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Migrations-Thinktank ICMPD sieht unsichere Zeiten in EU

Auch wenn die Ankunftszahlen im vergangenen Jahr zurückgegangen sind, steht die EU nach Ansicht des Internationalen Zentrums für Migrationspolitik (ICMPD) vor einem schwierigen Jahr in Sachen Migration. Vor allem die Entwicklung in Syrien sowie die Präsidentschaft Donald Trumps und ihre Auswirkungen auf die Ukraine sowie Migrationsströme von Südamerika würden Europa im kommenden Jahr beeinflussen, so ICMPD-Direktor Michael Spindelegger im APA-Interview.

"Die relativ stabilen Migrationsmuster in Europa sind das Ergebnis aufgeschobener, nicht gelöster Probleme. Die EU sollte sich auf unberechenbare Szenarien im Jahr 2025 vorbereiten, die eine Debatte über immer weitreichendere 'innovative Lösungen' eröffnen könnten", so Spindelegger anlässlich der Veröffentlichung des diesjährigen "Migration Outlook". Unter "innovativen Lösungen" versteht das in Wien ansässige ICMPD primär die Externalisierung von Asylverfahren, aber etwa auch die Einrichtung von "Rückführungszentren" in Drittstaaten.

Angesichts der niedrigen Rückführungsrate in der EU erwarte er sich hier "möglichst rasch" nächste Schritte der EU-Kommission, betonte der frühere ÖVP-Vizekanzler. Gleichzeitig räumte er ein, dass eine "realistische" Umsetzung "natürlich sehr schwierig" sein werde, vor allem auch, ein Land zu finden, in dem ein solches Zentrum stehen könnte. Gute Erfahrungen habe das ICMPD mit ihren eigenen "Migration Ressource Centres" in Herkunfts- und Transitländern gemacht, die nach Vorstellung Spindeleggers in der künftigen EU-Rückführungspolitik eine "Scharnierfunktion" übernehmen könnten. Zumindest könne dies eine Art Zwischenschritt für spätere Abkommen mit Drittstaaten sein.

Unsichere Zeiten stünden der EU in puncto Migration auch wegen der Ankündigungen des designierten US-Präsidenten Trump bevor. Einerseits könne der erwartete Rückgang der US-Hilfen für die Ukraine wieder mehr Flüchtlinge Richtung Europa treiben. Andererseits sei anzunehmen, dass es durch die angekündigte, restriktivere Einwanderungspolitik zu einer Verlagerung der Migrationsbewegungen aus Südamerika Richtung Europa komme, erklärte Spindelegger. Möglich macht dies vor allem die visafreie Einreise vieler Bürgerinnen und Bürger, etwa aus Venezuela, Kolumbien oder Peru, nach Spanien. "Ich glaube, dass der Druck auf Spanien steigen wird, wenn die Migrationszahlen tatsächlich steigen." Die EU-Kommission hatte bereits in der Vergangenheit angeregt, die Visafreiheit für bestimmte Staaten zu überdenken.

Vorbereiten sollte sich die Union laut dem Zentrum für Migrationspolitik auch auf eine deutlich steigende Zahl an Ukraine-Flüchtlingen. Die EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz von Geflüchteten müsse dann möglicherweise verschärft werden und individuelle Prüfungsverfahren wieder eingeführt werden, denn "zehn Millionen Ukrainer, das wäre ein Szenario, das für die EU nicht bewältigbar ist", so Spindelegger. Kritik übte der ICMPD-Direktor, der mit Jahresende in Pension geht, an der schlechten Arbeitsmarktintegration von ukrainischen Geflüchteten hierzulande. Dazu bedürfe es nationaler Maßnahmen, in Deutschland und Österreich seien nur etwa 20 Prozent in den Arbeitsmarkt integriert.

Mit Blick auf die Situation in Syrien dämpfte Spindelegger die Erwartungen, dass in naher Zukunft eine große Zahl syrischer Geflüchteter in ihre Heimat zurückkehrt: "Rückkehr folgt dem Wiederaufbau." Es brauche nun das "dringende Signal", dass das Land mit internationaler Hilfe wieder aufgebaut werde. "Viele Syrer, die gerne zurückkehren wollen, warten auf dieses Signal, aber es muss auch gesendet werden. Aktuell ist es nicht sehr attraktiv zurückzukehren", gab der er zu bedenken.

Zum Erstarken rechtspopulistischer Parteien und Politiker weltweit sagte Spindelegger, dass man realistisch bleiben müsse und "keine Hirngespinste an die Wand malen" dürfe. Trumps Ankündigung der Massenabschiebungen etwa sei "einfach unrealistisch". Ähnlich sieht der frühere ÖVP-Chef auch die am Dienstag bekanntgewordenen Aussagen zweier FPÖ-Nationalratsabgeordneter während eines Stammtisch-Gesprächs, die sich nicht nur zum potenziellen Koalitionspartner ÖVP, sondern auch zum Thema Migration und Menschenrechte sehr kritisch geäußert hatten. Er glaube nicht, dass die Aussagen Harald Stefans und Markus Tschanks "Grundlage für ein Regierungsprogramm" seien. Man müsse den Herausforderungen im Bereich Migration begegnen, "aber natürlich alles im Rahmen der Verfassung sowie europäischer und internationaler Gesetze". Stefan und Tschank hatten ein "übertriebenes Bewusstsein für Menschenrechte" in Österreich kritisiert und eine Abschaffung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) angeregt, die in Österreich im Verfassungsrang steht.

(Das Gespräch führte Christina Schwaha/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Das ICMPD warnt vor einem herausfordernden Jahr 2025 für die EU in Sachen Migration, trotz rückläufiger Ankunftszahlen im letzten Jahr. Entwicklungen in Syrien und die Politik von Donald Trump könnten Migrationsströme beeinflussen.
  • ICMPD-Direktor Spindelegger schlägt 'innovative Lösungen' wie die Externalisierung von Asylverfahren und Rückführungszentren vor, um die niedrige Rückführungsrate in der EU zu adressieren.
  • Die Ankündigungen von Trump könnten Migrationsbewegungen aus Südamerika nach Europa verlagern, während die EU sich auf einen möglichen Anstieg von bis zu zehn Millionen Ukraine-Flüchtlingen vorbereiten muss.