Organisationen und Prominenten dazu aufgerufen, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. "Regierungen, beginnend mit denen der am weitesten entwickelten Industriestaaten, müssen ihre Verpflichtung einhalten, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten und es entschiedener umsetzen", heißt es in dem Aufruf, den die Unterzeichner am Samstag auf der Weltklimakonferenz in Sharm el-Sheikh vorstellten.

Für den Appell haben sich die Konzerne, deren klimaschädliche Emissionen und Auswirkungen auf die Umwelt selbst in der Kritik stehen, mit renommierten Klimaforschern wie Johan Rockström, dem Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, UN-Vertretern sowie Mary Robinson, der Vorsitzenden der von Nelson Mandela gegründeten Organisation "The Elders", zusammengetan.

"1,5 Grad ist ein Limit, kein Ziel", heißt es weiter. Jedes Zehntelgrad zähle. Daher müsse jede Anstrengung unternommen werden, um die Auswirkungen, die Kosten und das Leid, das jegliches Überschreiten mit sich bringe, abzumildern.

Klimaforschern zufolge hängt das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, am seidenen Faden. Zwar gilt es als theoretisch möglich, allerdings nur durch ein radikales Umsteuern in der Klimapolitik. Die internationale Staatengemeinschaft hat das 1,5-Grad-Ziel vereinbart, um die Überschreitung gefährlicher Kipppunkte mit unumkehrbaren Konsequenzen zu vermeiden und die katastrophalsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Dafür sind die bisher geplanten Maßnahmen nicht ambitioniert genug. Derzeit steuert die Erde den Vereinten Nationen zufolge eher auf 2,5 Grad Erwärmung zu.

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  • Zum Abschluss der ersten Verhandlungswoche bei der UN-Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh haben Hilfsorganisationen von den Industrieländern mehr Bewegung bei den Knackpunkten Anhebung der Klimaschutzziele und Hilfen bei Klimaschäden gefordert.