Wien-Wahl
So wählt die Kirche
Die Messiaskappelle im 9. Bezirk ist in einem unscheinbaren Gebäude untergebracht. Es gleicht eher einem normalen Wohnhaus, der Prunk, der bei katholischen Kirchen oft Standard ist, fehlt. Der evangelische Pfarrer Stefan Fleischner-Janits öffnet uns die Tür.
Der gebürtige Wiener wünscht sich für die Wien-Wahl vor allem ein gutes Miteinander in der Stadt. Die Vielfalt der Stadt sieht er als großen Vorteil, sie sei "etwas, worauf wir auch in Wien sehr stolz sein können."
Ähnlich beschreibt es Anna Kampl, Pfarrerin in Wien-Simmering. "Ein gutes Zusammenleben von verschiedenen Menschen" ist ihr sehr wichtig, damit meint sie auch "Menschen, die von woanders kommen und eine andere Muttersprache haben". Sie selbst ist tschechische Staatsbürgerin, lebt aber seit fast 20 Jahren in Österreich. Dass sie bei der kommenden Wien-Wahl nicht auf Landesebene wählen darf, stört sie:
"Es ist manchmal für mich schwierig zu verstehen, dass ich, als ein Mensch, der hier lebt, arbeitet, Steuern zahlt und sich für diese Stadt auch einsetzt, dass ich nicht wahlberechtigt bin auf der Wien-Ebene."
In ihrem Bezirk Wien-Simmering waren laut Statistik Austria im Jahr 2024 36 Prozent der Bevölkerung nicht wahlberechtigt. Die steigende Anzahl der Personen, die kein Wahlrecht haben, beschäftigt Pfarrerin Kampl sehr:
"Und wenn ich daran denke, dass in diesem Bezirk eigentlich sehr, sehr viele, mehr als ein Drittel der Menschen, gar nicht wählen darf, finde ich das irgendwie fragwürdig. Und dann frage ich mich: Ist das wirklich noch demokratisch?"
Beide Pfarrer:innen sehen auch in der Bildung ein Kernthema der kommenden Wien-Wahl. Pfarrer Stefan Fleischner-Janits weiß, dass "Bildung der Schlüssel ist für eine gute und erfolgreiche Zukunft".
Neben der Bildung ist ihm auch die "Bewahrung der Schöpfung" ein Anliegen. "So nennen wir in der Kirche den Klimaschutz", erklärt er. Die Stadt habe ein Problem mit der Hitze im Sommer. Laut ihm bräuchte es eine Förderung anderer Mobilitätsformen, weg vom Auto.
Für Pfarrerin Anna Kampl sollte eine Wunschpartei "die Vision von einem Guten Leben für alle" haben, unabhängig von Herkunft, Behinderung, Alter und sexueller Orientierung - so hängt vor ihrer Kirche in der Braunhubergasse 20 auch eine Pride-Flagge.
Wie Wien wählt
Konkrete Wahlempfehlungen für die Wien-Wahl wollen die Beiden nicht geben. Die Kirche sei zwar "politisch", aber "nicht parteipolitisch" wird betont. Das habe "historische Gründe", wie Anna Kampl erklärt. Genannt wird hier die Zeit des Nationalsozialismus, als "die Kirche auch mit dem Regime kooperiert hat".
Stefan Fleischner-Janits sieht in der Kirche trotz fehlender konkreter Wahlempfehlungen dennoch die Möglichkeit, politische Orientierung zu geben. Der Pfarrer und die Pfarrerin sind sich der Wichtigkeit der bevorstehenden Wien-Wahl bewusst. Sie schätzen die Demokratie, da auch in der evangelischen Kirche alle Ämter demokratisch besetzt werden.
Auch wenn die evangelische Gemeinde in Österreich (3,8% laut Statistik Austria im Jahr 2021) und auch in Wien sehr klein sei, könne sie dennoch einen Beitrag leisten, so Pfarrerin Kampl:
"Wir sind verantwortlich dafür, dass wir unseren Mitgliedern sagen: Es ist wichtig, wenn du wahlberechtigt bist, dass du auch wählen gehst. Und dass du dich dafür einsetzt, dass die Demokratie lebt."
Wie Wien wählt
Wien wählt, aber wie? PULS 24 ging für die Reportageserie "Wie Wien wählt" auf die Suche – vom Brunnenmarkt bis in die Lugner-City, vom Pflegeheim bis in die Schule, zu den Fiakern und den Würstlern. Und alles dazwischen.
Wir möchten aber auch wissen, was Sie über Wien denken. Was finden Sie gut, was verbesserungswürdig? Teilen Sie es uns mit.
Zusammenfassung
- In Wien waren laut Statistik Austria 2021 weniger als die Hälfte der Bevölkerung Christ:innen, was die Frage aufwirft, wie der Glaube die bevorstehenden Wahlen beeinflusst.
- In Wien-Simmering sind 36 Prozent der Bevölkerung nicht wahlberechtigt, was Pfarrerin Anna Kampl als fragwürdig und undemokratisch empfindet.
- Die evangelische Gemeinde, die 3,8 Prozent der österreichischen Bevölkerung ausmacht, betont die Wichtigkeit der Wahlteilnahme und sieht Bildung und Klimaschutz als zentrale Themen.