Wie Raiffeisen-Kunden an Putins Krieg verdienen
Die Raiffeisen und ihr Russland-Geschäft sind eine komplizierte Sache. Die Sparte gilt als hochprofitabel, das Geld steckt aber in Russland fest. In den ersten drei Quartalen 2024 machte allein das Russland-Geschäft mehr als die Hälfte des Gewinns nach Steuern aus: 1,1 Milliarden Euro.
An das Geld der AO Raiffeisenbank kommt man in Wien aber nicht heran. Weil Österreich für Russland als Antwort auf EU-Sanktionen als "unfreundliches Land" gilt, darf die AO Raiffeisen keine Dividenden an die Mutter, die Raiffeisenbank International (RBI) in Wien zahlen.
Sanktionierte Unternehmen über Umwege
Recherchen des Finanznachrichtendienstes "Bloomberg" legen nun offen, dass die RBI in Russland auch mit Kunden Geld verdient, die mit sanktionierten russischen Unternehmen Geschäfte machen, bei denen eine Nähe zum russischen Militär vermutet wird.
So habe die russische Raiffeisen-Tochter 2024 mehr als 62 Millionen Rubel (über 600.000 Euro) an Gebühren von einem russischen Chemieunternehmen erhalten: Unichim. Dazu zählen Provisionen, Überweisungskosten, Kontoführungsgebühren und Gebühren für Fremdwährungsgeschäfte.
Zu betonen gilt: Unichim steht auf keiner Sanktionsliste. Das Unternehmen wurde laut "Bloomberg" 2019 gegründet und darf Chemikalien vertreiben, die in der Medizin- und Dünger-Industrie verwendet werden. Der Großteil des Geschäfts soll auch mit nicht-sanktionierten Unternehmen stattfinden. Auch die RBI betonte auf PULS 24 Anfrage: "Der RBI sind keine Geschäftskontakte bekannt, die gegen internationale Sanktionen verstoßen", so Konzernsprecher Christof Danz.
Kunden mit Militär-Verbindungen
Aber: Unichim belieferte sanktionierte Unternehmen mit Komponenten, die für die Herstellung militärischer Systeme benötigt werden, wie aus Unterlagen hervorgeht. Zudem hat die AO Raiffeisen laut "Bloomberg" Transaktionen von Unichim zu Bankkonten bei sanktionierten Banken durchgeführt – darunter die Sberbank, die VTB Bank und die Commercial Bank Solidarnost.
So erhielt das sanktionierte Unternehmen Rawenstvo chemische Produkte, auch für ein russisches Regierungsprojekt, das laut europäischen Regierungsbeamten Plattformen und Munition für Mehrfach-Raketensysteme und Gleitbomben entwickelt. Die belegbaren Zahlungen bewegten sich zwar nur im dreistelligen Bereich. Aber Säuren und andere Chemikalien können in Treibstoffsystemen für Raketen verwendet werden.
Video: Laufen russische Zahlungen über die Raiffeisen?
Schon Anfang 2023 stand die russische Raiffeisen-Tochter im Fokus, wenn es um den eigentlich streng sanktionierten Zahlungsverkehr geht. Damals analysierte Falter-Journalistin Eva Konzett die Lage.
Laut US-Behörden entwickelt und produziert Rawenstvo Radar-Systeme zur Navigation und gehört zum staatlich-geführten Concern Granit-Electron, das wichtige Bestandteile für Raketensysteme herstellen soll. Dieses Unternehmen soll wiederum zur JSC Tactical Missiles Corporation gehören, ein staatlich geführtes Rüstungs-Konglomerat, das ebenfalls mit Sanktionen belegt wurde.
Unichim erhielt auch eine Zahlung von Proletarsky Zavod. Das Unternehmen gehört zur United Shipbuilding Corporation, dem größten russischen Schiffsbauer, der auch für die Marine produziert – beide stehen auf internationalen Sanktionslisten.
Andere Dokumente, die "Bloomberg" vorliegen, sollen zeigen, dass Raiffeisen auch für Totalelectro eine Transaktion in Höhe von rund 5,5 Millionen Rubel (knapp 54.000 Euro) durchgeführt hat. Das habe das Unternehmen der sanktionierten JSC Smolensk Aviation Plant für Kabel in Rechnung gestellt.
Zudem sei es "beinahe sicher", dass die Bank auch Beziehungen zu anderen Unternehmen aus der russischen Rüstungsindustrie habe, zitiert Bloomberg nicht namentlich genannte europäische Regierungsbeamte.
Zu wichtig in Russland
Die russische Raiffeisen ist eine von rund einem Dutzend Banken, die in Russland als "systemrelevant" angesehen werden. Das macht einen Rückzug schwieriger. Zudem wird die AO Raiffeisen von der Zentralbank in Moskau reguliert.
Deshalb ist auch die Beendigung von Geschäften mit sanktionierten Kunden schwieriger, weil die Schließung von Konten nur in bestimmten Fällen möglich ist – Sanktionen gehören nicht dazu, wie "Bloomberg" berichtet.
Man arbeite weiter an einem Verkauf des Russland-Geschäfts, teilte die RBI gegenüber PULS 24 mit. Aber "dieser Prozess ist äußerst komplex, weil dazu zahlreiche Genehmigungen in Russland und der EU erforderlich sind. Darüber hinaus haben die rechtlichen Schritte der Rasperia (Strabag-Aktionär, Anm.) in Russland diesen Prozess nochmals erschwert. Zurzeit sind die Anteile der RBI an ihrer russischen Tochterbank eingefroren", so Konzernsprecher Danz.
Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs sind große Teile der Wirtschaft von Putin in eine Kriegswirtschaft umgebaut worden. Das macht es auch für Banken schwieriger, da immer mehr Firmen in die Kriegsmaschinerie hineingezogen werden.
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Wie geht es weiter für die RBI?
Das gilt dann auch für die russische Raiffeisen-Tochter. Inzwischen sind schon beinahe drei Jahre seit der Invasion der Ukraine vergangen. Während andere europäische Banken rasch die Reißleine zogen, verblieb die Raiffeisen als einer der wenigen Kanäle, über den russische Firmen Fremdwährungstransaktionen durchführen können. Grund dafür war, dass russische Banken vom internationalen Zahlungsverkehr SWIFT ausgeschlossen wurden.
Ein Verkauf gestaltete sich bisher schwierig und würde mit einem massiven Verlust einhergehen – den man sich auch aufgrund der Bedeutung des Russland-Geschäfts für die ganze Bankengruppe nicht leisten kann oder will. Ein Deal mit dem sanktionierten Oligarchen Oleg Deripaska rund um Anteile am Baukonzern Strabag platzte – wohl nach Einwänden von europäischen Regulierungsbehörden.
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Deshalb wurde die Raiffeisen im Jänner auch von einem russischen Gericht zu einer Schadenersatzzahlung von knapp zwei Milliarden Euro verurteilt – dagegen wurde allerdings Berufung eingelegt.
Die Alternative wäre: Das Ganze einfach aussitzen und hoffen, dass die Sanktionen nach einem möglichen Kriegsende gelockert werden und der finanzielle Verlust nicht so schwer wiegt. Von offizieller Seite wurde dies allerdings immer wieder dementiert.
Zusammenfassung
- Die Raiffeisenbank International AG ist eine der wenigen westlichen Banken, die noch in Russland aktiv ist – und muss dafür viel Kritik einstecken.
- Recherchen von "Bloomberg" zeigen nun: Zu ihren Kunden zählen auch Unternehmen, die mit der russischen Armee zumindest über Ecken in Verbindung stehen dürften.
- "Der RBI sind keine Geschäftskontakte bekannt, die gegen internationale Sanktionen verstoßen", betonte die RBI gegenüber PULS 24.