Verzweiflung trifft Rachsucht in Suters "Wut und Liebe"
Nachdem Suter im Vorjahr zu seiner Allmen-Krimiserie ("Allmen und Herr Weynfeldt") zurückkehrte und erneut mit Benjamin von Stuckrad-Barre ins Gespräch kam ("Kein Grund, gleich so rumzuschreien") liefert der 77-Jährige nun wieder einen eigenständigen Roman ab. Dabei entdecken Suter-Fans wohl reichlich Altbekanntes: das Spiel mit Schein und Sein, Intrigen, gutes Essen, Kunst und nicht zuletzt die Liebe.
Letztere ist zwischen Camilla und Noah weiterhin entfacht, nur überstrahlt sie alles? Für Camilla nicht. Sie zieht schweren Herzens in der Hoffnung auf ein Leben in Wohlstand die Reißleine. Noah bittet um noch etwas Zeit, schließlich steht eine Vernissage an, von der er sich seinen künstlerischen Durchbruch erhofft. Seine bildhübsche Freundin dürfte aber längst abgeschlossen haben, als den verzweifelten Verlassenen zufällig ein höchst fragwürdiges Angebot ereilt.
Beim Frustsaufen trifft er auf die schwerkranke 65-jährige Frau Betty, die nur einen Wunsch bis zu ihrem wohl baldigen Ableben hegt: den Tod von Peter Zaugg. Dieser habe ihren Mann auf dem Gewissen, beklagt die Witwe. Ihr Lebensgefährte habe sich zu Tode gearbeitet, während Zaugg ihn gnadenlos ausgenutzt und die Lorbeeren eingestrichen habe. Eine Million, sinniert sie, wäre ihr es wert, könnte sie noch vom Tod des "Schweins" erfahren. Löst ein präziser Schuss alle Probleme, oder geht es dann erst recht bergab? Bei Noah, der an nichts anderes als Camilla denken kann, beginnt es zu rattern.
Wende auf Wende
Suter treibt die Handlung verlässlich temporeich voran. Was bis zur Hälfte des Romans geschieht, füllt anderswo ganze Bücher. Gerne würde man den einen oder anderen Zwischenstopp einlegen und mehr über Noah und Camilla und deren Beziehung erfahren. Aber dafür ist offenbar wenig Zeit, der Fahrplan dicht, folgt doch Wende auf Wende und trifft ein Zufall den nächsten.
Der Eindruck einer gewissen Gehetztheit und Unglaube über die Koinzidenzen liegen auf der Hand. Freude über die neuen Komplikationen und Rätselraten über die nächste Wende machen das aber wett. Mit der Erzählung über die "Fear of missing out" (FOMO) jüngerer Personen, der Rachsucht und Schamlosigkeit mancher älterer Personen, und dem Geld, das als Motivator, Verführer und Druckmittel zwischen allem klebt, ist Suter erneut ein Page-Turner geglückt. So schnell und reibungslos sich "Wut und Liebe" liest, so schnell könnte der Eindruck aber auch wieder verblassen.
Lesung im Wiener Konzerthaus
Am 11. September kann die Erinnerung aufgefrischt oder erstmals in "Wut und Liebe" eingetaucht werden, kommt doch Suter für eine Lesung in den Mozart-Saal im Wiener Konzerthaus. An seiner Seite findet sich Caroline Peters, mit der er abwechselnd aus dem Roman vorliest, und Dirk Stermann, der im Anschluss ein Gespräch mit dem Autor führen wird.
(Von Lukas Wodicka/APA)
(S E R V I C E - Martin Suter: "Wut und Liebe", Diogenes Verlag, 304 Seiten, 26,80 Euro. www.konzerthaus.at/de)
Zusammenfassung
- Camilla beendet ihre Beziehung zu Noah, da sie unzufrieden mit ihrem Leben als Buchhalterin ist, während er auf den künstlerischen Durchbruch bei einer Vernissage hofft.
- Im Roman 'Wut und Liebe' von Martin Suter wird die Geschichte von Noah und der schwerkranken Frau Betty erzählt, die ihm eine Million Euro für den Mord an Peter Zaugg bietet.
- Am 11. September findet eine Lesung im Wiener Konzerthaus statt, bei der Martin Suter, Caroline Peters und Dirk Stermann aus dem Roman 'Wut und Liebe' vorlesen.