Josef VotziJosef Votzi/PULS 24

Die Justiz ermittelt, die ÖVP urteilt

Im Duell Schmid vs. Kurz formieren sich immer mehr Spitzenfunktionäre als Sekundanten hinter dem Ex-Kanzler. Sucht die ÖVP sehenden Auges noch einmal allein ihr Heil darin, sich hinter Sebastian Kurz zu scharen?

Just am Allerheiligentag wurde das schmutzigste Duell, das sich zwei österreichische Christdemokraten je geliefert haben, endgültig eröffnet. Ex-Kanzler Sebastian Kurz proklamierte via Twitter: "Thomas Schmid versucht bei der WKStA durch die falsche Aussage, er hätte in meinem Auftrag gehandelt, den Kronzeugenstatus zu erlangen und straffrei zu kommen. Die Realität sagt das genaue Gegenteil, wie dieses Tonband jetzt beweist. Jeder kann sich selbst ein Bild machen."

Der gefallene türkise Messias verlinkt seinen kämpferischen Tweet mit einer Krone-Online-Story: "Kurz/Schmid-Telefonat: Mitschnitt aufgetaucht." Ab sofort kann jeder, der Zeit und Muße hat, ein brisantes Gespräch zwischen Thomas Schmid und Sebastian Kurz wenige Tage nach dessen Rücktritt als Kanzler vor einem Jahr im Originalton nachhören.

Telefon-Mitschnitt bestärkt Eindruck: Kurz will von Schmid einen Persilschein

Der von Kurz, freundlich aber bestimmt, dominierte Gesprächsverlauf und dessen Tonlage bestärken den Eindruck: Der von der WKStA als möglicher "Bestimmungstäter" in der Inseratenkorruptions-Affäre geführte Ex-Kanzler sucht einem seiner engsten Weggefährten in diesem knapp 13 Minuten langen Telefonat vergeblich, einen gerichtsfähigen Schlüsselsatz wie diesen abzuringen: "Sebastian, Du kommst in der Sache vollkommen unschuldig zum Handkuss, denn Du hast mit der Vergabe von Inseraten im Abtausch gegen günstige Umfragen nie etwas zu tun gehabt."

Bis dahin hatte Kurz noch mit verdecktem Visier gekämpft und ausgewählte Journalisten einzeln und in kleinen Gruppen Wort für Wort über den Inhalt des Telefonats informiert, ohne das Ton-Dokument aus der Hand zu geben. Thomas Schmid hatte sich nach Kurz’s Erstschlag jedes offiziellen Kommentars enthalten.

Bei der WKStA deponierte er auf deren dringende Nachfrage: Er habe nur deshalb "herumgeschwurbelt" und nicht Kurz - wie nun vor der WKStA - klar als Bestimmungstäter beschuldigt, weil er überzeugt war, dass das Kurz-Telefonat "eine Verteidigungsrede für die überwachende Staatsanwaltschaft oder für seine eigene Aufnahme sei".

Stunde der Schmid-Wahrheit im U-Ausschuss

Diesen Donnerstag hat Thomas Schmid die Gelegenheit, Kurz’ jüngste Frontal-Attacke auf offener Bühne unmissverständlich zu kontern. Im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss (im Liveticker auf puls24.at) könnte es nun zum ersten Showdown in diesem einmaligen Polit-Duell kommen. Die ÖVP-Spitzen haben als Sekundanten schon vorab eindeutig Position bezogen. Vom ÖVP-Nationalratspräsidenten über den ÖVP-Generalsekretär bis zu den ÖVP-Mandataren im U-Ausschuss haben alle hinter dem jüngsten Alt-Kanzler des Landes Aufstellung genommen und nehmen allein Thomas Schmid ins Visier. Von "Schmid lügt" bis "Baron Münchhausen" wird aus ÖVP-Mund dieser Tage alles aufgeboten, um die Glaubwürdigkeit von Thomas Schmid zu untergraben und offenbar so dessen Einsatz als Kronzeugen gegen Kurz & Co in letzter Minute noch zu vereiteln.

Weder Mea Culpa noch tätige Reue

Das bisherige ÖVP-Mantra "Keine Vorverurteilungen, die Justiz in Ruhe ermitteln lassen" hat nicht nur ausgedient. Auch ein "Mea Culpa" der christlich geprägten ÖVP zu - bereits jetzt unbestreitbar - schweren Sündenfällen wie den Chats & Postenschiebereien und tätige Reue, wie eine Anti-Korruptions-Offensive, lassen weiter auf sich warten.

Lackmus-Test für Karl Nehammer

Statt dessen begeben sich immer mehr ÖVP-Spitzenfunktionäre selbst in die Kampfarena der Beschuldigten. Sie positionieren sich im Glaubwürdigkeits-Duell Sebastian Kurz gegen Thomas Schmid auf Seiten des Alt-Kanzlers statt - wie bis vor kurzem noch offensiv verlangt - die Beweiswürdigung einem unabhängigen Gericht zu überlassen, wer nun hier am Ende die Wahrheit sagt.

Die Sondersitzung im Parlament, die Befragung von Thomas Schmid im U-Ausschuss und vor allem das Verhalten des amtierenden Kanzlers und ÖVP-Chefs Karl Nehammer werden dieser Tage zeigen: Sucht die gesamte ÖVP tatsächlich sehenden Auges noch einmal ihr Heil allein darin, sich hinter Sebastian Kurz zu scharen? Und gibt die ÖVP allen Ernstes weiterhin als neue Parole aus: Die Justiz ermittelt, die ÖVP urteilt?

Josef Votzi ist Journalist und Kolumnist des Magazin "Trend": Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage"  jeden Freitag neu auf trend.at

ribbon Zusammenfassung
  • Im Duell Schmid vs. Kurz formieren sich immer mehr Spitzenfunktionäre als Sekundanten hinter dem Ex-Kanzler.
  • Sucht die ÖVP sehenden Auges noch einmal allein ihr Heil darin, sich hinter Sebastian Kurz zu scharen?