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US-Außenminister nennt Schlüsselelemente für Nahost-Frieden

Für einen Frieden im Nahost-Konflikt darf es nach Ansicht der USA weder eine Vertreibung der Palästinenser noch eine erneute Besetzung des Gazastreifens geben. Israel könne das Palästinenser-Gebiet nicht wieder dauerhaft verwalten, aber es könne eine Übergangszeit nach dem Ende des Gaza-Kriegs geben, sagte US-Außenminister Antony Blinken am Mittwoch in Tokio zum Abschluss des G7-Außenministertreffens.

Zu den Voraussetzungen für "dauerhaften Frieden und Sicherheit" solle gehören, "dass die Palästinenser nicht gewaltsam aus dem Gazastreifen vertrieben werden, so Blinken -" nicht jetzt, nicht nach dem Krieg". Blinken betonte: "Keine Wiederbesetzung des Gazastreifens nach Beendigung des Konflikts, kein Versuch, den Gazastreifen zu blockieren oder zu belagern, keine Verkleinerung des Gebiets von Gaza".

Zudem dürfte der Gazastreifen nicht "als Plattform für Terrorismus oder andere gewalttätige Angriffe" genutzt werden, sagte Blinken. "Wir müssen auch sicherstellen, dass keine terroristischen Bedrohungen vom Westjordanland ausgehen können", fügte er hinzu. Jene, die nun einen sofortigen Waffenstillstand forderten, hätten die Pflicht zu erklären, wie man mit dem Schicksal der Geiseln umgehen solle und der erklärten Absicht der Hamas, den 7. Oktober immer zu wiederholen.

Israel habe wiederholt gesagt, dass es kein Zurück zur Zeit vor dem Angriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober gebe, sagte Blinken. "Wir stimmen voll und ganz zu." Die USA arbeiteten in der Nahost-Region zudem daran, umfassendere Bedrohungen für Partner und Freunde abzuwehren, sagte er mit Blick auf jene, die die Krise in Gaza für ihre Ziele ausnutzen oder auf andere Schauplätze ausweiten wollten.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zufolge läuft etwas "offensichtlich falsch" beim israelischen Militäreinsatz. Dies zeige die Zahl der getöteten Zivilisten, sagt Guterres bei der Konferenz "Reuters Next" in New York. "Wenn man sich die Zahl der Zivilisten ansieht, die bei den Militäreinsätzen getötet wurden, dann läuft etwas offensichtlich falsch." Auch die Zahl der getöteten Kinder deute darauf hin. Jedes Jahr gehe diese Zahl bei allen Konflikten höchstens in die Hunderte. "Im Gazastreifen wurden innerhalb weniger Tage Tausende und Tausende von Kindern getötet, was bedeutet, dass auch bei der Durchführung der Militäreinsätze etwas eindeutig falsch läuft." Es müsse zwischen der radikalislamischen Hamas und dem palästinensischen Volk unterschieden werden.

Belgiens Vize-Ministerpräsidentin Petra De Sutter fordert die belgische Regierung auf, Sanktionen gegen Israel zu verhängen und die Bombardierung von Krankenhäusern und Flüchtlingslagern in Gaza zu untersuchen. "Es ist Zeit für Sanktionen gegen Israel. Der Bombenregen ist unmenschlich", sagte De Sutter der Zeitung "Nieuwsblad". Es sei klar, dass Israel internationale Forderungen nach einem Waffenstillstand nicht kümmerten. Die Europäische Union müsse das auf eine bessere wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit abzielende Assoziationsabkommen mit Israel sofort aussetzen. Gewalttätigen Siedlern, Politikern und Soldaten, die für Kriegsverbrechen verantwortlich seien, solle die Einreise in die EU verboten werden.

De Sutter plädiert außerdem für ein Importverbot auf Produkte aus den besetzten Palästinenser-Gebieten. Ferner sollte Belgien die Mittel für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag erhöhen, um die Bombardierungen zu untersuchen, während gleichzeitig die Geldflüsse an die Hamas gekappt werden. "Das ist eine Terrororganisation. Terror kostet Geld, und es müssen Sanktionen gegen die Unternehmen und Personen verhängt werden, die die Hamas mit Geld versorgen."

Die israelische Regierung hat sich bisher nur vage über ihre langfristigen Pläne nach einem Sieg über die Hamas geäußert. In einer der ersten öffentlichen Äußerungen dazu sagte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu am Dienstag, Israel werde nach dem Krieg für unbestimmte Zeit die Sicherheitsverantwortung für den Gazastreifen übernehmen. Aus der Regierung hieß es jedoch, Israel sei nicht daran interessiert, das Gebiet zu regieren. Verteidigungsminister Yoav Gallant sagte, nach dem Krieg würden weder Israel noch die Hamas den Gazastreifen regieren.

Israel hatte seine Truppen und Siedler 2005 aus dem Gazastreifen abgezogen und das Gebiet den Palästinensern überlassen. Die Hamas übernahm zwei Jahre später die Kontrolle, nachdem sie die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) von Präsident Mahmoud Abbas entmachtet hatte. Die Autonomiebehörde regiert seitdem eingeschränkt im Westjordanland, das teilweise von Israel besetzt ist und wo Israel seine Siedlungen trotz internationaler Kritik ausgebaut hat.

Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock nannte in Tokio Kernelemente für einen künftigen Frieden. "Wir brauchen kluge Lösungen, wie und von wem Gaza in Zukunft verwaltet werden kann. Und wir brauchen praktische Schritte hin zur Zwei-Staaten-Lösung, auch wenn sie in der Ferne liegen mag", sagte sie. Von Gaza dürfe in Zukunft keine Terrorgefahr für Israel ausgehen, Palästinenser dürften nicht aus Gaza vertrieben werden, es dürfe keine Besetzung und keine Verkleinerung des Gazastreifens geben, sagte Baerbock ähnlich wie zuvor Blinken. Zugleich mahnte sie, "dass es keine Lösung über die Köpfe der Palästinenserinnen und Palästinenser hinweg geben darf". Neben den USA und Deutschland gehören Kanada, Frankreich, Italien, Großbritannien und Japan zu den sieben führenden, demokratischen Wirtschaftsnationen (G7).

Die militante Palästinenser-Organisation Hamas hat mit der blutigen Terrorattacke auf Israel am 7. Oktober laut einem Bericht der "New York Times" bewusst eine Eskalation des Konflikts in Kauf genommen. In der Interpretation der Islamisten sei es das Ziel, die ins Wanken geratene palästinensische Sache mittels Gewalt wiederzubeleben, schrieb die Zeitung am Mittwoch unter Berufung auf Gespräche mit mehreren Hamas-Vertretern. Es sei notwendig gewesen, "die gesamte Gleichung zu ändern und nicht nur einen Zusammenstoß zu haben", sagte demnach Khalil al-Hayya von der Hamas-Führung dem Blatt in Doha. "Es ist uns gelungen, die Palästinenser-Frage wieder auf den Tisch zu bringen, und jetzt kommt niemand mehr in der Region zur Ruhe."

Die vielen Opfer auf palästinensischer Seite durch die Reaktion Israels sei in den Augen von Hamas der notwendige Preis dafür, schreibt die Zeitung. Das Kalkül der Organisation sei es, den Status quo zu erschüttern und ein neues, brisantes Kapitel im Kampf gegen Israel aufzuschlagen. "Ich hoffe, dass der Kriegszustand mit Israel an allen Grenzen dauerhaft wird und dass die arabische Welt auf unserer Seite steht", zitierte die "New York Times" Taher al-Nounou, den die Zeitung als Medienberater der Hamas bezeichnet. Das Ziel der Hamas sei es nicht, den Gazastreifen zu regieren und diesen etwa mit Wasser und Strom zu versorgen, so Khalil al-Hayya. "Es ging nicht darum, die Situation in Gaza zu verbessern. Diese Schlacht dient dazu, die Situation komplett umzustoßen."

ribbon Zusammenfassung
  • Für einen Frieden im Nahost-Konflikt darf es nach Ansicht der USA weder eine Vertreibung der Palästinenser noch eine erneute Besetzung des Gazastreifens geben.
  • Israel könne das Palästinenser-Gebiet nicht wieder dauerhaft verwalten, aber es könne eine Übergangszeit nach dem Ende des Gaza-Kriegs geben, sagte US-Außenminister Antony Blinken am Mittwoch in Tokio zum Abschluss des G7-Außenministertreffens.