Wie viele Kerben im Bettpfosten dürfen's denn sein?
Es gibt Fragen, die Sie möglichst nur stellen sollten, wenn Sie die Antwort auch aushalten können."Und Schatz, wie viele hattest du denn schon vor mir?" ist so eine. Abgesehen davon, dass man sich vielleicht fragen kann, warum man das überhaupt so genau wissen möchte, außer vielleicht, um den aktuellen Geschlechtskrankheiten-Status abzufragen – was genau tut man dann mit der Antwort?
Entzürnt Schlussmachen zum Beispiel – zumindest laut einer britischen Studie: immerhin 30 Prozent aller Befragten gaben an, dass es "wahrscheinlich" oder sogar "sehr wahrscheinlich" sei, dass sie die Beziehung beenden würden, wenn ihr*e Partner*in für ihren Geschmack schon zu viele Kerben im Bettpfosten hätte.
Incels können hingegen aufatmen: Bei den "zu unerfahrenen" Partner*innen fallen die Sanktionen deutlich weniger drastisch aus - nur acht Prozent würden jemanden verlassen, der ihrer Meinung nach vor ihnen zu wenig rumgevögelt hat.
Also vielleicht lieber mal lügen? 67.4 Prozent der befragten Frauen, und, naja, 58.6 Prozent der Männer geben an, die Frage immer ehrlich zu beantworten.
Wenn dann doch gelogen wird, dann natürlich rollenkonform: mehr als doppelt so viele Männer wie Fragen gaben an, die Anzahl ihrer Sexpartner*innen zu übertreiben, während Frauen dementsprechend öfter eher untertreiben.
Stellt sich natürlich die Gretchenfrage: wie viele Sexualpartner*innen sollte man denn jetzt idealerweise gehabt haben?
Eine weitere Studie spoilert es schon mit dem Titel: "Sexual History and Present Attractiveness: People Want a Mate With a Bit of a Past, But Not Too Much". Die Bereitschaft der Befragten, eine Beziehung mit einem anderen Menschen einzugehen, sei am höchsten, wenn dieser zuvor genau zwei Sexualpartner*innen hatte. Ab mehr als vier Vorgänger-Sexpartner*innen sinke die Attraktivität – mit Menschen, die mehr als 15 Kerben im Bettpfosten haben, wolle kaum jemand eine Beziehung eingehen, so die Forschenden.
Na dann, gute Nacht? Nicht ganz - es gibt einen Hoffnungsschimmer für Menschen mit Tinder-Gold-Abo und zu viel Tagesfreizeit: der Faktor der Soziosexualität. So nennt man den Indikator, mit dem sich die persönliche Neigung pro oder kontra unverbindlichem Rumgevögel bestimmen lässt.
Er setzt sich zusammen aus der generellen Einstellung zu One-Night-Stands, den Erfahrungen, die Sie bisher gemacht haben, und Ihrer Motivation, nach schnellem Sex zu suchen. Ist Ihre Soziosexualität beispielsweise besonders ausgeprägt, haben Sie eher kein Problem damit, zwischendurch mal spontan mit dem ein oder anderen Date in die Kiste zu hüpfen – und profitieren davon mit mehr Lebenszufriedenheit, einem gesteigerten Selbstbewusstsein und tendieren insgesamt deutlich weniger zu Depressionen und Angstzuständen.
Menschen, deren Soziosexualität eher niedrig ist, fühlen sich hingegen auch eher nach unverbindlichem Sex dreckig und ausgenutzt. Und wünschen sich deshalb vermutlich eher ein*e Partner*in, bei dem oder der das genau so ist. Und nehmen dann wahrscheinlich vermehrt an Umfragen teil, in denen es darum geht, mit wievielen Menschen ihr*e potentiell*e Partner*in maximal geschlafen haben sollte. Und basteln dann irgendwelche fragwürdigen Schwellenwerte, ab denen es ihnen dann doch zu bunt werden könnte.
Also ja, kann man machen, muss man vielleicht aber auch nicht.
Aber vielleicht ist die Frage auch wirklich ein guter Filter: Sind wir auf einer Wellenlänge, was die Soziosexualität angeht? Gönnen wir uns gegenseitig die wilde oder auch nicht-so-wilde Vergangenheit? Und wie wichtig ist die für die gemeinsame Gegenwart?
Also fragen Sie, wenn Sie fragen müssen – und die entsprechenden Antworten dann auch aushalten können.
Theresa Lachner ist systemische Sexualberaterin und Gründerin des größten deutschsprachigen Sexblogs LVSTPRINZIP sowie des gleichnamigen Podcasts und Buchs.
Quellen:
https://bedbible.com/average-number-of-sexual-partners-promiscuity-statistics
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/00224499.2016.1232690
Zusammenfassung
- Von wegen trockene Zahlen. PULS 24 Kolumnistin Theresa Lachner bringt zusammen, was zusammen gehört: Sex und Statistik.