Irak ernennt Rashid zum neuen Präsidenten
Der 78-jährige in Großbritannien ausgebildete Ingenieur war von 2003 bis 2010 der für die Wasserversorgung zuständige Minister. Zwar hat der Präsident im Irak eine überwiegend zeremonielle Funktion. Seine Ernennung ist jedoch ein kritischer Schritt bei der Bildung einer neuen Regierung.
Aus der Parlamentswahl am 10. Oktober 2021 ging zwar der schiitische Kleriker Moqtada al-Sadr als Sieger hervor. Er konnte jedoch keine Regierung bilden. Sadrs 73 Abgeordnete zogen sich im Sommer aus dem Parlament zurück, nachdem er ankündigte, nicht mehr politisch tätig sein zu wollen. Der Schritt führte zum schwersten Gewaltausbruch seit Jahren. Im Irak wird der Präsident aus den Reihen der Kurden gewählt, der Ministerpräsident ist ein Schiit und der Parlaments-Präsident ein Sunnit. Streit zwischen den größten kurdischen Parteien hatte bisher die Ernennung eines Präsidenten verhindert.
Im irakischen Parlament stimmten 162 von 269 Abgeordneten für den 78-Jährigen, wie die irakische Nachrichtenagentur INA berichtete. Sein Konkurrent, der bisher amtierende Barham Salih von der Partei der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), erhielt 99 Stimmen. Die Abstimmung über das Staatsoberhaupt war laut Verfassung seit Monaten überfällig. Sie verzögerte sich aber immer wieder, weil sich die führenden Parteien des Krisenlandes nicht auf einen Kandidaten einigen konnten.
Rashid beauftragte Mohammed Schia al-Sudani als Kandidaten des stärksten Blocks im Parlament, eine neue Regierung zu bilden. Das derzeitige Kabinett unter Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi ist nur noch geschäftsführend im Amt und damit bedingt handlungsfähig. Al-Kasimi gratulierte seinem Nachfolger in einem Tweet.
Das Nachsehen hat vorerst al-Sadr. Dessen Bewegung hatte bei der Wahl im Oktober die meisten Sitze im Parlament gewonnen. Al-Sadr gelang es jedoch nicht, ausreichend Partner zu finden, um eine Regierung nach seinem Wunsch zu bilden.
Zugleich erhöhte er den Druck der Straße. Ende August kam es am Parlament zu tödlichen Zusammenstößen mit rivalisierenden schiitischen Milizen. Al-Sadr beendete danach den Protest. Er fordert jedoch weiter die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen.
Im Vorfeld der Abstimmung gab es erneut einen Raketenangriff auf die hoch gesicherte Grüne Zone in Iraks Hauptstadt Bagdad, wie Sicherheitskräfte meldeten. Drei Menschen wurden dabei verletzt. Wer hinter dem Angriff steckte, war zunächst unklar. In der Grünen Zone befinden sich unter anderem Parlament und Regierungspalast.
Seit dem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein 2003 durch die US-Invasion werden die zentralen Ämter im Irak nach einem Proporz aufgeteilt, an dem alle wichtigen politischen Gruppen beteiligt sind. Der Präsident ist immer ein Kurde, der Premier ein Schiit und der Parlamentspräsident ein Sunnit. Kritiker sehen in diesem Verfahren jedoch einen Hauptgrund für die weit verbreitete Korruption. Viele Menschen im Irak haben inzwischen kein Vertrauen mehr in die Führung.
Zusammenfassung
- Das irakische Parlament hat den kurdischen Politiker Abdul Latif Rashid zum Präsidenten ernannt und damit nach mehr als einem Jahr politischer Blockade den Weg für die Bildung einer neuen Regierung freigemacht.
- Zwar hat der Präsident im Irak eine überwiegend zeremonielle Funktion.
- Rashid beauftragte Mohammed Schia al-Sudani als Kandidaten des stärksten Blocks im Parlament, eine neue Regierung zu bilden.
- Al-Sadr beendete danach den Protest.