Wirecard-Prozess gestartet: Anklage spricht von drei Milliarden Euro Schaden
Die Staatsanwaltschaft wirft dem früheren Wirecard-Vorstandschef, dem Österreicher Markus Braun, und seinen beiden Mitangeklagten vor, eine kriminelle Bande gebildet, die Konzernbilanzen gefälscht und Kreditgeber um 3,1 Mrd. Euro geprellt zu haben.
Über das Tochterunternehmen Cardsystems Middle East in Dubai verbuchte Wirecard laut Anklage erfundene "Drittpartner"-Umsätze in Milliardenhöhe. Diese Drittpartner waren Firmen, die im Wirecard-Auftrag Zahlungen abwickelten. Vor der Pleite im Sommer 2020 hatte das Unternehmen mutmaßliche Scheinbuchungen in Höhe von 1,9 Mrd. Euro eingeräumt, das Geld wird bis heute vermisst.
Stottmayer zu Wirecard-Prozess: Ganz viele Menschen haben hier versagt
Madlen Stottmayer, Journalistin bei "Die Presse", spricht mit PULS 24 Anchorwoman Bianca Ambros über den Wirecard-Prozess.
Kronzeuge "wird Schuld eingestehen"
Kronzeuge Bellenhaus will in vollem Umfang kooperieren: "Er wird seine Schuld eingestehen", sagte vor Verhandlungsbeginn Florian Eder, einer von Bellenhaus' Verteidigern. Im Gegenzug erhoffen sich die Verteidiger die Entlassung aus der Untersuchungshaft und im Urteil einen "sehr deutlichen Strafnachlass" für ihren Mandanten.
Braun hatte seinen ehemaligen Untergebenen bereits vor Prozessbeginn krimineller Machenschaften beschuldigt. Nach Brauns Darstellung existierten die seit 2020 vermissten Milliarden, wurden aber unter Beteiligung Bellenhaus' veruntreut. "Wenn derartige Angriffe kommen, sind das schlichtweg Nebelkerzen", sagte Bellenhaus' Anwalt dazu.
Ohne die angeblichen Erlöse des Drittpartnergeschäfts sei Wirecard defizitär gewesen, sagte Staatsanwalt Matthias Bühring bei der mehrstündigen Verlesung des 89-seitigen Anklagesatzes. Die Milliardenkredite waren laut Anklage notwendig, "um den Kollaps des Unternehmens zu verhindern".
Wirecard wickelte als Zahlungsdienstleister an der Schnittstelle zwischen Kreditkartenfirmen und Banken sowie Einzelhändlern und sonstigen Verkäufern gegen Gebühr elektronische Zahlungen ab. Das Unternehmen meldete jahrelang rasant steigende Umsätze und stieg 2018 an der Frankfurter Börse in den DAX auf. Braun wurde als größter Aktionär Milliardär.
Ermittlungen nicht abgeschlossen
Im Sommer 2020 brach der Konzern zusammen und meldete Insolvenz an. Die britische "Financial Times" war zuvor in jahrelanger Recherche den mutmaßlichen Manipulationen auf die Spur gekommen. Zweifel an den Wirecard-Bilanzen hatte Braun bis ganz kurz vor dem Kollaps in Bausch und Bogen zurückgewiesen. Im Prozess wird der Ex-Vorstandschef sich auf bohrende Fragen zu seiner Opferrolle einstellen müssen.
Abgeschlossen sind die Wirecard-Ermittlungen längst nicht, auch wenn nun der Prozess begonnen hat. Flüchtig ist nach wie vor der frühere Vertriebschef Jan Marsalek (Maršálek), eine weitere Schlüsselfigur. Es wird vermutet, dass der Österreicher in Moskau untergetaucht ist.
Zusammenfassung
- Prozessstart um den mutmaßlich größten Betrugsfall in Deutschland seit 1945:
- Die Staatsanwaltschaft wirft dem früheren Wirecard-Vorstandschef, dem Österreicher Markus Braun, und seinen beiden Mitangeklagten vor, eine kriminelle Bande gebildet, die Konzernbilanzen gefälscht und Kreditgeber um 3,1 Milliarden Euro geprellt zu haben.