Sexy Dating-Tipp für Männer: Gehen Sie in Therapie!
Sie sehen es schon an der Überschrift: That's it, that's the sexy Dating-Tipp!
Aber gut, wir können ihn auch noch ausführlicher wissenschaftlich belegen. Denn machen wir uns nichts vor, momentan sieht's düster aus, wenn sie ein heterosexueller Singlemann sind. Die sind nämlich, statistisch gesehen, so einsam wie nie zuvor: rund 38% aller 25-45jährigen sind unverpartnert – das sind 9 Prozent mehr als noch in den 1990ern, und zum ersten Mal nicht gleich viel, sondern ganze 4% mehr als bei den heterosexuellen Frauen.
Woran könnte das liegen? Ein kürzlich viral gegangener "Psychology Today"-Artikel geht davon aus, dass die Beziehungsstandards gestiegen sind. Von den 62% aller Dating-App-User, die Männer sind, wird inzwischen mehr erwartet, als den ersten Kaffee zu bezahlen: Sie sollen auf einmal, schluck, ihre Gefühle kommunizieren können und dann auch noch emotional verfügbar sein!
Der Autor empfiehlt Männern sogar ganz explizit, sich in Therapie zu begeben - "Level up your mental health game!"
Dass das tatsächlich eine gute Idee ist, hat nun auch eine andere Studie ergeben. 61% aller befragten Nutzer*innen einer Dating-App finden emotionale Verletzlichkeit bei der Partner*innenwahl wichtiger als Attraktivität, Einkommen oder die Körpergröße. 65% finden es super hot, wenn jemand beim ersten Date über Gefühle spricht, sogar 84%, wenn es dabei auch noch um die eigenen Werte geht, und 63% mögen es, wenn ein*e potentielle*r Partner*in beim ersten Date erzählt, was für eine Beziehung er oder sie sich wünscht und wovor er oder sie dabei Angst hätte.
Gefühle! So sexy? Way to go: 75% aller befragten Männer sagen, sie würden sich nie beim ersten Date verletzlich zeigen, weil sie Angst haben, dass das ein Abturner ist, und nur 33% legen die Beziehungswunsch-Karten direkt offen auf den Tisch – obwohl alle Befragten sich das von einer potentiellen Partnerin oder einem potentiellen Partner erhoffen.
Irgendwie ganz schön schade, oder? Und wieder mal ein sehr gutes Beispiel dafür, wie stereotype Geschlechterrollen uns allen weh tun: auf der einen Seite Männer, die außer Wut und Hunger möglichst keine Gefühle haben sollen und überfordert sind, wenn es doch so ist. Und auf der anderen Seite den (laut Genderstereotyp so gefühlsbetonten) Frauen, die mit diesen Männern zusammen sind, all die emotionale Arbeit für sie mit übernehmen und im Idealfall beste Freundin, Mama, Projektmanagerin, Therapeutin und Fleshlight in Personalunion sein sollen. Zwei Drittel aller Männer haben angeblich keinen besten Freund oder beste Freundin. Und drei Viertel aller Scheidungen werden von Frauen eingereicht.
Muss das so laufen? Wäre es nicht eigentlich einfacher und netter, sich auf ein Sofa zu setzen und mit einer freundlichen fremden Fachperson über Gefühle zu reden und sie dabei gemeinsam neu einzuordnen?
Denn eigentlich ist das doch eine sehr gute Nachricht, und zwar nicht nur für Männer, sondern auch für alle anderen Menschen, die eine Psyche haben, also alle: Wir müssen nicht alles von vornherein selbst wissen. Wir müssen nicht alles alleine hinkriegen. Wir dürfen uns Hilfe von außen holen und Gefühle auch zu Ende fühlen, anstatt sie zu unterdrücken. Und uns dann auch einem anderen Menschen mehr öffnen, und dabei Verletzlichkeit zulassen – und möglicherweise, ganz nebenbei, auch noch den besten Sex überhaupt haben.
Theresa Lachner ist systemische Sexualberaterin und Gründerin des größten deutschsprachigen Sexblogs LVSTPRINZIP sowie des gleichnamigen Podcasts und Buchs.
Quellen:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0191886920302555
https://www.psychologytoday.com/us/blog/the-state-our-unions/202208/the-rise-lonely-single-men
Zusammenfassung
- Sie sehen es schon an der Überschrift: That's it, that's the sexy Dating-Tipp!