Vater von Protestikone Amini am Todestag im Iran abgeführt
Er habe gerade sein Haus verlassen, als ihn Einheiten der Revolutionsgarden festsetzten, berichtete die in Norwegen ansässige Menschenrechtsorganisation Hengaw auf Telegram. Mit strengen Sicherheitsvorkehrungen in den Kurdengebieten will der Machtapparat am Samstag neue Straßenproteste verhindern.
Aminis Vater sei inzwischen wieder auf freiem Fuß. Kurz nach seiner Festnahme sei der Mann wieder nach Hause gebracht worden, berichtete die in Paris ansässige Gruppe Kurdistan Human Rights Network am Samstag auf X, ehemals Twitter.
https://twitter.com/KurdistanHRN/status/1702951855536365955
Zuvor hatte Hengaw die Festnahme gemeldet. Die iranischen Staatsmedien wiesen diese Nachricht dann als "Falschmeldung" zurück. Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA berichtete unter Berufung auf "informierte Kreise", dass Aminis Vater zu Hause sei.
Laut den kurdischen Aktivisten wurde der Mann kurzzeitig verhört. Aminis Familie soll bereits in den vergangenen Wochen eingeschüchtert worden sein.
Laut dem iranischen Geheimdienst gab es aber mehrere Festnahmen in den Kurdengebieten. In den frühen Morgenstunden am Samstag seien mehrere Personen festgenommen worden, die Fotos und Videos von Geschäften aufgenommen hätten, berichtete die "Nachrichtenagentur Tasnim".
Tasnim gilt als Sprachrohr der Revolutionsgarden (IRGC), die neben der regulären Armee die zweite Säule der Streitkräfte bilden. "Diese Personen (...) versuchten, Unsicherheit zu schaffen, und wurden von den Sicherheits- und Geheimdiensten der Provinz Kurdistan festgenommen", hieß es.
Erster Todestag von Jina Mahsa Amini
An diesem Samstag jährt sich erstmals der Tod von Jina Mahsa Amini, der im Herbst 2022 die schwersten Aufstände im Iran seit Jahrzehnten ausgelöst hatte. Islamische Sittenwächter hatten die damals 22-Jährige wegen eines angeblich nicht richtig getragenen Kopftuchs festgenommen.
Was genau danach geschah, ist bis heute ungeklärt - letztlich fiel die junge Frau ins Koma und starb in einem Krankenhaus. Die iranischen Behörden sprechen von einer "Erkrankung" der jungen Frau. Wahrscheinlich ist sie jedoch infolge brutaler Misshandlungen gestorben.
Aminis Eltern äußerten früh Zweifel an der staatlichen Darstellung. Sie gaben lokalen und internationalen Medien zahlreiche Interviews und gerieten somit ins Fadenkreuz der Justiz. Zu Aminis Beerdigung strömten damals Tausende Menschen. Ausgehend von den Kurdenregionen verbreiteten sich die Proteste wie ein Lauffeuer.
Repressives Vorgehen durch das Regime
Augenzeugen berichteten bereits am Freitag, Militäreinheiten und andere Einsatzkräfte seien in Städte rund um Aminis Heimatort Saghes verlegt worden. Auch viele neue Überwachungskameras seien installiert worden. Bewohner der Kurdengebiete sprachen zudem von verstärkten Kontrollen.
Vor allem die junge Generation ging nach dem Tod von Jina Mahsa Amini unter dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit" gegen die repressive Politik der islamischen Führung auf die Straße. Die Staatsmacht ließ die Proteste, die das Land über Monate hinweg in Atem hielten, gewaltsam niederschlagen. Auf Geheiß der iranischen Justiz wurden sieben Männer im Zusammenhang mit den Demonstrationen hingerichtet. Als Zeichen des stillen Protests ignorieren bis heute viele Frauen die Kopftuchpflicht - in diesem Ausmaß hat es das im Iran zuvor nicht gegeben.
Aus Sorge vor einem erneut gewaltsamen Vorgehen der Einsatzkräfte am Todestag gab es zunächst keine Protestaufrufe. Den Tag wollten Menschen in den Kurdengebieten dennoch würdigen, etwa durch Ladenschließungen. Auch in anderen Städten traf der Machtapparat Vorkehrungen gegen mögliche neue Proteste. Während in den vergangenen Tagen weitgehend Alltag herrschte, waren vor allem nach Einbruch der Dunkelheit vermehrt Polizisten rund um öffentliche Plätze zu sehen.
Während Demonstrantinnen und Demonstranten im Iran um ihre Sicherheit fürchten, sind in Österreich und anderen Ländern Kundgebungen und Demos anlässlich des Jahrestags geplant. Die USA und die EU verhängten im Vorfeld des brisanten Datums neue Sanktionen im Zusammenhang mit der brutalen Niederschlagung der Proteste.
In Washington wurden am Freitag Strafmaßnahmen gegen 25 iranische Personen, drei vom iranischen Staat unterstützte Medien und ein iranisches Unternehmen bekanntgegeben, das Nachforschungen im Internet anstellt.
Internationale Sanktionen
Die USA handelten dabei in Abstimmung mit Großbritannien, Kanada, Australien und anderen Partnern, die diese Woche ebenfalls Sanktionen verhängen wollten, teilte das Außenministerium mit. Zudem habe man Visabeschränkungen gegen 13 iranische Beamte verhängt, die an der Verhaftung oder Tötung friedlicher Demonstranten sowie an der Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit beteiligt gewesen seien. US-Präsident Joe Biden hatte zuvor zum ersten Todestag Aminis den Protestierenden anhaltende Unterstützung zugesichert.
Von den EU-Strafmaßnahmen sind nach Angaben vom Freitag vier Personen sowie sechs Einrichtungen und Unternehmen betroffen. Dabei geht es unter anderem um zwei ranghohe Polizisten, einen Vertreter der Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte sowie mehrere Gefängnisse und die Nachrichtenagentur Tasnim, der von der EU unter anderem vorgeworfen wird, sie veröffentliche falsche Geständnisse von Protestteilnehmern.
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat am Todestag der iranischen Widerstandsikone Jina Mahsa Amini Gewalt durch Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten im Iran verurteilt. Urheber solcher Gewalt müssten zur Rechenschaft gezogen werden, forderte Schallenberg in einer Aussendung am Samstag. "Frauenrechte gelten weltweit und somit auch im Iran", betonte der Minister.
Zusammenfassung
- Mit strengen Sicherheitsvorkehrungen in den Kurdengebieten will der Machtapparat am Samstag neue Straßenprotest verhindern.
- Laut dem iranischen Geheimdienst gab es aber mehrere Festnahmen in den Kurdengebieten.
- Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat am Todestag der iranischen Widerstandsikone Jina Mahsa Amini Gewalt durch Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten im Iran verurteilt.