Ex-Erste-Bank-Chef glaubt nicht an Ende der Inflation

Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht gewonnen, vermutet der ehemalige Chef der Erste Bank, Andreas Treichl. Zudem erklärt er, warum sich immer weniger Menschen eine Immobilie leisten können und was man dagegen tun könnte.

Seit über einem Jahr setzt die Europäische Zentralbank (EZB) auf steigende Zinsen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Am Donnerstag tagen die Währungshüter erneut, um über die Leitzinsen zu entscheiden. 

Experten rechnen mehrheitlich mit einer Pause. Damit würde nach zehn Erhöhungen am Stück erstmals der Leitzins auf seinem aktuellen Niveau von 4,5 Prozent verbleiben. 

Möglich wäre allerdings auch eine Erhöhung um 25 Basispunkte, also von 4,5 auf 4,75 Prozent. Das würde aber keinen großen Unterschied machen, so Andreas Treichl, der Aufsichtsratsvorsitzende der Erste Stiftung im Newsroom LIVE: "Ich glaube nicht, dass die Auswirkungen jetzt noch dramatisch wären". Er rechnet daher mit einer Zinspause.

Kampf gegen Inflation noch nicht gewonnen

"Ich glaube nicht, dass der Kampf gegen die Inflation gewonnen ist", so der ehemalige Bankmanager. Geopolitische Unruhen könnten schnell für Panik sorgen - durch eine weitere Eskalation der Lage im Nahen Osten könnten wichtige Transportwege für die Weltwirtschaft - wie der Suezkanal - gefährdet werden. Das könnte ein massives Problem für die Lieferketten und die ganze Industrie bedeuten.

Treichl geht zudem davon aus, dass wir "mit höheren Energiepreisen rechnen werden müssen". 

Realzinsen bleiben weiter negativ

Für Sparer steigen die Zinsen zwar allmählich, dennoch kommen sie bei weitem nicht an die Inflationsrate heran. In diesem Fall spricht man von negativen Realzinsen. Treichl geht nicht davon aus, dass sich dies so bald ändern werde. Das sei "für alle Sparer in Europa ein unheimlich frustrierendes Ereignis".

Doch nicht nur beim Sparen, sondern auch beim Traum vom Eigenheim sieht es derzeit düster aus. Die Immobilienpreise haben teils astronomische Höhe erreicht, zudem gibt es seit vergangenem Jahr verschärfte Regeln, um an einen Kredit zu kommen. 

Neue Kreditregeln nicht an "grundlegendem Problem" schuld

Seit August 2022 muss man 20 Prozent einer Immobilie mit Eigenmitteln finanzieren, um einen Kredit zu bekommen. Zudem darf die monatliche Kreditrate dann nicht 40 Prozent des monatlichen Netto-Haushaltseinkommens ausmachen. Und der Kredit darf nicht länger als 35 Jahre laufen. 

Treichl geht allerdings nicht davon aus, dass diese Regeln dafür verantwortlich sind, dass weniger Kredite vergeben werden. Vielmehr sei es, dass sich die Menschen "die Vorraussetzungen nicht mehr leisten können", meinte der ehemalige Erste-Bank-Chef. Das liege vor allem daran, "weil die Einkommen über viele Jahre dramatisch weniger gestiegen sind als die Immobilienpreise".

Würde man die Kreditregeln aufweichen, würde das dieses "grundlegende Problem" trotzdem nicht lösen. 

Verantwortlich für das Aufgehen der Schere zwischen Einkommen und Immobilienpreisen waren die jahrelangen Nullzinsen. Davon hätten laut Treichl die Regierungen profitiert, die billig neue Schulden aufnehmen konnten. Gut sei es allerdings auch für "alle wohlhabenden Menschen" gewesen.

"Alle Menschen, die bereits Immobilien besessen haben, waren in der Lage, weitere Kredite aufzunehmen, um damit weitere Immobilien zu erwerben", so Treichl. Wer keine Immobilie als Sicherheit für einen Kredit hatte, bekam oft auch keinen. 

Österreicher:innen sparen zu konservativ

"Das Problem liegt nicht auf der Kreditseite, sondern der Anlageseite", sagte Treichl. Herr und Frau Österreicher legen im internationalen Vergleich ihr Geld nur ungern an den Kapitalmärkten an, also in Aktien, Anleihen oder Fonds. Durch die lange Zeit ohne nennenswerte Zinsen habe die Inflation dann einen nennenswerten Teil des Ersparten aufgefressen. 

"Österreich hat 300 Milliarden Euro Haushaltseinlagen bei den Banken liegen. Das sind bei vier Millionen Haushalten 75.000 Euro, auf die die Österreicher seit 15 Jahren null verdienen, sondern jedes Jahr verlieren", rechnete der ehemalige Bankmanager vor.

Hätte man einen Teil davon in "ganz langfristige, ganz risikoarme Kapitalmarktprodukte investiert, hätten wir jetzt wahrscheinlich nicht 300, sondern 600 Milliarden und dann könnten sich viele Leute in Österreich wieder leisten, Wohneigentum zu erwerben". 

ribbon Zusammenfassung
  • Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht gewonnen, vermutet der ehemalige Chef der Erste Bank, Andreas Treichl.
  • Für Sparer steigen die Zinsen zwar allmählich, dennoch kommen sie bei weitem nicht an die Inflationsrate heran.
  • Das sei "für alle Sparer in Europa ein unheimlich frustrierendes Ereignis".
  • Verantwortlich für das Aufgehen der Schere zwischen Einkommen und Immobilienpreisen waren die jahrelangen Nullzinsen, so Treichl.