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Alte DNA: Phönizier und Karthager waren nicht eng verwandt

Heute, 15:01 · Lesedauer 3 min

Von der Levante ausgehend gründeten die Phönizier im ersten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung (v.u.Z.) zahlreiche Kolonien im zentralen und westlichen Mittelmeerraum, darunter Karthago im heutigen Tunesien. Die auch als "Punier" bezeichneten Karthager übernahmen die phönizische Kultur, ihre Sprache und Religion. Allerdings waren sie nicht eng mit den Phöniziern verwandt, zeigt ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung anhand alter DNA im Fachjournal "Nature".

Die phönizische Kultur entstand in bronzezeitlichen Stadtstaaten in der Levante, also der östlichen Mittelmeerküste. Die Phönizier waren auf Handel und Seefahrt spezialisiert und hatten zu Beginn des ersten Jahrtausends v.u.Z. ein ausgedehntes Netz von Handelsposten im Mittelmeerraum aufgebaut, das bis zur Iberischen Halbinsel reichte. Über diese Handelsniederlassungen verbreiteten sich Kultur, Sprache und Religion der Phönizier. Diese exportierten etwa Holz, Purpur, Elfenbein, Wein und Olivenöl, aber auch Innovationen wie das erste Alphabet, aus dem sich viele der heutigen Schriftsysteme entwickelten.

Die bekannteste phönizische Kolonie war wohl Karthago, das Mitte des 6. Jahrhunderts v.u.Z. die Vorherrschaft im zentralen und westlichen Mittelmeerraum erlangte. Seine Bewohner wurden von den Römern als "Punier" bezeichnet. Zum Untergang Karthagos führten letztlich die drei Punischen Kriege gegen das aufstrebende Rom (264 bis 146 v.u.Z.). Legendär war dabei der überraschende Feldzug des karthagischen Feldherrn Hannibal über die Alpen (218 v.u.Z.).

Nur wenig bekannt war bisher allerdings, wie viele Phönizier in ihre weitverzweigten Handelsniederlassungen gingen. Entsprechend unklar war auch die genetische Herkunft der Karthager. Das Problem ist, dass "vor dem sechsten Jahrhundert v.u.Z. bei den phönizischen Gemeinschaften im zentralen und westlichen Mittelmeerraum die Feuerbestattung die vorherrschende Bestattungspraxis war", schreibt das Forscherteam um den österreichischen Populationsgenetiker Harald Ringbauer vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und den Genetiker David Reich von der Harvard University, dem auch der Anthropologe Ron Pinhasi von der Universität Wien angehörte, in seiner Arbeit.

Wechsel von der Feuer- zur Erdbestattung

Der Wechsel zur Erdbestattung als bevorzugte Bestattungsart Mitte bis spätes sechstes Jahrhundert v.u.Z. sei "ein kultureller Übergang, der die Integration einer beträchtlichen Anzahl neuer Menschen in diese Gemeinschaften widerspiegeln könnte", betonen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Und diese Entwicklung ermöglichte den Forschern Zugang zu brauchbaren Proben für die Sequenzierung alter Erbsubstanz (DNA).

Das Forscherteam analysierte die Genome von 210 antiken Individuen. Die menschlichen Überreste stammen von 14 phönizischen und punischen archäologischen Stätten in der Levante, Nordafrika, der Iberischen Halbinsel, Sizilien, Sardinien und Ibiza. Die Wissenschafter fanden dabei "nur einen geringen direkten genetischen Beitrag der levantinischen Phönizier zu den punischen Populationen des westlichen und zentralen Mittelmeers", so Ringbauer in einer Aussendung.

Geringer genetischer Beitrag der Phönizier

Die phönizische Kultur habe sich "nicht durch eine groß angelegte Massenmigration ausgebreitet, sondern durch einen dynamischen Prozess der kulturellen Übertragung und Assimilation". Obwohl es zahlreiche archäologische Belege für kulturelle, historische, sprachliche und religiöse Verbindungen gibt, haben die Phönizier also genetisch wenig zur Bevölkerung ihrer Handelsniederlassung im zentralen und westlichen Mittelmeerraum beigetragen.

Die Analyse der alten DNA zeigte, dass in den Gründungen und Niederlassungen der Punier Menschen mit sehr unterschiedlichen Abstammungsprofilen lebten, sie hatten laut Reich ein "außerordentlich heterogenes genetisches Profil". Den Forschern zufolge lebten in Karthago und an allen anderen untersuchten punischen Stätten Menschen mit nordafrikanischer Abstammung und vermischten sich vor allem mit Menschen, deren Gene jenen der heutigen Bewohner Siziliens und der Ägäis ähnelten.

(S E R V I C E - Studie: https://doi.org/10.1038/s41586-025-08913-3)

Zusammenfassung
  • Ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung hat anhand der Analyse von 210 antiken Individuen festgestellt, dass die Karthager trotz kultureller Übernahmen genetisch kaum mit den Phöniziern verwandt waren.
  • Die Studie zeigt, dass die phönizische Kultur sich durch kulturelle Übertragung und Assimilation verbreitete, nicht durch Massenmigration, was durch die Analyse von Stätten in der Levante, Nordafrika und Europa bestätigt wurde.
  • In den punischen Stätten lebten Menschen mit einem heterogenen genetischen Profil, das nordafrikanische und südeuropäische Abstammung umfasste, was auf eine Vermischung mit lokalen Populationen hinweist.