Türkei-Wahl: So geht es weiter
Die Türkei hat am 14. Mai gleichzeitig ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten gewählt. Mehr als 64 Millionen Menschen waren wahlberechtigt - bei einer Wahlbeteiligung von 88 Prozent haben dieses Mal besonders viele von ihrem Wahlrecht gebraucht gemacht. Die Wahl stand insbesondere im Zeichen des verheerenden Erdbebens, das am 6. Februar weite Teile der Südost-Türkei zerstörte.
Erdoğan hat gewonnen und verloren
Im ersten Wahlgang gibt es keinen klaren Sieger. Bei einem Auszählungsgrad von 99 Prozent der Stimmen verlor aber der amtierende Präsident Recep Tayyip Erdoğan (AKP) mit 49,4 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit. Sein wichtigster Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu kommt nur auf knapp unter 45 Prozent. Der drittplatzierte Sinan Ogan von der ultranationalistischen Ata-Allianz erhielt 5,17 Prozent. Er scheidet damit aus. Die große Frage ist, für wen seine Wähler in der Stichwahl abstimmen.
Das ist ein herber Schlag für die Opposition, viele Wahlbeobachter:innen haben mit einer Abwahl Erdoğans gerechnet. In Umfragen lag Kılıçdaroğlu vor Erdoğan.
Wie sieht es im Parlament aus?
Die Regierungskoalition Erdoğans wird die Mehrheit im Parlament behalten. Seine Partei AKP hat bisher mit der rechtsextremen MHP koaliert. Gemeinsam kommen sie nach dieser Wahl voraussichtlich auf 322 Abgeordnete.
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Wie geht es weiter?
Kılıçdaroğlu und Erdoğan müssen am 28. Mai in eine Stichwahl. Für Kılıçdaroğlu wird es schwierig, den Abstand aufzuholen. Er gab sich als Versöhner, während Erdogan gegen die Opposition und seine Kritiker hetzte. Laut Sinem Adar von der Stiftung Wissenschaft und Politik hat Kilicdaroglu Teile des nationalistischen Lagers durch seine Annäherung mit der prokurdischen Partei HDP verloren. Erdogans setzte das mit der Unterstützung von "Terroristen" gleich, schlussendlich dürfte das gefruchtet haben. Nun stecke die CHP in einem Dilemma: Die bitter benötigten Stimmen des Ultranationalisten Sinan Ogan könne er wohl nur auf Kosten der des kurdischen Lagers für sich gewinnen.
Erdoğan geht auch deshalb als klarer Favorit in den zweiten Wahlgang. Sollte Kılıçdaroğlu doch gewinnen, könnten sich Präsident und Parlament gegenseitig blockieren. Erdoğan wird versuchen, diese Situation für sich zu nützen.
Besonders wichtig ist hier die Rolle von Sinan Oğan, dem Präsidentschaftskandidaten des rechts-nationalistischen Wahlbündnisses Ata İttifakı. Oğan holte überraschend fünf Prozent. Die Stimmen seiner Unterstützer:innen werden in der Stichwahl wohl den Unterschied machen.
Wie glaubwürdig ist das Ergebnis?
In der gesamten Türkei waren hunderttausende Beobachter:innen aus Regierung, Opposition und dem Ausland eingesetzt. Allein von der kemalistischen Mitte-links Partei CHP, der Kılıçdaroğlu vorsteht, waren rund eine halbe Million Freiwillige unterwegs. Auch aus Österreich waren Wahlbeobachter:innen vor Ort.
Gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu erklärte der Chef der türkischen Wahlkommission YSK zwar, dass die Wahlen "ohne Probleme" verlaufen seien. Im Internet kursieren jedoch zahlreiche Videos, die mutmaßliche Wahlmanipulation zeigen. Es kam auch zu Angriffen auf oppositionelle Wahlbeoabachter:innen, wie etwa im südöstlichen Mardin. Gerade in den kurdischen Regionen im Südosten der Türkei gab es solche Zwischenfälle auch bei vergangenen Wahlen.
Der Regierung wird auch vorgeworfen, Stimmen aus oppositionellen Regionen lange zurückgehalten und unterschlagen zu haben. In Çankaya/Ankara, einer Hochburg der CHP, mussten die Stimmen mindestens elfmal gezählt werden. Kritiker:innen erklären, damit sei versucht worden, die Opposition zu zermürben.
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Wo liegen die Hochburgen der Kandidat:innen?
Grundsätzlich gilt in der Türkei: In den Küstenregionen im Westen und Süden liegt zumeist die CHP vorne. So war es auch bei dieser Wahl. Regionen im Osten der Türkei, in der besonders viele Kurd:innen und andere Minderheiten leben, wählen ebenso linker. Auch hier hat Kılıçdaroğlu das Rennen für sich entschieden. In den ländlichen Regionen im Inneren des Landes und bei den meisten türkischen Staatsbürger:innen im Ausland führt indes die islamistisch-konservative AKP.
Wie haben türkische Staatsbürger in Österreich gewählt?
Die türkischen Staatsbürger:innen in Österreich wählen traditionell besonders rechts. Auch dieses Mal haben über 70 Prozent für Erdoğan gestimmt.
Zusammenfassung
- Erstmals kommt es um das Präsidentenamt in der Türkei zu einer Stichwahl.
- Der amtierende Präsident Recep Tayyip Erdoğan (AKP) liegt bei 49,4 Prozent der Stimmen. Sein wichtigster Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) kommt nur auf knapp unter 45 Prozent.
- Es wird zur Stichwahl kommen, dort hat Erdoğan die besseren Chancen.
- Aus manchen Teilen des Landes wurden Attacken auf Wahlbeobachter gemeldet.
- Die oppositionelle CHP hat ihre Machtbasis vor allem in den Küstengebieten, Erdoğans AKP die ihrige im ländlichen Landesinneren.
- Die türkischen Staatsbürger:innen in Österreich wählt besonders konservativ. Hier stimmten 70 Prozent der Wähler für Erdoğan.