APA/EVA MANHART

"Dunkelkammer"-Chef Nikbakhsh will sich kein Denkmal setzen

Seit einem Jahr gestaltet Michael Nikbakhsh nach seinem "profil"-Abgang einen eigenen Podcast. Die "Dunkelkammer" wächst seitdem mit Blick auf die Downloadzahlen und personell. Im APA-Interview erklärt der Investigativjournalist, der mit dem Kabarettprogramm "Katzen" derzeit auch im Wiener Rabenhof zu sehen ist, warum er auf Podcast statt Newsletter setzt, er nicht länger angestellt sein wollte und die Medienbranche ein Transparenzproblem hat.

APA: Herr Nikbakhsh, laut Österreichische Auflagenkontrolle gestalten Sie einen der führenden Podcasts im Land - auch wenn noch nicht allzu viele Podcasts ausgewiesen werden - und das mit Investigativjournalismus. Wie schafft man es, komplexe Themen, die oft von Details leben und viel Aufmerksamkeit erfordern, dem Publikum schmackhaft zu machen?

Nikbakhsh: Ich schaue auf Youtube Automechanikern dabei zu, wie sie an Autos herumschrauben und erklären, was sie dabei machen. Das finden viele Menschen total langweilig. Mich fasziniert, dass jemand seinen Beruf herzeigt. Das hat mich inspiriert, meinen Job transparenter zu machen. Die Idee war, einen Werkstattbericht zu machen. Ich habe mich gefragt, ob die Themen überhaupt irgendwen außerhalb der Bubble interessieren und habe schon gemerkt, dass es ein paar Sachen gibt, die man im Podcast nicht so einfach rüberbringen kann - etwa das Aufzeigen einer Kette von Briefkastentransaktionen. Da schlafen dir die Füße ein. Umgekehrt gehen Gespräche mit Leuten sehr gut. Hier entfaltet der Podcast seine wahre Magie und Wirkung, weil er Zeit hat.

APA: Was hat Sie vom "profil" kommend überhaupt bewogen, einen Podcast zu starten?

Nikbakhsh: Ich wollte ursprünglich keinen Podcast, sondern einen Newsletter starten. Aber der Aufbau eines Leserinnen- und Leserstocks kam mir wahnsinnig komplex vor. Durch eine zufällige Begegnung mit meinem jetzigen Partner Stefan Lassnig kam ich auf Podcasts. Es hat mich schnell gereizt, etwas auszuprobieren, das ich in der Form noch kaum gemacht hatte. Ich bin in meine zweite Karriere hineingestolpert. Es hätte auch kolossal scheitern können.

APA: Mittlerweile sind mit Edith Meinhart und Christa Zöchling auch zwei weitere Ex-"profil"-Journalistinnen bei Ihrem Podcast an Bord. Ist die "Dunkelkammer" so was wie ein Sammelbecken?

Nikbakhsh: Ich hab in einem Interview gesagt, ich will eine Art Gut Aiderbichl für verwundete Journalistinnen- und Journalistenseelen daraus machen. Das war natürlich scherzhaft gemeint. Ich denke an eine dezentrale Struktur von Leuten, die an einer gemeinsamen Idee arbeiten, die sinnvollerweise irgendwann auch kommerziell erfolgreich ist. Ich kenne Edith Meinhart und Christa Zöchling fast mein ganzes Berufsleben lang. Uns allen wurde beim "profil" der Sessel vor die Tür gestellt. Christa Zöchling wird ab April mitmachen. (Anm.: Edith Meinhart hat bereits mehrere Podcast-Folgen veröffentlicht.) Ich bin sehr offen für eine Erweiterung, kann aber derzeit keine Gagen bieten. Man muss es sich also praktisch leisten können. Daher wird der Kreis derer, die es interessiert, eher klein bleiben. Grundkriterium ist, sauberen Journalismus zu machen und transparent dabei sein.

APA: Ist der in großen Medienhäusern praktizierte Journalismus zu intransparent?

Nikbakhsh: Ja, davon bin ich fest überzeugt. Das beginnt mit der Fehlerkultur, die total ausbaufähig ist. Bei "profil" war die Haltung: Wenn ein Fehler niemandem auffällt, dann hat er nicht stattgefunden. Das ist zu wenig. Man muss da offensiver sein. Werbung ist auch so eine Geschichte. Es gibt einen Unterschied zwischen gekaufter Berichterstattung und normaler Infowerbung. Diese Dinge muss man ansprechen. Ich habe überhaupt keinen Einfluss auf die Werbung in meinem Podcast. Um diese kümmert sich Stefan Lassnig.

APA: Haben Sie nach Ihrem "profil"-Aus eigentlich keine Angebote von anderen Medienhäusern bekommen?

Nikbakhsh: Ich hatte Angebote. Aber den Gedanken, mich irgendwo anstellen zu lassen, habe ich nicht ertragen. Ich habe gesehen, wie man bei "profil" mit Menschen im Abgang umgeht. Ich habe Ähnliches von anderen Verlagshäusern gehört. Ich habe zweimal meinen Job verloren und es war beide Male demütigend. Das tue ich mir nicht mehr an. Ich wollte auf eigenen Beinen stehen.

APA: Jetzt haben Sie Ihr eigenes Publikum. Wie setzt sich dieses zusammen?

Nikbakhsh: Ein paar Leute mit "profil"-Bezug gibt es jedenfalls. Aber es müssen ganz viele zusätzliche Menschen sein. Mit dem "profil"-Publikum alleine wäre ich nicht auf so viele Downloads gekommen, so viel steht fest. Das Publikum ist ein anderes, das auf ganz andere Art an Inhalten interessiert ist. Wir haben es bei "profil" offenbar leider nicht erreicht.

APA: Bei den Seitenhieben drängt sich die Frage förmlich auf: Können Sie die Einsparmaßnahmen und Umbauarbeiten im Kurier Medienhaus, zu dem das "profil" gehört, nachvollziehen?

Nikbakhsh: Ich glaube nicht, dass die Einsparungen beim Kurier Medienhaus ein Unikum sind. Sie sind nur früh dran. Bei "profil" wurde immer gespart. Es war eine Mangelverwaltung. Ich habe mit einer Basisinvestition in technisches Equipment in Höhe von 2.000 Euro und dem Know-How von einer ganz kleinen Gruppe von Leuten die "Dunkelkammer" gestartet. Das erste Jahr ist jetzt um und wir gehen in Richtung 600.000 Downloads. Große Medienhäuser haben mit ihren Podcasts nicht weit mehr Downloads als ich, aber ein Vielfaches an Personal. Das ist ein Problem. Um heute einen digitalen Markt zu bespielen, braucht man nicht mehr so viele Menschen. Die Strukturen passen nicht. Ein Problem, das vor allem ältere Verlagshäuser haben, sind die Kollektivverträge für ältere Arbeitnehmer. Für die Arbeitnehmer sind sie super, für die Arbeitgeber aber ein großes Thema. Und der Druck wird noch höher, weil nach wie vor viel teures Papier verbraucht wird. Es ist mir ein vollkommenes Rätsel, dass man in einer hochdigitalisierten Welt immer noch glaubt, ein Geschäft damit zu machen, Bäume zu Papier zu verarbeiten, sie anschließend zu bedrucken und mit Lkws durch die Gegend zu führen, um den Leuten die Nachrichten von gestern zu verkaufen, obwohl man sie am Vortag teilweise schon hergeschenkt hat. Das geht bei einer Zielgruppe, die Zeitungen als Teil des Lebensinventars betrachtet. Solche Leute gibt es, aber nicht mehr so viele.

APA: Ist die Medienzukunft fragmentierter, während große Tanker untergehen?

Nikbakhsh: Die Verlagshäuser, wie wir sie kennen, sind alle im Laufe der Zeit träge geworden. Es ist alles sehr verkrustet. Ein paar Tanker wird es auch weiterhin auf alle Fälle geben - insbesondere jene, die die Fähigkeit besitzen, eine gewisse Menge an Regierungsinseraten abzusaugen. Die Zukunft liegt aber auch in Einzelkämpfern und in Kollektiven.

APA: Die Zahlungsbereitschaft für Onlinejournalismus steigt langsam, ist aber immer noch sehr gering. Lässt sich auf Basis dessen und Werbung ein funktionierendes Geschäftsmodell errichten?

Nikbakhsh: Ich muss daran glauben, dass es funktioniert. Viele aus der Werbebranche wissen mit Podcasts noch nichts anzufangen. Das Medium ist in seinen Reichweitenmöglichkeiten noch nicht erkannt. Fast niemand produziert dafür eigene Werbung. Abseits der Werbung sind Leute bereit, für meinen Podcast zu zahlen, um ihn werbefrei zu hören. Eine weitere Gruppe von Leuten unterstützt meine Arbeit mit Spenden. Aber mir ist das immer peinlich, darum zu werben. Ich bin in der Hinsicht ein wahnsinnig schlechter Kaufmann.

APA: Die Branche wurde in den vergangenen Jahren immer wieder von Skandalen gebeutelt. Das betrifft den Boulevard, aber auch namhafte (Ex)-Chefredakteure fielen durch Verhaberung mit der Politikblase auf. Warum fällt es vielen so schwer, Distanz zu wahren?

Nikbakhsh: Bei klassischen Zeitungen sind Journalisten oft für einzelne Parteien zuständig. Sie sind quasi eingebettet. Im innenpolitischen Betrieb gibt es dazu noch eine Dauerbespielung mit Get-Togethers, Lounges oder auch Cocktailempfängen. Ich war dort nie und auch nicht bei den vielen Hintergrundgesprächen. Wenn du mit einem Politiker den ganzen Abend säufst, hast du möglicherweise am nächsten Tag die Überlegung, eine gewisse Nähe begründet zu haben. Da hat es in vielen Redaktionen meines Erachtens an Korrektiven gefehlt. Die Behauptung ist gerne: "Wenn ich nahe an den Politikern bin, kriege ich Informationen." Das wird schon stimmen. Die Frage ist aber auch, was an Informationen, Spins, Interpretationen und Einflüssen mitgeliefert wird. Meine Botschaft ist: Haltet euch fern. Ich mache meinen Job seit 30 Jahren und habe nie anstreifen müssen.

APA: Abschließend: Fürchten Sie, dass der Podcastboom irgendwann abflaut?

Nikbakhsh: Ich würde diesen Boom, bevor er abflaut, gerne erleben. Ich will mir kein Denkmal setzen. Ich mache den Podcast, solange er mir Spaß macht. Mich treibt dabei an, dass ich mir nachher nicht sagen will, dass ich nicht versucht habe, einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, dass unsere Welt transparenter wird.

(Das Gespräch führte Lukas Wodicka/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Investigativjournalist Michael Nikbakhsh führt nach seinem Weggang vom Magazin 'profil' den erfolgreichen Podcast 'Dunkelkammer', der im ersten Jahr 600.000 Downloads verzeichnete.
  • Inspiriert von transparent arbeitenden YouTubern, möchte Nikbakhsh komplexe journalistische Themen im Podcast-Format verständlich machen.
  • Mit Edith Meinhart und ab April auch Christa Zöchling, zieht die 'Dunkelkammer' weitere ehemalige 'profil'-Journalisten an, die unabhängig und transparent arbeiten wollen.
  • Nikbakhsh kritisiert die Intransparenz und mangelnde Fehlerkultur in großen Medienhäusern und setzt auf einen Journalismus ohne Anstellungsverhältnis nach demütigenden Erfahrungen.
  • Er sieht die Zukunft der Medien in kleineren, flexibleren Strukturen und glaubt an ein Geschäftsmodell, das sich durch Werbung und direkte Zuhörerbeiträge finanziert.