APA/BMI

OLG Graz: Razzien bei Muslimbruderschaft teilweise rechtswidrig

Die Hausdurchsuchungen bei angeblichen Mitgliedern der Muslimbruderschaft im November 2020 waren rechtswidrig. Das hat das Oberlandesgericht Graz entschieden.

Im November 2020 - nur Tage nach dem blutigen Terroranschlag in der Wiener Innenstadt mit vier Todesopfern - führten Einsatzkräfte mehrere Hausdurchsuchungen bei angeblichen Mitgliedern der Muslimbruderschaft durch. Die Durchsuchungen standen nicht in Zusammenhang mit dem Anschlag sondern waren als "Operation Luxor" bereits Monate vorher geplant.

Das Oberlandesgericht (OLG) Graz hat nun neun Beschwerden gegen diese Maßnahme stattgegeben und die Hausdurchsuchung in dieser Form teilweise für rechtswidrig erklärt, berichten "Presse" und "Standard" am Dienstag. Bei den Hausdurchsuchungen wurden Immobilien und Bargeld beschlagnahmt sowie Konten eingefroren. Es ging um den Verdacht der illegalen Terrorfinanzierung. Die Verdächtigen sollen Gelder für die Terrororganisation Hamas im Gaza-Streifen gesammelt haben.

Kein ausreichender Verdacht

"Die Hausdurchsuchungen bei ihnen haben nicht dem Gesetz entsprochen", sagte die Sprecherin des OLG Graz Elisabeth Dieber zur APA. Sie erklärte, dass nach Ansicht des OLG die Verdachtslage vor den Hausdurchsuchungen bei diesen neun Fällen nicht ausreichend für die Razzia gewesen sei.

Unter den insgesamt 70 Beschuldigten befanden sich auch prominente Namen, etwa ein Wissenschaftler. Laut Gericht reichte der Verdacht gegen neun der Betroffenen nicht aus, um solche Durchsuchungen durchzuführen, zitiert etwa der "Standard" aus dem Schreiben.

Das OLG Graz kritisiert die Ermittlungen in seiner Begründung durchaus scharf: Bei einem Verdächtigen gehe die These, dass eine bestimmte Moschee unter dem Einfluss von Muslimbrüdern stehe, "über Mutmaßung nicht hinaus", zitiert der "Standard". Der anonyme Hinweisgeber, auf den sich die Ermittlungen stützen, habe keine Tatsachenwahrnehmungen geäußert – etwa dass er gesehen hätte, dass dieses oder jenes passiert sei. Vielmehr habe er "primär Einschätzungen" geliefert.

Staatsanwaltschaft Graz

Auch Gutachten, die von der Staatsanwaltschaft Graz eingeholt wurden, werden sehr kritisch gesehen. Bei der Staatsanwaltschaft Graz ist die Entscheidung des OLG laut Sprecher Hansjörg Bacher noch nicht eingelangt, weshalb es auch noch keine Stellungnahme dazu gibt. Noch nicht entschieden sei über mehrere andere Beschwerden im Fall "Luxor", die dem OLG vorliegen. Darin gehe es um die Beschlagnahme von Beweismaterial sowie das Einfrieren von Konten, sagte Dieber.

Politischer Streit noch vor Durchführung

Die Aktion war bereits vor ihrer Durchführung politisch umstritten. Weil dafür sämtliche verfügbaren Kräfte im Verfassungsschutz gebündelt wurden, sollen keine Ressourcen für die Observierung des späteren Wien-Attentäters zur Verfügung gestanden sein. So lautete zumindest der Vorwurf, den der ehemalige Innenminister und jetzige FPÖ-Chef Herbert Kickl bereits unmittelbar nach dem Terroranschlag (und noch vor Stattfinden der Hausdurchsuchungen) erhob.

Der jetzige Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wiederum zeigte sich empört, dass Kickl den Namen der Operation vorab ausplauderte und den Erfolg dadurch gefährdet habe.

ribbon Zusammenfassung
  • Im November 2020 - nur Tage nach dem blutigen Terroranschlag in der Wiener Innenstadt mit vier Todesopfern - führten Einsatzkräfte mehrere Hausdurchsuchungen bei mutmaßlichen Mitgliedern der Muslimbruderschaft durch.
  • Die Durchsuchungen standen nicht in Zusammenhang mit dem Anschlag sondern waren als "Operation Luxor" bereits Monate vorher geplant.
  • Das Oberlandesgericht (OLG) Graz hat nun neun Beschwerden gegen diese Maßnahme stattgegeben und die Hausdurchsuchung in dieser Form für rechtswidrig erklärt, berichtet die "Presse" am Dienstag.
  • Bei den Hausdurchsuchungen wurden Immobilien und Bargeld beschlagnahmt sowie Konten eingefroren. Es ging um den Verdacht der illegalen Terrorfinanzierung. Die Verdächtigen sollen Gelder für die Terrororganisation Hamas im Gaza-Streifen gesammelt haben.
  • Nach Ansicht des OLG war die Verdachtslage vor den Hausdurchsuchungen bei diesen neun Fällen nicht ausreichend für die Razzia.
  • Das OLG Graz kritisiert die Ermittlungen in seiner Begründung durchaus scharf: Bei einem Verdächtigen gehe die These, dass eine bestimmte Moschee unter dem Einfluss von Muslimbrüdern stehe, "über Mutmaßung nicht hinaus", zitiert der "Standard".